Darf die Großherzogin Feministin sein?

Fernand Kartheiser schoss in einer parlamentarischen Anfrage einmal mehr gegen die„Orange Week“ und hinterfragte die Rolle der Großherzogin bei politischen Manifestationen. Nun antwortet Premierminister Xavier Bettel.

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Man musste nicht lange grübeln, auf welche Veranstaltung er sich bezieht, als der Abgeordnete Fernand Kartheiser vor rund einem Monat in einer parlamentarischen Anfrage die mögliche Schirmherrschaft der Großherzogin Maria-Teresa einer „offen männerfeindlichen Aktion“ hinterfragte. Zwar sah Kartheiser davon ab, den Titel der internationalen Sensibilisierungskampagne gegen die Gewalt gegen Frauen zu nennen, doch ist bekannt, dass die „Orange Week“ der ADR ein Dorn im Auge ist. Die Partei behauptete schon letztes Jahr, die Sensibilisierungswoche gegen Gewalt gegen Frauen thematisiere Frauengewalt gegenüber Männern nicht und definiere Männer  stereotyp zu Tätern. Laut einer Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte sind die Täter*innen in 97 Prozent der Fälle, in denen Frauen Opfer von Gewalt wurden, de facto Männer.

Kartheiser sei jedenfalls „zu Ouere komm“, dass eine feministische Organisation – gemeint war augenscheinlich der Conseil national des femmes du Luxembourg (CNFL), der die „Orange Week“ zusammen mit der luxemburgischen Sektion von Zonta International organisiert – , Kontakt mit der Großherzogin aufgenommen und ihre Schirmherrschaft angefragt habe. Der CNFL bot ihm Paroli. Die Organisation wunderte sich in einer Stellungnahme zum einen darüber, dass Kartheiser von der Kontaktaufnahme zur Großherzogin wusste; zum anderen über den erhobenen Sexismus-Vorwurf. Sie befand Kartheisers Anfrage für inakzeptabel.

Über den Charakter der Veranstaltung scheinen sich Bettel und Kartheiser derweil uneins. Während Kartheiser hinter der „Orange Week“ eine politische Manifestation vermutet, verortet sie der Premierminister im Bereich der Menschenrechte und elementarer Menschlichkeit. In den Augen der Regierung gehöre es zum gesellschaftlichen Konsens, diese zu respektieren. Mit Politik habe das nichts zu tun. Man möchte präzisieren: Mit Parteipolitik hat das nichts zu tun. Unpolitisch ist eine Kampagne, die sich für die Sichtbarkeit von Gewaltopfern und deren Rechte einsetzt jedoch nicht. Bettels strenge Kategorisierung ist ein rhetorischer Trick: Gleich zu Beginn seiner Mitteilung gibt er Kartheiser nämlich Recht, wenn der die Rolle der Großherzogin bei politischen Veranstaltungen hinterfragt. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Schirmherrschaft politischer Aktionen zu übernehmen.

Gesetzlich geregelt ist der Statut der Lebenspartner*innen des Staatsoberhaupts nicht. Nach Bettel ergibt es sich aber aus dem Gewohnheitsrecht, dass die betroffene Person sich nicht politisch engagiert. Warum? Weil ihr Titel laut dem „Décret grand-ducal du 18 juin 2012 portant coordination du Statut de Famille du 5 mai 1907“ an den des Staatsoberhaupts  gebunden ist – und demnach auch an deren verfassungsrechtliche Situation. Die Akte der letzteren seien „par essence“ sowie „en droit“ unpoltisch.

„Könnte I.K.H. die Großherzogin ihren Titel temporär oder definitiv ablegen, wenn sie sich politisch engagieren möchte?“, warf Kartheiser überdies in seiner Anfrage ein. Nein, das ist nicht möglich: Nach Paragraph 4b des bereits erwähnten Dekrets wird der Titel in öffentlichen und privaten Handlungen geführt und der Verlust des Titels erfolgt nur durch die Ehetrennung, Ehescheidung oder die Wiederverheiratung nach dem Tod des Großherzogs.

Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass die Großherzogin sich an entsprechenden Aktionen beteiligt. Im März 2019 lancierte sie die Initiative „Stand, Speak, Rise Up“, die auf sexualisierte Gewalt in Krisengebieten und als Kriegswaffe aufmerksam macht und dagegen ankämpft. Die Antwort der Großherzogin auf die Anfrage des CNFL und Zonta International steht bisweilen aus.


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