Fonds de compensation: Renten gegen Zukunft

Der Fonds de compensation, der die luxemburgischen Rentengelder verwaltet, will weiterhin nicht nachhaltiger investieren. Die Kritik der Zivilgesellschaft ist groß, die Politik scheint entschlossen, die neue Investitionspolitik durchzuboxen.

Im Dezember demonstrierten ASTM und Greenpeace vor dem Sitz des Rentenfonds. Trotz viel Kritik scheint Sozialminister Claude Haagen (LSAP) gewillt, die neue Investitionsstrategie durchzuboxen. (Foto: Frédéric Meys)

Lange Zeit beschäftigte vor allem die Frage „Sind die Renten sicher?“ die Politik. Doch die Frage, ob diese öffentlichen Gelder nachhaltig und konform mit den Menschenrechten angelegt werden, wird immer drängender. Bisher ist die Klimabilanz des Luxemburger Pensionsfonds, dem Fonds de compensation (FDC) sehr schlecht: Über 1 Million Tonnen CO2-Emissionen hat der Fonds zu verantworten, was etwa 9 Prozent der jährlichen direkten Treibhausgasemissionen Luxemburgs entspricht. Würde die ganze Welt so wirtschaften wie der FDC, läge der globale Temperaturanstieg schon im Jahr 2050 bei 2,7 Grad Celsius. Dabei investiert der FDC auch in Firmen, die besonders problematische Arten der Energiegewinnung vorantreiben: Ölbohrungen in der Arktis, Fracking und Erdölgewinnung aus sogenannten Ölsanden. Hinzu kommen Firmen, die Menschenrechte und soziale Standards beim Arbeitsrecht missachten. Diese Kritik wird seit Jahren von NGOs formuliert – am vergangenen Montag wiederholten Greenpeace und ASTM sie erneut.

Ende 2022 wäre der Moment gewesen, die problematische Investitionspolitik des FDC zu ändern. Ab 2023 sollte, wie alle fünf Jahre, eine neue Strategie, wie die Gelder der Beitragszahler*innen verwendet werden, angenommen werden. Die blau-rot-grüne Koalition hatte sich das nach der Wahl 2018 vorgenommen. Im Koalitionsabkommen heißt es, man wolle dem FDC „klare Richtlinien zur Lenkung von Investitionen in den grünen und nachhaltigen Finanzsektor“ geben. Dies sollte im Dialog mit den Sozialpartnern passieren.

Debatte statt Dialog

Statt eines Dialogs gab es am vergangenen Donnerstag eine Parlamentsdebatte zum Thema. Die hatte der zuständige Sozialminister Claude Haagen (LSAP) bereits im Dezember angefragt. Trotzdem sollte der Verwaltungsrat des FDC die neue Strategie auf Willen des Ministers schon vor dieser Debatte durchboxen. Beschickt wird der Verwaltungsrat zu gleichen Teilen von Vertreter*innen der Regierung, des Patronats und der Beschäftigten. Die gewerkschaftlichen Mitglieder hatten am 15. Dezember den Saal verlassen, weil sie mit der Investitionsstrategie, die ihnen vorgesetzt worden war, nicht einverstanden waren. Dadurch war der Verwaltungsrat nicht beschlussfähig und die Abstimmung musste verschoben werden.

Am 20. Dezember beteuerte Haagen im Parlament, er wolle die neue Investitionsstrategie erst mit den Abgeordneten diskutieren, bevor er sie bewillige. Dennoch stimmten die Regierungsvertreter*innen beim FDC in der nächsten Sitzung für die neue Strategie. Einige Konzessionen an die gewerkschaftlichen Vertreter*innen, die sich für nachhaltigere Investitionen einsetzen, habe es gegeben. An Investitionen in Atomenergie – ein rotes Tuch für die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaftsvertreter*innen – hält man dennoch fest.

Die zuständige Parlamentskommission beschäftigte sich im Januar 2023 in gleich drei Sitzungen mit der Investitionspolitik des FDC. Dabei trafen sie sich mit dem Präsidenten und zwei Mitarbeitern des Pensionsfonds. Nicht aber mit Greenpeace und ASTM, die eine Unterredung angefragt hatten. In den Protokollen, die der woxx vorliegen, kann man nachlesen, wie die Verantwortlichen des FDC dagegen argumentieren, nachhaltiger zu investieren.

