Eigentlich ist er derjenige, der Neuerscheinungen rezensiert: der luxemburgische Literaturkritiker Jérôme Jaminet. Im März hat er sein Buch „Ein Wort in Esels Ohr. Aufzeichnungen“ veröffentlicht. Das Cover resümiert den Inhalt.
„Don’t judge a book by its cover“, lautet eine oft zitierte Redewendung. Das gilt allerdings nicht für „Ein Wort in Esels Ohr. Aufzeichnungen“ von Jérôme Jaminet, denn das Cover vermittelt einen guten Eindruck dessen, was einen zwischen den Buchdeckeln erwartet: Eine Gestalt mit Salatkopf, rotem Pullunder und Möhre in der Hand reitet einen braunen Esel auf Sprungfedern. Klingt verspielt? Auch ein wenig zusammenhanglos und kurios? Ähnlich lassen sich die Aufzeichnungen des Literaturkritikers und Deutschlehrers Jaminet bezeichnen.
Er schreibt auf, was ihn beschäftigt oder ihm begegnet. Die Texte reichen von düsteren Gedanken über das Lebensende – dazu finden sich in dem kurzen Buch recht viele Texte – über Reiseberichte bis hin zu etymologischen Kurzstudien. Zwischen den Zeilen tauchen der Sprachliebhaber und der Lehrer in Jaminet auf, etwa wenn er Begriffe wie „Stelldichein“ erklärt, Wissenswertes über Tauben und Klatschstudien teilt oder den Literaturwissenschaftler Roland Barthes – ein ganzes Kapitel ist nach ihm benannt – oder den Philosophen Peter Sloterdijk zitiert.
Anderswo versucht sich Jaminet an Lyrik. In verstaubter Sprache sinniert er über Sex mit Meerjungfrauen oder reimt sich ein Einschlafgedicht zusammen. Das Dichten gelingt ihm sprachlich sowie inhaltlich weniger gut als die Beobachtung alltäglicher Kuriositäten. Ein amüsanter Beitrag ist zum Beispiel dieser: „Gleich neben dem Friedhof in Mertert klebte 2013 eines der schönsten LSAP-Wahlplakate. Der hedonistische Slogan „Loscht op muer“ wirkte in dieser Nachbarschaft besonders einladend.“
Jaminet springt von einem Thema zum nächsten, wechselt vom Deutschen ins Luxemburgische, ins Englische und wieder zurück. „Ein Wort in Esels Ohr. Aufzeichnungen“ ist am Ende seiner 96 Seiten vor allem was für Menschen, die sich gern mit Kleinigkeiten aufhalten, mit Sprache herumspielen – dabei nicht vor schlechten Wortwitzen zurückschrecken – und beobachten. Die Aufzeichnungen sind ideales Lesefutter für Zwischendurch.
Es ist übrigens das zweite Mal, dass der Literaturkritiker selbst ein Buch veröffentlicht: 2003 publizierte er beim deutschen Verlag Traugott Bautz mit „Gedankenstille“ zum ersten Mal eine Sammlung seiner Texte. Still ist es im Esels Ohr eindeutig nicht. Müsste man die Aufzeichnungen mit einem Bild beschreiben, würde das vermutlich so aussehen: Eine Gestalt mit Salatkopf, rotem Pullunder und Möhre in der Hand reitet einen braunen Esel auf Sprungfedern.
Jérôme Jaminet: Eins Wort in Esels Ohr. Aufzeichnungen. Capybarabooks: Mersch, 2021.