Wenn die Erderwärmung das Klima trockener macht, wieso werden ihr dann auch die Rekordregenfälle angelastet? Wissenschaftliche Erklärungen im Vorfeld der Klimakonferenz, die Schlimmeres verhindern soll.
„Alarmstufe Orange“ wurde mehrfach im Spätfrühling und im Frühsommer dieses Jahres ausgerufen – der Wetterdienst Meteolux warnte damit vor heftigen Regenfällen im ganzen Land. Dennoch trafen die Überschwemmungen am 22. Juli die Einwohner der Gegend um die Weiße Ernz unvorbereitet und verursachten dramatische Schäden. Auch bei den Nachbarn herrschte um diese Zeit ungemütliches Wetter. Süddeutschland erlebte eine ganze Serie schwerer Gewitter. Diese sorgten für zahlreiche Sturzfluten innerhalb weniger Stunden. Der Deutsche Wetterdienst gab binnen zwei Wochen 3.000 Unwetterwarnungen heraus, so viele wie noch nie in so kurzer Zeit.
Die Entwässerungsnetze von Siedlungen sind in solchen Fällen oft überfordert. Es kommt zu Überschwemmungen, Keller werden überflutet, Schlamm bedeckt alles. In Zukunft könnte so etwas sogar noch öfter passieren. Denn die Erderwärmung führt aller Voraussicht nach zu häufigerem Extremniederschlag.
„Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen“, erklärt Jascha Lehmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Wasserdampf ist Wasser in gasförmigem Zustand, das durch Verdunstung entsteht und zu Wolken kondensiert. Nach der Clausius-Clapeyron-Gleichung nimmt der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre mit jedem Grad Celsius um sieben Prozent zu. Infolge der Erderwärmung befinden sich also insgesamt mehr Wassermokeküle in der Atmosphäre. Und die können bei kurzfristigen, heftigen Regenfällen freigesetzt werden.
Hinzu kommt ein zweiter Effekt. Der Klimawandel verändert die Luftströme in unserer Atmosphäre. Auch die haben Einfluss darauf, wo es wie viel und wie lange regnet. Ein Beispiel: die Flutwellen auf dem Balkan im Jahre 2014. Sie hingen wahrscheinlich mit einer Verlangsamung der Luftströme zusammen, die den Erdball umkreisen. Vor zwei Jahren stockte ihre Vorwärtsbewegung für mehrere Tage. Infolgedessen setzte sich ein Wettersystem über dem Balkan fest, das unter anderem Bosnien und Kroatien den Rekordregen brachte.
Mehr Starkregen, längere Trockenperioden
Grundsätzlich muss man zwischen verschiedenen Niederschlagstypen unterscheiden. Im Winter dauern starke Regenfälle über Tage an, wobei sich die Regenfront über Gebiete von der Größe Deutschlands erstrecken kann. Ein leicht messbares Ereignis. Im Sommer hat man es jedoch eher mit kurzen, dafür umso heftigeren Gewittern auf kleinerem Raum zu tun. Man spricht hier von kleinskaligen Ereignissen. Gießt es in Mersch in Strömen, scheint eventuell in Ettelbrück zur selben Zeit die Sonne. Aufgrund ihrer geringen Ausdehnung können solche Gewitter tatsächlich durch das Raster des Wetterstationsnetzes fallen.
Lehmann sieht in den verfügbaren Daten einen klaren Trend hin zu häufigeren Extremniederschlägen im globalen Mittel. Zudem nimmt die Intensität der Starkregenfälle durch die Erwärmung zu. Nach solchen Entladungen braucht die Atmosphäre eine gewisse Zeit, um sich wieder mit Wasserdampf zu sättigen. Lehmann: „Es ist daher prinzipiell auch möglich, dass es in manchen Gegenden zu einem vermehrten Auftreten von beiden Extremen kommt: mehr Starkregen, aber auch lang anhaltende Trockenperioden.“
In einer 2015 veröffentlichten Studie, die auf einer statistischen Analyse von Regendaten aus den Jahren 1901 bis 2010 basierte, zeigten Lehmann und Kollegen, dass die Anzahl von Rekord-Regenfällen seit den 1980er Jahren im globalen Mittel um zwölf Prozent zugenommen hat, verglichen mit einem Szenario ohne Klimawandel. „Im Jahr 2010 war einer von fünf Rekordregen ohne den Klimawandel nicht zu erklären“, so Lehmann.