Risiko für den Pensionsfonds?

Immer wieder betonen sie, dass der FDC seine gesetzlichen Vorgaben einhalten müsse. Um das Risiko möglichst breit zu streuen, sei es nun einmal notwendig, in viele verschiedene Firmen zu investieren. Schränke man das sogenannte „Anlageuniversum“ zu weit ein, erhöhe dies das Risiko. Viele nachhaltige Fonds enthielten zu viele Aktien weniger Firmen, was bei einem Ausfall fatal sein könnte.

Auf der Pressekonferenz von ASTM und Greenpeace wurden solche Argumente entkräftet. Der FDC müsse zwar in verschiedene Sektoren investieren, jedoch nicht in allen. Martin Granzow, Geschäftsführer der Firma Nextra Consulting, zeigte, dass nachhaltige Fonds laut einiger Studien potenziell weniger riskante Anlagen seien. Sie haben besonders in Zeiten mit volatilen Aktienmärkten traditionelle Fonds übertroffen.

Eigentlich ist die grundsätzliche Frage, ob der FDC überhaupt Firmen ausschließen soll und kann, bereits länger beantwortet. Nachdem der damalige „Déi Lénk“-Abgeordnete André Hoffmann 2010 thematisiert hatte, dass der FDC in die Herstellung von Streumunition und Landminen investiert, wurde eine „schwarze Liste“ erstellt, mit der Firmen ausgeschlossen wurden. Heute stehen 137 Firmen auf dieser Liste – zehn aus Umweltschutzgründen. Bei diesen handelt es sich jedoch allesamt um nicht-europäische Bergbauunternehmen sowie den japanischen Stromkonzern Tepco, der das Kernkraftwerk Fukushima betrieb.

Foto: MSS

„Der FDC kann in weit über 10.000 Unternehmen investieren. Aus diesem Anlageuniversum hat man nur zehn Unternehmen aus Umweltgründen herausgefiltert, die nicht okay sein sollen. Das ist in meinen Augen eine sehr lasche Umsetzung von Ausschlusskriterien. Der FDC argumentiert, dass es wichtig sei, das Risiko breit zu streuen. Aber bei mehr als 10.000 potenziell investierbaren Unternehmen macht es kaum einen Unterschied für die Höhe des Risikos, selbst wenn man 100 Unternehmen ausschließen würde.“, erklärte Granzow im Gespräch mit der woxx.

Bauchgefühl und objektive Kriterien

In der Parlamentskommission versuchten die Vertreter des FDC, einige Abgeordnete und auch der Minister, die Debatte künstlich zu verkomplizieren, indem sie darauf hinwiesen, dass Firmen ja nicht unbedingt nur in einem Sektor aktiv seien. Claude Haagen stellte in Frage, dass eine Firma, die nur zu kleinen Teilen in Atomenergie investiert, ausgeschlossen werden sollte. Der Präsident des FDC, Alain Reuter, gab zu bedenken, dass der Automobilhersteller Tesla zwar Elektroautos herstelle, aber die Persönlichkeit des Gründers – gemeint ist CEO Elon Musk, der sich in den Konzern einkaufte – ließe doch an der Nachhaltigkeit der Governance zweifeln. Marc Spautz (CSV) bemühte gar das Beispiel von Airbus, die ja nicht nur Flugzeuge bauten, sondern auch Waffen herstellten. Als einzige von sehr wenigen europäischen Firmen steht Airbus wegen der Herstellung „kontroverser Waffen“ auf der Exklusionsliste des FDC.

Eine wenig zielführende Argumentation, denn mit ihr ließe sich jede beliebige Investitionspolitik rechtfertigen. Es gibt jedoch Kriterien, nach denen man Firmen bewerten kann. Der FDC lässt sich einigen Aussagen zufolge von der Firma Sustainalytics beraten. Das Unternehmen, das zum Anlage-Dienstleister Morningstar gehört, bewertet die Nachhaltigkeit von Firmen und Anlageprodukten. Auch wenn es beim Reporting noch viel zu tun gibt und die Angaben von Unternehmen oft nicht sehr transparent sind, ist es möglich, nachvollziehbare Kennzahlen heranzuziehen, um Investitionen zu bewerten.

