Fonds de compensation: Ein kleines bisschen Nachhaltigkeit

Auf Luxemburg kommt eine Rentendebatte zu. Die ist dieses Jahr genauso nötig wie letztes, denn die Investitionen des FDC sind immer noch nicht nachhaltig.

Am 9. Februar 2023 demonstrierten Vertreter*innen von Greenpeace, ASTM und Déi Lénk für eine nachhaltigere Investitionspolitik des FDC. Ob sich bald Mitglieder von Déi Gréng und der LSAP anschließen? (Foto: Frédéric Meys/Greenpeace)

Die zuständige Ministerin Martine Deprez (CSV) findet es „unverantwortlich, nichts zu machen“. Premierminister Luc Frieden (ebenso) hält es für „feige, nicht darüber reden zu wollen“. Damit meinen beide nicht die immer noch gewaltigen Investitionen des luxemburgischen Pensionsfonds in nicht-nachhaltige Firmen, sondern die Reserven der Pensionskasse, die 2042 voraussichtlich nicht mehr ausreichen. Deprez und Frieden wollen über Finanzierungsfragen reden.

Bereits jetzt ist klar, dass die rechtsliberale CSV-DP-Regierung vermutlich die sogenannte „zweite und dritte Säule“ des Pensionssystems „stärken“ will: Wer es sich leisten kann, kann sich die Zusatzpension vom Staat vergolden lassen, alle anderen müssen halt schauen, wo sie bleiben. Ob es mit dem Klima, der Umwelt und den Menschenrechten genauso aussieht? Im Koalitionsabkommen liest man kein Wort zur Investitionspolitik des Fonds de compensation (FDC) – CSV und DP scheinen also zufrieden mit dem Status quo zu sein. Dabei ist der nicht gerade rosig, auch wenn der FDC selbst das Gegenteil behauptet.

Infografiken statt Zahlen

Mit einer Pressemitteilung kündigte der Pensionsfonds am 22. Dezember an, nun sein „Sustainable Investor Factsheet“ veröffentlicht zu haben. Eigentlich war der Jahresbericht 2022 schon einige Monate zuvor veröffentlicht (und von NGOs untersucht) worden, daher ist diese nachträgliche Nachricht zur vorgeblich guten Umweltbilanz des FDC durchaus mit Skepsis zu sehen.

Die Investitionen, die konform mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens sein sollen, sind verglichen mit dem gesamten Vermögen des FDC verschwindend gering. (Grafik: woxx, erstellt mit Datawrapper)

Das 25-seitige Dokument ist allerdings kein besonders fundierter Bericht. Wer auf lange Tabellen mit vielen Zahlen gehofft hatte, wird enttäuscht. Es handelt sich mehr um eine Art Powerpoint-Präsentation mit vielen Infografiken. Die sehen zwar hübsch aus, sind im Detail jedoch schwer zu deuten. Das liegt nicht nur daran, dass unterschiedliche Berechnungsmethoden verwendet werden, um den CO2-Ausstoß der getätigten Investitionen zu kalkulieren, und diese kommentarlos nebeneinanderstehen, sondern auch am Layout, das für Unklarheiten sorgt. Auf einer Seite ist beispielsweise aufgeschlüsselt, welche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau der FDC durch seine Teilhabe an der Société Nationale des Habitations à Bon Marché (SNHBM) zu verantworten hat. „Der FDC trug zum Start von 234 erschwinglichen Wohneinheiten bei[,] zur Realisierung von 289 erschwinglichen Wohneinheiten [und] mehr als 1.000 Einheiten sind im Bau.“ Was genau der Unterschied zwischen „gestartet“ und „im Bau“ ist, darüber schweigen sowohl FDC als auch SNHBM sich aus. Eine hübsche Grafik hat der Pensionsfonds dennoch für seinen Bericht gestaltet.

Kühe zählen nicht

Wichtig sind für den FDC jedoch vor allem die Zahlen zum CO2-Fußabdruck. Gleich zwölf verschiedene Balkendiagramme sollen alle den Eindruck machen, dass die Investitionen des Pensionsfonds klimafreundlicher geworden sind. Das ist allerdings schwierig zu bewerten, denn je nach Berechnungsmethode ist die Verbesserung sehr unterschiedlich: Werden nur sogenannte „Scope 1&2“-Emissionen berücksichtigt, sind es 14 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als 2021, wird die Methode „Direct and First Tier Indirect (D&FTI)“ angewandt, sind es lediglich acht Prozent. Die Treibhausgasemissionen sind als „Carbon to Revenue“ angegeben. Das bedeutet, der CO2-Ausstoß wird durch die Einnahmen geteilt und diese Zahl, die die vorgebliche „CO2-Effizienz“ der Unternehmen angibt, wird betrachtet.

