Vergangenen Dienstag öffnete das „Centre national pour victimes de violences“ als erste zentrale Anlaufstelle für Opfer von Gewalt, unabhängig von Geschlecht oder Alter. Über ein einmaliges Pilotprojekt.

Ashanti Berrend, neue Direktorin des Centre national pour victimes de violences (Mitte), neben zwei Croix-Rouge Kolleginnen und umgeben von den Minister*innen Claude Meisch, Elisabeth Margue, Martine Deprez und Yuriko Backes (v.l.n.r.). (Foto: Melanie Czarnik)
In Luxemburg existiert eine Vielzahl an Hilfsstrukturen für Menschen, die Gewalt erfahren haben: „Alternatives“ von der Fondation Pro Familia, „Umedo“, „Visavi“, „Oxygène“, „Infomann“. Sie sind spezialisiert und haben einen eigenem Fokus. Doch gerade in akuten Ausnahmesituationen wurde diese Vielfalt für viele zur ersten Hürde. Wer ohnehin kaum weiß, wo ihm der Kopf steht, verliert leicht die Orientierung. Mit dem „Centre national pour victimes de violences“ (CNVV) wurde nun erstmals ein zentraler Zugang geschaffen. Ein bedeutender Schritt für besseren Opferschutz.
„Wir schaffen hier eine zentrale Anlaufstelle für alle Opfer für alle Formen von Gewalt. Ich glaube, das ist wirklich eine Premiere für unser Land“, sagte Gleichstellungsministerin Yuriko Backes (DP) vergangenen Dienstag bei der Eröffnung des CNVV in unmittelbarer Nähe zur Stäreplaz. An diesem Morgen richteten auch Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV), Justizministerin Elisabeth Margue (CSV), Bildungs- und Jugendminister Claude Meisch (DP) sowie Polizeidirektorin Kristin Schmit ihre Worte an den voll besetzten Saal. Die ministerielle Vielfalt spiegelte das Prinzip des CNVV: ein möglichst niedrigschwelliger Zugang, der medizinische, psychologische, rechtliche und polizeiliche Hilfe für Menschen jeden Alters und Geschlechts unter einem Dach vereint.
Das Zentrum hat ein Budget für fünf Vollzeitstellen, die auf sieben Mitarbeitende aus den Bereichen Sozialarbeit, Pflege und Pädagogik verteilt wurden. Diese sind vorerst nur in den Randzeiten bestehender Angebote im Einsatz. Abends, nachts und am Wochenende können Betroffene hier psychosoziale Unterstützung erhalten, medizinisch versorgt werden, Beweise sichern lassen und, sofern gewünscht, noch vor Ort Anzeige erstatten. Auch für Minderjährige besteht diese Möglichkeit, in einem eigens dafür ausgestatteten „justizsicheren“ Raum, der allen Anforderungen der Strafverfolgung genügt. Doch auch wenn sich die Räume den Bedarfen der Justiz anpassen, bleibt umgekehrt die Justiz den Bedarfen vieler Opfer bislang einiges schuldig.
„Die Justiz hat noch einige Hausaufgaben zu machen.“
Eine Wortmeldung aus dem Publikum brachte das deutlich auf den Punkt: „Die Justiz hat noch einige Hausaufgaben zu machen.“ Viele Betroffene, so der Tenor, scheitern nach der erfolgten Straftat gegen sie nicht am fehlenden Zugang zu Angeboten, sondern am Justizsystem. Justizministerin Elisabeth Margue zeigte sich daraufhin offen: Das CNVV könne nicht nur Menschen erreichen, die sonst im Dunkelfeld blieben, sondern durch deren zunehmenden Bedarf auch Veränderungsdruck auf die Institutionen selbst ausüben.
Derzeit unterstützt das Zentrum Opfer im juristischen Bereich vor allem mit Informationsmaterial. Für das kommende Jahr wäre, laut Margue, jedoch die Einführung einer kostenlosen anwaltlichen Erstberatung direkt vor Ort geplant. Auch der Ausbau zu einem echten Rund-um-die-Uhr-Angebot sowie die Einführung einer Helpline sind leider noch im Stadium der Planung. Es ist nur zu wünschen, dass dem CNVV dafür bald die nötigen Mittel bereitgestellt werden. Denn das Mega, unter Leitung von Yuriko Backes, muss mit dem kleinsten Etat aller Ministerien haushalten. Dass ein Projekt dieser Größenordnung dennoch realisiert wurde, ist eine beachtliche Leistung und nicht zuletzt wohl dem Engagement ihres Teams zu verdanken. Sollte das Budget stehen, wäre auch ein Ableger im Norden des Landes wünschenswert. Am besten ohne Kürzungen an anderer Stelle.