Gleichstellungspolitik: Wischiwaschi

Die Abgeordnetenkammer debattierte am Dienstag über Prioritäten und Herausforderungen im Hinblick auf Gleichstellungspolitik. Das war zumindest der Plan.

Wer als Gleichstellungsministerin eine Debatte über die politischen Prioritäten und Herausforderungen der Gleichstellungspolitik auf die Tagesordnung einer parlamentarischen Sitzung setzt, muss liefern. Was macht die amtierende Ministerin als akute Probleme aus? Was will sie zeitnah durch konkrete Maßnahmen angehen und wie könnten diese aussehen? Was sagen feministische und auf Gender-Fragen spezialisierte Organisationen? Doch Pustekuchen: Die amtierende Gleichstellungsministerin Taina Bofferding (LSAP) gab bei der von ihr eingeforderten Debatte in der Abgeordnetenkammer keine Antworten auf diese Fragen.

Stattdessen spielte sie, wie auch andere Redner*innen, Stichwort-Bingo und zählte in ihrem Exposé so ziemlich jede Baustelle auf, die es in Sachen Gleichstellung zu beheben gibt: Es braucht einen gesellschaftlichen Wandel „im Kopf“; die Überwindung von Vorurteilen; mehr genderspezifische Daten – immerhin ist dort das 2021 gegründete Observatoire de l’égalité dran; eine Wertschätzung bezahlter sowie nicht vergüteter Care-Arbeit; Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und einen rigorosen Kampf gegen häusliche Gewalt. Wichtig sind natürlich auch die Gleichheit im Sport und entsprechenden Medienberichten, die Digitalisierung, die Jugendarbeit, genderspezifische Umwelt- und Klimapolitik … So lang die Liste der angesprochenen Themen auch sein mag, mehrfach diskriminierte Frauen wie Migrant*innen oder queere Frauen fanden keine Erwähnung in der Ansprache der Ministerin. Ähnlich inexistent waren konkrete Vorschläge, um die Gleichstellungspolitik in Luxemburg zu fördern.

Zwischendurch schien Bofferding gar vergessen zu haben, in welcher Rolle sie am Redner*innenpult stand, nämlich als Ministerin mit Entscheidungsmacht.

Zwischendurch schien Bofferding gar vergessen zu haben, in welcher Rolle sie am Redner*innenpult stand, nämlich als Ministerin mit Entscheidungsmacht. Am Ende ihrer Einführung warf sie ernsthaft in den Raum: „Die Frage, die ich mir während meiner langjährigen Arbeit als Ministerin stelle ist die, ob es eigentlich noch ausreicht, massiv auf die Sensibilisierung zu setzen, oder ob es nicht doch an der Zeit ist, restriktivere Maßnahmen zu ergreifen, konkrete Ziele zu verfolgen und sich so Instrumente an die Hand zu geben, um den Prozess der Gleichstellung in den Bereichen voranzutreiben, in denen wir noch großen Handlungsbedarf erkennen.“

Diese Frage kommt sechs Monate vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode etwas spät, oder? Außerdem hatte doch ausgerechnet sie fast fünf Jahre die Zügel in der Hand, hätte also demnach längst eine tiefgreifende Veränderung auf juristischer Ebene in die Wege leiten können statt Kampagnen zu Geschlechterstereotypen zu lancieren. Doch Bofferding scheint sich ohnehin schon teilweise von ihrem Amt verabschiedet zu haben. Sie reagierte verhalten auf den Vorschlag von Max Hengel (CSV), den Kompetenzbereich des Gleichstellungsministeriums um LGBTIQA+-Anliegen, deren Bearbeitung derzeit dem Familienministerium obliegen, zu ergänzen: Darüber könne die nächste Regierung nachdenken, sie würde sich der Diskussion nicht verschließen.

Immerhin kündigte Bofferding am Ende der allgemein recht ambitionslosen und monotonen Debatte – bis auf Jessie Thills Erfahrungsberichte über Sexismus in der Abgeordnetenkammer sowie ihr Plädoyer für intersektionalen Feminismus – an, demnächst den Austausch mit Partner*innen zu suchen, die sich an der Ausarbeitung des Aktionsplans für die Gleichstellung von Frauen und Männern aus dem Jahr 2020 beteiligt haben. Hoffentlich haben die mehr zu bieten als die aktuellen politischen Entscheidungsträger*innen.


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