Bei „Scope 1&2“ werden lediglich direkte CO2-Emissionen und solche, die durch den Kauf von Elektrizität, Wärme oder Dampf verursacht werden, betrachtet. Andere Treibhausgase und CO2 aus Biomasse werden nicht berücksichtigt. Bei D&FTI werden drei zusätzliche Treibhausgase betrachtet, außerdem Emissionen von anderen Firmen, die Güter und Dienstleistungen an die betrachtete Firma liefern. Bei keiner dieser Betrachtungsweisen wird das Treibhausgas Methan mitberechnet. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, das auf Rinderzucht spezialisiert ist, möglicherweise als sehr klimafreundlich dasteht, obwohl die Produktion von Rindfleisch enorm viel Methan verursacht, das dem Klima schadet.

(Foto: Frédéric Meys/Greenpeace)

Die Frage, welche Treibhausgase überhaupt betrachtet werden, erklärt auch, warum die Verringerung der Emissionen bei „Scope 1&2“ viel besser aussieht: Es wird einfach weniger genau gerechnet. Allerdings hat diese weniger genaue Berechnungsmethode auch den Vorteil, dass CO2 nicht doppelt gezählt wird. Aus diesem Grund sind übrigens auch die vorgeblich besonders nachhaltigen Green Bonds des FDC nicht in die Berechnung eingeflossen. Dies erklärt der Fonds in seinem Dokument wie folgt: „So kann beispielsweise ein Emittent grüner Anleihen einen beträchtlichen Kohlenstoff-Fußabdruck haben, während er gleichzeitig grüne Projekte finanziert, die den globalen Kohlenstoff-Fußabdruck erheblich verringern werden. Da eine Kohlenstoffbilanz ausschließlich auf den Kohlenstoffdaten des Emittenten beruht, werden nur die negativen Auswirkungen berücksichtigt.“ (Original auf Englisch) Hier wird die eigene CO2-Bilanz also aufgrund von Versprechen, die in der Zukunft eventuell Realität werden, schöngerechnet.

In anderen Grafiken vergleicht der FDC seine CO2-Intensität mit einem sogenannten Benchmark, also einem Vergleichspunkt, der den globalen Durchschnitt möglichst gut abbilden soll. Je nach Betrachtungsweise schneidet der FDC besser oder genauso gut ab wie der Durchschnitt. Ob das allerdings wirklich das Maß ist, mit dem man sich selbst messen will? Immerhin sieht der FDC sich ja als „responsible investor“, also könnte man den Vergleich auch mit einem solchen machen.

Besser als der Durchschnitt

Der FDC streicht ebenfalls seine Investitionen hervor, die bereits jetzt als „grün“ gelten: 460 Millionen Euro (von etwa 27 Milliarden) sind so investiert, dass sie konform mit dem Ziel des Pariser Klimaabkommens sind, außerdem 880 Millionen in „green bonds“ und 375 Millionen „für Investitionen in Aktien börsennotierter Unternehmen, die neben einer finanziellen Rendite auch eine soziale oder ökologische Wirkung erzielen wollen“. Doch manche sehen solche Zahlen als reine Marketingkampagne, die die schmutzigen Investitionen des FDC verdecken soll.

So zum Beispiel die Umwelt-NGO Greenpeace. Bereits im Juni 2023 analysierte sie den Jahresbericht des FDC und fand heraus: Über drei Milliarden Euro wurden in Industrien investiert, die dem Klima und der Umwelt schaden, außerdem in die Atomindustrie und in Firmen, die die Menschenrechte nicht beachten. Wie die woxx aufdeckte, floss ein nicht unerheblicher Teil der Gelder in Firmen, die Atomwaffen herstellen (woxx 1746). In die klimaschädlichen Sektoren Kohle, Erdöl und Erdgas flossen laut Greenpeace 888 Millionen Luxemburger Pensionsgelder. Das sei eine Steigerung von 6,1 Prozent gegenüber 2021, so die NGO in einer Pressemitteilung im Juni. Der FDC schreibt in seiner Pressemitteilung „Wenn einige nachhaltig zertifizierte oder gelabelte Anlagen im Jahr 2022 unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ungünstig schwankten, so war dies in erster Linie auf Marktbewegungen zurückzuführen und nicht auf Anlageentscheidungen des FDC“ (Original auf Englisch) – eine klare Antwort auf die Kritik von Greenpeace scheint es jedoch nicht zu geben.

