Orientierungsdebatte über Pensionsfonds: Vermeintliche Gegensätze

Aktivist*innen von Greenpeace, ASTM und Déi Lénk demonstrierten vor dem Parlament. (Foto: Frédéric Meys / Greenpeace)

In der Orientierungsdebatte über den Luxemburger Pensionsfonds (FDC) wiederholten die Parteien ihre altbekannten Positionen. Einzig ein parlamentarischer Antrag sorgte für eine kleine Überraschung.

Am Donnerstag, dem 9. Februar, fand im Luxemburger Parlament eine Debatte über die neue Investitionspolitik des Fonds de Compensation (FDC) statt. Der zuständige Sozialminister Claude Haagen (LSAP) hatte sie im Dezember angefragt. Eigentlich hätte das neue Strategiepapier bereits Mitte Dezember im Verwaltungsrat des FDC abgestimmt werden sollen. Damals aber ließen die gewerkschaftlichen Vertreter*innen die Abstimmung platzen. Während Regierung und FDC die Investitionspolitik nicht einschränken wollten, forderten Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Teile der Opposition eine Investitionspolitik, die soziale und ökologische Kriterien stärker berücksichtigt. Auch die Desinvestition aus Firmen aus der Kernkraftindustrie waren ein Streitpunkt. Die Hintergründe haben wir in diesem Artikel zusammengefasst.

In der Orientierungsdebatte stand die vermeintliche Sicherheit der vom FDC angelegten Rentengelder als eins von zwei Argumenten im Vordergrund. „Wir müssen mit den Geldern der Versicherten das Bestmögliche machen und für ein nachhaltiges Pensionssystem sorgen“, erklärte der CSV-Abgeordnete Marc Spautz. Dazu gehöre aktuell auch die Unterstützung der Kernkraft, da diese laut der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen zufolge als nachhaltig gelte. Um seine Argumente zu untermauern, zitierte er eine Aussage der Klimaaktivistin Greta Thunberg. Diese habe sich für den Weiterbetrieb bestehender Kernkraftwerke ausgesprochen. Was das mit dem Bau neuer Kernkraftwerke zu tun hat, verschwieg er.

Auch der Redner der DP, André Bauler, betonte, dass es seiner Partei wichtig sei, die Renten zu sichern. „Die zukünftigen Generationen müssten auf die Reserven des FDC zählen können. Die Gelder werden pragmatisch verwaltet, das muss auch weiterhin so passieren.“ Es sei nicht verantwortlich, nur nach ESG-Kriterien (Ökologie, Sozial, Gouvernance) zu investieren, weil die Investitionsmöglichkeiten dann zu eingeschränkt seien. Dan Kersch (LSAP) gab zu bedenken, dass der Fonds große Anstrengungen mache, aber Nachhaltigkeit aus drei Säulen bestehe und auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit des FDC nicht zu vernachlässigen sei. Verschiedene Gruppierungen hätten zum Ziel, den „Pensionsfond der erweiterten grünen Ideologie zu unterwerfen“, so Jeff Engelen (ADR). Der Rechtspopulist betonte, ein breit aufgestellter Fonds sei wichtig, um das Risiko zu streuen.

Für eine ökologischere Investitionspolitik sprach sich neben den Redner*innen von Déi Lénk und der Piratepartei auch ein Politiker der Mehrheit aus: Charles Margue (Déi Gréng) wiederholte die Stellungnahme, die seine Partei am 30. Januar per Pressemitteilung verbreitet hatte. Das gesamte Portfolio des FDC müsse mit dem 1,5 Grad-Ziel kompatibel sein. „Investitionen in Atomkraft und in fossile Energien stellen außerdem ein finanzielles Risiko dar und gefährden die zukünftige Sicherheit unserer Renten“, so Margue.

Sowohl Myriam Cecchetti (Déi Lénk) als auch Sven Clement (Piratepartei) wiesen auf die oftmals besseren Renditen nachhaltiger Fonds hin. Das Risiko, dass der Fonds in „stranded assests“ fossiler Firmen investiere, die später wertlos und unverkäuflich seien, sei höher als das Risiko bei nachhaltigen Investitionen, so Clement. Cecchetti sah in der Investitionspolitik des FDC ein wichtiges Signal: „Es hat symbolische Bedeutung dafür, wie wir die Zukunft gestalten wollen!“

Lange Ausschlussliste, aber kein Klima-Ausschluss

Alain Reuter, Präsident des FDC, Sozialminister Claude Haagen und Romain Betz vom FDC besichtigen die neue „Cité de la sécurité sociale“. Der administrative Bau ist eins der seltenen nachhaltigen Investments des Fonds. (Foto: MSS)

