Halbe Sachen bei Verbot von Konversionstherapien

Die deutsche Bundesregierung legt einen zweiten Entwurf für das Verbot von „Homo-“ und „Trans-Heilungen“ vor – und versagt gleich mehrfach.

CC BY-gaelx 2.0

Die deutsche Bundesregierung stellte letzte Woche den Gesetzesentwurf für das Verbot von Konversionstherapien vor, die nach eigenen Angaben nach wie vor in Deutschland vorgenommen werden. Das Gesetz sieht das strafrechtliche Verbot von Behandlungen vor, die darauf abzielen, queere Menschen von ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Entwicklung zu „heilen“. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Die Bundesregierung sieht jedoch kein allgemeines Verbot vor – und das ist bedenklich.

Der Entwurf weist drei Schwachstellen auf. Eine davon ist die geplante Altersgrenze. Es soll verboten werden, Konversionstherapien an Minderjährigen und an Volljährigen, die dazu gezwungen wurden, durchzuführen. Gleichzeitig – und das ist Schwachstelle Nummer zwei – heißt es, dass das Verbot nicht auf Personen anzuwenden ist, „die als Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte handeln, sofern sie durch die Tat nicht ihre Fürsorge- oder Erziehungspflicht gröblich verletzen.“ Unter besagte Pflichten fallen unter anderem die Pflege sowie die gewaltfreie Erziehung des Kindes hin zu einem selbstständigen und verantwortungsbewussten Erwachsenen. Doch wann ist eine Konversionstherapie mit Erziehungspflichten vereinbar? Wann bedeuten sie nicht das Aufzwingen eines queer- und damit menschenfeindlichen Weltbildes? Wird der Entwurf angenommen sind Minderjährige, die in einer queer-feindlichen Familie aufwachsen, weiterhin nur bedingt vor Konversionstherapien oder vergleichbaren Praktiken geschützt.

Die Argumentation, mit der die Bundesregierung die Altersgrenze rechtfertigt, ist ebenfalls problematisch: Bei Personen über 18 gehe man davon aus, dass diese frei über eine entsprechende Therapie entscheiden können. Ob das auf junge Erwachsene zutrifft, die noch zuhause leben und finanziell von ihren Eltern abhängig sind, sei dahingestellt. Ganz davon abgesehen, dass man auch im Erwachsenenalter langwierige und konfliktreiche Coming-Out-Prozesse durchleben kann, bei denen man sich durch äußere Einflüsse indirekt zu einer Konversion gezwungen fühlt.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn steht unter Kritik.
(Foto: CC BY-SA Olaf Kosinsky/wikimedia)

Nur ein allgemeines Verbot der Konversionstherapien setzt ein Zeichen gegen die Stigmatisierung und Diskriminierung queerer Menschen. Erwachsene, die durch ihre sexuelle Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität in Konflikte mit sich selbst geraten, sollten nicht dazu verleitet werden, Zuflucht in einer Konversionstherapie zu suchen. Wichtiger ist es, durch ein uneingeschränktes Verbot der Behandlungen und durch Aufklärungsarbeit klar und deutlich zu kommunizieren, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit keine Krankheiten sind. Es bedarf keiner Heilung. Die Bundesregierung selbst verweist im Gesetzesentwurf darauf, dass der Weltärzteverbund Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung definiert – warum also kein komplettes Verbot aussprechen?

Ein dritter Fehltritt der Bundesregierung: Sie will das nichtöffentliche Bewerben, Anbieten und Vermitteln von Konversiontherapien für Erwachsene weiterhin erlauben. Das Verbot beschränkt sich nach Gesetzesentwurf nur auf das öffentliche Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen, außer es handelt sich um Therapien für Minderjährige. Verstöße werden mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro geahndet. Hinter verschlossenen Türen dürfen (Pseudo-)Therapeut*innen also weiterhin versuchen Menschen ihre Queerness auszutreiben. Auch hier stellt sich die Frage: Warum kein allgemeines Verbot?

„Die Position der Bundesregierung ist eine große Enttäuschung und darf im parlamentarischen Verfahren nicht standhalten“, zitiert das Online-Portal queer.de das „Bündis 90. Die Grünen“, „sonst droht es, dass das Verbot von sog. Konversionstherapien sehr löchrig wird und keinen erforderlichen Schutz von queeren Menschen gewährleistet.“ Das Portal berichtet weiter, dass die erste Version des Gesetzesentwurfes, die im November 2019 von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgestellt wurde, weder die Opposition noch themenspezifische Expert*innen überzeugt habe. Die Rückmeldungen des Bundesrates und der Verbände seien kaum in den zweiten Entwurf einbezogen worden. Am 6. März soll der Gesetzesentwurf in einem umfassenden Beratungsprozess im Bundestag besprochen werden.


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