Laut dem neusten Dokument des Pensionsfonds sollen im Jahr 2022 ganze 8,3 Milliarden Euro in Finanzprodukte investiert worden sein, die von der Agentur Luxflag mit „ESG“ (Ökologie, Sozial, Governance) oder „Umwelt“ gelabelt wurden. In zehn von zwölf Portfolios des FDC konnte Greenpeace laut eigenen Aussagen Kohle-, Öl- und Gasunternehmen identifizieren. An den Einschätzungen von Luxflag besteht schon länger Zweifel, so bewertete eine Analyse des Magazins Ökotest die Labels der Agentur schon 2018 mit nur mittelmäßigen Noten. Auch die woxx hatte 2021 in von Luxflag als nachhaltig gelabelten Fonds die Aktien von großen Chemiekonzernen, IT-Giganten, Bergbaugesellschaften und sogar Automobilkonzernen gefunden (woxx 1620). 2021 waren es FDC-Investitionen in der Höhe von 9,6 Milliarden, die solche Labels hatten.

Etikettenschwindel

Als der FDC im Februar 2023 im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stand, weil die neue Investitionsstrategie alles andere als nachhaltig war, wurde oft auf die bereits existierende Ausschlussliste verwiesen. Das nicht nur von dem damals zuständigen Minister Claude Haagen (LSAP), sondern zum Beispiel auch von Marc Spautz (CSV) und André Bauler (DP) während der Parlamentsdebatte zu dem Thema. Auch in dem neu veröffentlichten Dokument kommt die Liste vor: „Beinahe“ 140 Firmen seien ausgeschlossen und 170 Firmen seien „unter Beobachtung“. Diese „graue“ Beobachtungsliste ist nicht öffentlich. Ein Fakt, den die NGOs Greenpeace und ASTM im vergangenen Jahr bereits kritisiert hatten. Eigentlich könnte die Veröffentlichung einer solcher Liste ja auch dazu beitragen, dass die Firmen ihr Verhalten bessern.

Die Ausschlussliste des FDC ist seit dem letzten Jahr länger geworden. Statt 137 Einträgen sind dort nun – laut FDC-Website Stand 31. Oktober 2023 – 153 Firmennamen zu lesen, in die nicht investiert werden darf. Die Zahl 140 bezieht sich – wie der ganze Bericht – vermutlich noch auf das Jahr 2022. Die Zahl jener Unternehmen, die aufgrund einer schlechten Umweltbilanz von Investitionen ausgeschlossen sind, ist seitdem allerdings von zehn auf neun geschrumpft. Der indische agro-chemische Großkonzern UPL Limited ist von der Liste verschwunden. Das passt zum Bild der Liste: Aus Umweltschutzgründen sind dort nämlich vor allem Bergbauunternehmen zu finden. Nachdem UPLs direkte Konkurrentinnen im Bereich Pestizidherstellung, Bayer, Corteva, Syngenta und BASF, ebenfalls nicht ausgeschlossen sind, ist der Schritt eigentlich logisch. Dazu passt auch, dass keine einzige Firma ausgeschlossen ist, weil sie das Klima schädigt. Die Pensionsgelder der Menschen, die in Luxemburg arbeiten, können also nach wie vor in Aktien jener Firmen investiert werden, die seit Jahrzehnten wissen, dass sie die Lebensgrundlage der Menschheit zerstören, und trotzdem weiterhin Öl und Gas fördern.

Kann das 2024 besser werden? Greenpeace äußerte im Juni 2023 Zweifel daran, dass die neue Investitionsstrategie einen tatsächlichen Gesinnungswandel bedeute. Da die neue CSV-DP-Regierung in ihrem Koalitionsabkommen keinerlei Interesse daran bekundete, die Strategie abzuändern, wird sie wohl wie bisher bestehen bleiben. Das Motto des neuen Premierministers ist laut dem Neujahrsinterview auf RTL „Klimaschutz ist wichtig, aber …“. Immerhin der FDC selbst hat einen guten Vorsatz für das neue Jahr: Er will eine „engagement policy“ gegenüber den größten unternehmerischen Treibhausgasemittenten starten.


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