Martin Granzow ist der Meinung, dass es sich sogar lohnen kann, Investitionen in Firmen zu tätigen, die sich transformieren können und dies auch wollen: „Investitionen in ein hundertprozentiges Kohle-Unternehmen wären definitiv nicht sinnvoll, da es sehr unrealistisch ist, dass sich solche Unternehmen transformieren können. Wenn ein Unternehmen sich aber in die richtige Richtung entwickeln will, braucht es ja Investitionen dafür. Kann das Unternehmen einen entsprechenden Investitionsplan und konkrete, messbare Ziele vorweisen, kann man meiner Meinung nach durchaus investieren.“

„Jedes Engagement ist besser 
als Schweigen“

Neben der öffentlichen Exklusionsliste gibt es auch eine geheime „graue Liste“. Diese Unternehmen werden beobachtet und im Zweifelsfall werden die Investitionen zurückgezogen. Greenpeace und ASTM kritisierten, dass diese Liste nicht öffentlich ist, sodass nicht transparent nachvollziehbar ist, welche Firmen der FDC genauer beobachtet. Ab 2024 will der FDC auch mehr „Engagement“ betreiben, also mit Firmen reden und gegebenenfalls auch von Abstimmungsrechten Gebrauch machen. Auch wenn ein Pensionsfonds kein „Impact investing“ betreiben könne, weil das Risiko hier zu hoch sei, gäbe es Möglichkeiten für den FDC, meint Granzow: „Um die Politik eines Unternehmens zu ändern, muss man möglichst viele Anteile haben. Das ist nicht unbedingt ein guter Ansatz für Pensionsfonds, die ihr Risiko ja über viele Unternehmen verteilen wollen. Dennoch ist Engagement wichtig und der FDC sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten Einfluss auf jene Firmen nehmen, von welchen er ohnehin Aktien hält. Jedes Engagement ist besser als Schweigen.“

Während die Mitarbeiter des FDC und Minister Haagen nachhaltige Investitionen als Risiko sehen, könnten Aktien von Firmen, die ihr Geld mit fossilen Energien machen, ebenfalls zur Gefahr für die Pensionsgelder werden: Wenn sie zu sogenannten „Stranded Assets“ werden, die keinen Wert mehr haben und nicht mehr verkauft werden können, zum Beispiel weil sich Kohleabbau nicht mehr lohnt. „Es ist schwer, das Klima-Risiko des FDC genau zu beziffern“, so Granzow gegenüber der woxx. „Insgesamt gibt es in einigen Teilfonds des FDC eine sehr hohe Exposition gegenüber fossilen Energieträgern. Man kann also davon ausgehen, dass in diesen Teilfonds auch ein erhöhtes Risiko besteht.“

Einen neuen Unterfonds will der FDC an den Zielen des Pariser Klimaabkommens ausrichten. Doch von den 27 Milliarden Euro, die der Pensionsfonds verwaltet, sollen lediglich 500 Millionen darin investiert werden. In der Parlamentskommission betonte Haagen, dies seien nicht die einzigen nachhaltigen Investitionen. Granzow ist nicht begeistert davon, wie der FDC Nachhaltigkeit versteht: „Die Nachhaltigkeitsstrategie des FDC ist nicht ambitioniert. Das ist problematisch, weil Luxemburg das Pariser Klimaabkommen unterschrieben hat. Das fordert ja auch vom Finanzsektor, sich an dem 1,5-Grad-Ziel auszurichten. Der FDC als Luxemburger Staatsfonds geht jedoch nicht mit dem guten Beispiel voran, so wie das andere staatliche Fonds machen. Die Luxemburger Regierung bekundet gerne, hohe Ambitionen beim Klimaschutz zu haben, dem folgen jedoch beim FDC keine Taten.“

Da die Debatte zur Ausrichtung des FDC im Parlament sehr kurz vor Redaktionsschluss stattfand, konnten wir ihre Ergebnisse nicht mehr in diesen Artikel einfließen lassen. Unsere Zusammenfassung der Debatte können Sie hier lesen.

„Insgesamt gibt es in einigen Teilfonds des FDC eine sehr hohe Exposition gegenüber fossilen Energieträgern. Man kann also davon ausgehen, dass in diesen Teilfonds auch ein erhöhtes Risiko besteht.“
Martin Granzow, Geschäftsführer von Nextra Consulting


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.