Bevor die Abgeordneten im Parlament diskutierten, demonstrierten Aktivist*innen von Greenpeace und ASTM – und Mitglieder von Déi Lénk – davor. In einer Mitteilung vom Donnerstagabend kommentierten die beiden NGOs die Reden folgendermaßen: „Die heutige Debatte zeigt erneut, dass die Mehrheit unserer Politikerinnen und Politiker, auch weiterhin an überkommenen Vorstellungen von der angeblich mangelnden Rentabilität des nachhaltigen Investierens festhalten”, erklärte Martina Holbach von Greenpeace. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass Rentabilität und nachhaltige Investitionen nicht in Widerspruch zueinander stünden.

Die Ausschlussliste des FDC war ein zweites Argument, das die Debatte dominierte. So betonten sowohl Marc Spautz als auch André Bauler, dass sie bereits sehr lang sei – ohne jedoch zu erwähnen, dass lediglich zehn Firmen aus Umweltschutzgründen auf der Liste stehen. Es handelt sich zum Großteil um Bergbaufirmen, die nicht aus Klimagründen ausgeschlossen wurden, sondern wegen anderer Umweltvergehen. Dan Kersch wies drauf hin, dass die Liste öffentlich einsehbar sei, „auch wenn Kritiker etwas anderes behaupten.“ Kersch schien – gewollt oder ungewollt – die ‚graue‘ mit der ‚schwarzen‘ Liste zu verwechseln. Die „graue“ Liste mit Firmen, die lediglich beobachtet werden, veröffentlicht der FDC nicht. Dies hatten ASTM und Greenpeace auf ihrer Pressekonferenz am 6. Februar kritisiert.

Minister Claude Haagen (LSAP) und Marc Spautz versuchten, Ambiguität in die Debatte zu bringen. Spautz betonte, dass die Firma Airbus sowohl zivile als auch militärische Flugzeuge baue, während Haagen darauf hinwies , dass Firmen ja selten nur eine einzige Tätigkeit haben. Dabei ist der Fall bei Airbus ganz klar: Die Firma ist wegen kontroverser Waffensysteme ausgeschlossen. Für manche scheint die Tatsache, dass man Kriterien bestimmen muss, um komplexere Fragen zu lösen, ein Argument dafür zu sein, es am besten gar nicht erst zu versuchen.

Nachbesserung in Sicht?

Am Ende der Debatte wurde über die Annahme zweier Anträge abgestimmt. Der Antrag von LSAP, DP und Déi Gréng fordert die Regierung auf, sicherzustellen dass der FDC seine Anlagestrategie an den Zielen des Pariser Klimaabkommens ausrichtet und aus Firmen desinvestiert, die keine ökologische Transition bewerkstelligen können. Außerdem soll der FDC aus der Kernkraft aussteigen und ermutigt werden, die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum zu unterstützen. Der Antrag wurde mit Stimmen der Regierungsparteien sowie Déi Lénk und Piratepartei angenommen, während die CSV zum größten Teil und die ADR geschlossen dagegen stimmten. Drei CSV-Abgeordnete enthielten sich: Paul Galles, Jean-Paul Schaaf und Elisabeth Margue.

„Wir begrüßen die Motion, denn beim Schutz des Klimas und der Umwelt darf keine Zeit verloren werden. Dennoch sind wir enttäuscht darüber, dass die Motion dem Schutz der Menschenrechte keine Bedeutung eingeräumt hat”, erklärte Antoniya Argirova von der ASTM in der Pressemitteilung der NGOs. „Wir erwarten nun, dass die Investitionsstrategie zügig nachgebessert wird und auch beim Thema Menschenrechtsverletzungen Nachbesserungen in der Strategie umgesetzt werden.”

Die rechtspopulistische Partei brachte auch einen eigenen Antrag ein, der sich gegen „starke Bestrebungen verschiedener Gruppen, den FDC mit dem Argument der Nachhaltigkeit für ihre eigene Interessen zu politisieren“ richtete. Sie wurde mit 56 Gegenstimmen abgelehnt.

Update 13. Februar 2023: Im ursprünglichen Artikel war zu lesen, dass die ADR sich bei dem Antrag der Regierungsparteien enthalten habe. Das stimmt nicht. Der Fehler entstand, weil der Parlamentspräsident Fernarnd Etgen von vier Enthalten sprach. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass anfangs drei Enthaltungen in Reihen der CSV gezählt worden waren, nach Korrekturen jedoch nur drei CSV-Abgeordnete sich enthalten haben, wie im Bulletin de Vote ersichtlich ist. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.


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