Der letzte linke Kleingärtner, Teil 50: Ganzjährig Gärtnern

Kaum zu glauben, aber der letzte linke Kleingärtner liefert schon seine 50. Kolumne für uns ab. Grund für nostalgisches Gebrabbel gibt ihm das aber nicht. Ohnehin denkt er eher zyklisch als linear.

Kein Springbrunnen, sondern eine überforderte Kanalisation: Die zunehmende Versiegelung der Böden bringt auch die kommunalen Abwassersysteme an ihre Grenzen. (Foto: Internet)

Wenn man aktuell zum Fenster rausschaut und den Blick umherschweifen lässt, könnte man angesichts des nasskalten Klimas meinen, unsereiner gebe das ständige Lamento von der großen Trockenheit nur aufgrund des Einflusses von berauschenden Substanzen aller Art von sich. Da kann ich aber Entwarnung geben. Ich habe mit dergleichen Zeugs absolut nichts zu tun.

Daher noch einmal: Wir befinden uns in diesen Breitengraden seit mindestens 2018 in einer Phase der Trockenheit. Noch kommt zwar genügend Wasser aus den Leitungen. Doch der Boden ist ab einer Tiefe von anderthalb bis zwei Metern viel zu trocken. Denn es hat in den letzten fünf Jahren zu wenig geregnet. Die Tatsache, dass es ab und an gigantische Starkregenereignisse gibt, wovon die meisten recht lokal sind, dort aber zu verheerenden Flutschäden wie am 14. Juli 2021 im deutschen Ahrtal führen können, widerspricht der Tatsache der Trockenheit nur statistisch. Die Wassermenge passt zwar, aber wenn es heftig und stark regnet, fließt das Wasser ab und sickert eben nicht in den Boden ein und füllt keine Grundwasserspeicher.

Man muss nicht zu den apokalyptischen Gangs der aktuell hippen Marke „Die letzte Generation“ oder zu sonstigen autoritär-religiösen Gruppierungen gehören, um dergleichen ernst zu nehmen. Es reicht vollkommen aus, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und wissenschaftliche Basics zur Kenntnis zu nehmen.

Wie man es dreht und wendet: Unsere Gesellschaften im globalen Norden und damit auch in der Mitte Europas brauchen auf jeder Ebene ihres Gewusels ein Wassermanagement. Wenn „wir“ das nicht auf die Reihe bekommen, gibt es absehbar auch in unseren Breiten ein Hauen und Stechen um die knapper werdende Ressource Wasser. Unter anderem bedarf es einer Abkehr von der immer noch munter betriebenen Versiegelung von Landschaft, etwa durch die Ausweisung neuer Baugebiete mit allerhand freistehenden Häusern (siehe den Artikel „88 versiegelte Quadratkilometer“ in woxx 1707).

Bei derlei Manövern werden rasch die einfachsten biologischen, physikalischen und geografischen Gegebenheiten außer Acht gelassen. Je mehr Landschaft „wir“ zubetonieren, umso weniger Fläche gibt es zum langsamen Versickern des Wassers und umso größer müssen die Abflussrohre sein, um bei plötzlichem Regen das Wasser aufzunehmen und das Zulaufen von Kellergeschossen zu vermeiden. Dies zu gewährleisten, ist schwieriger als sich den Kreis zu einem perfekten Quadrat zurecht zu biegen. Auch die signifikante Zunahme privater Swimmingpools ist das Gegenteil eines seriösen Wassermanagements. Genau genommen müsste „meine“ Freiheit dort enden, wo mit meinem Tun und meinem Wasserverbrauch die Freiheit von anderen beschnitten wird. Aber das ist ein kommunal heißes Eisen, an dem man sich schnell die Finger verbrennt. Also weitermachen wie bisher und hoffen, dass der Kelch an einem vorübergeht?

Soweit meine Botschaft an die Menschheit. Ich wollte es ja nur mal gesagt haben, bevor ich mich wieder in meine Gartenbubble zurückziehe. Es ist zwar noch etwas zu früh, um mit der Aussaat zu beginnen, aber in wenigen Tagen starte ich im Februar schon mal mit dem Vorziehen von Salatsorten. Auch Tomatensetzlinge, die im Mai gepflanzt werden, haben nichts dagegen, demnächst vorgezogen zu werden.

Ebenso hilfreich ist es, sich jetzt darüber klar zu werden, ob man aus der Kartoffelernte vom letzten Jahr Knollen zurückbehält, um sie wieder zu legen oder sich neues Saatgut kauft. Ich verwende über zwei bis drei Jahre hinweg die Knollen aus der alten Ernte, wobei deren Ertrag von Jahr zu Jahr leicht abnimmt. Und bevor ich mich hier im Visionären des morgen und übermorgen verliere, bediene ich mich lieber im Hier und Jetzt des Gartens meines Vertrauens.

Ein Garten ist wie ein kleines Kind: Manchmal hast du ein paar Stunden Ruhe, aber du musst allzeit bereit sein.

Ein Garten ist schließlich ein Ganzjahresprojekt. Er startet nicht im Frühjahr und endet im Herbst. Ein Kleingärtner ist jeden Tag des Jahres in seinem Refugium unterwegs. Oft analog, manchmal aber nur in Gedanken. Ein Garten ist wie ein kleines Kind: Manchmal hast du ein paar Stunden Ruhe, aber du musst allzeit bereit sein. Sonst kann es schnell zum Crash kommen. Und das wollen wir ja wohl nicht. Aktuell stehen die winterharten Gemüsesorten wie Grünkohl, Lauch und Weißkohl zur Ernte bereit. Das ist praktizierte Lagerhaltung im Garten statt auf der Straße. Es geht doch nichts über einen strebsamen kleinen Gartenöko mit der Aura der Nachhaltigkeit. Nur dann ist er ein richtiger Kleingärtner, wie man ihn gerne hat.

Den reichlich gewachsenen Endivien-Salaten hatte ich vor der Frostperiode im Dezember noch schnell mit ihren Wurzeln ausgegraben und in meinem Haus ein Zuhause gegeben. „Bis dass der Tod euch scheidet“, also bis ich den Salat zubereitet habe, hat dieses Miteinander gut funktioniert. Drei Tage vor Erscheinen dieser Kolumne wanderte der letzte Salat von 2022 in die Schüssel. Sehr lecker. In diesem Jahr werde ich mehr davon pflanzen.

Drei Praxistipps:

1. Pflanze winterhartes Gemüse wie Grünkohl. Es dankt es dir.
2. 

Sei sparsam mit dem Wasser. Sonst gibt es Zoff.
3.
Bereite dich auf das Vorziehen von Salat & Co vor. Es geht bald wieder los.


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