Die Veränderungen im Niederschlag können regional jedoch sehr unterschiedlich ausprägt sein, denn Regen wird von vielen Faktoren beeinflusst, nicht nur von der Lufttemperatur. Das zeigte sich auch im Ergebnis der Studie. Die Länder Südost-Asiens verzeichneten eine besonders starke Zunahme von Rekord-Regenfällen: um 56 Prozent. Auch für Europa sind die Werte hoch gewesen: ein Plus von 31 Prozent. In anderen Regionen hingegen nahmen die Rekord-Regen ab. Im Mittelmeer-Raum um 27 Prozent, im Westen der USA um 21 Prozent.
Anpassen an plus zwei Grad – schon schwierig genug
Sollten sich Städte so schnell wie möglich auf die Veränderungen vorbereiten? Schließlich geraten Menschen in Lebensgefahr, und die Schäden durch Hochwasser gehen schnell in die Millionen, gar Milliarden. Lehmann: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann landen wir bei einer Klimaerwärmung von 4 bis 5 Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Eine Anpassung ist dann fast nicht mehr möglich. Das heißt, wir müssen in erster Konsequenz die Klimaerwärmung stoppen, auf möglichst weit unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Selbst wenn wir das schaffen, werden wir genug zu tun haben, uns an die Klimafolgen einer 2 Grad wärmeren Welt anzupassen. Insofern ist es wichtig, das erhöhte Risikopotential von Extremereignissen wie Starkregen und Überflutungen in der Stadtplanung zu berücksichtigen.“
Rotterdam geht diesen Weg. Die Stadt mit dem größten Hafen Europas ist direkt vom Meeresspiegelanstieg betroffen. Aber nicht nur davon. Auch die Niederschlagsmengen nehmen zu, wie die Statistiken für die Niederlande ausweisen. Deswegen plant man, Rotterdam in eine Art Schwamm zu verwandeln, der alles aufnimmt, was von oben herunterkommt. In der Stadtmitte, nah am Hauptbahnhof, liegt der Benthemplein-Platz. Man hat die Fläche zu einem oberirdischen Auffangbecken umfunktioniert. In diesem Fall ein abgesenktes Basketball- und Fussballfeld mit Tribüne drumherum. Regnet es stark, leiten Rinnsteine das Wasser aus der Umgebung hin zum Bassin. Das läuft nach und nach voll und entlastet so das städtische Pumpensystem. Nach dem großen Regen sickert das gesammelte Wasser dann langsam ins Grundwasser ab.
Auf solche Flexibilität ist Rotterdam angewiesen. Viele Bereiche sind versiegelt und liegen zum Teil unterhalb des Meeresspiegels. Häuser, Geschäfte, Autotunnel, Bahnstrecken könnten bei Starkregen überflutet werden. Bis 2025 ist die Stadt climate proof, also klimawandelsicher, so sieht es die Anpassungsstrategie der Stadt vor. Auch begrünte Dächer spielen in der eine Rolle. Rotterdam verfügt insgesamt über 14,5 Quadratkilometer Flachdach – theoretisch sehr viel Platz für Pflanzen, die dabei helfen, den Regen vorübergehend aufzunehmen. Die Stadt will aber nicht nur Überschwemmungen vermeiden. Die angestrebte Klimawandelsicherheit soll auch das Image der Hafenstadt aufpolieren. Ein Wirtschaftsstandort, dem Extremniederschläge nichts anhaben können – diese Marke wird sich in einer starkregenreichen Zukunft sicher gut verkaufen.