Hass im Netz: Worte ohne Konsequenzen

Hassrede und Aufstachelung zum Hass sind in Luxemburg strafbar: Welche Konsequenzen das (nicht) hat und was gegen Online-Hate-Speech (nicht) unternommen wird.

Mehr gemeldete Fälle, weniger Anzeigen, kaum Urteile: Hate Speech ist auch online strafbar – zumindest in der Theorie. (Bild: Ben Mater / Unsplash)

„Lgbtq ass eng crime, die sollen Prison goen“ und „Dann mach suicide an haal deng Maul fds“ sind zwei von neun Hasskommentaren, die im Rahmen der Ausstellung „Hate Speech“ im Düdelinger Rathaus unzensiert gezeigt werden. Kommentare, die Personen wie Tatta Tom und Organisationen wie Rosa Lëtzebuerg oder das CID Fraen an Gender nur zu gut kennen. Diskriminierende Kommentare, Rassismus, verbale Gewalt und Vernichtungsfantasien sind im Netz weit verbreitet. Dabei steht in Luxemburg auf Hasskommentare und Aufstachelung, online wie offline, eine Freiheitsstrafe von acht Tagen bis zu zwei Jahren und/oder eine Geldstrafe zwischen 251 und 25.000 Euro. Was online geschrieben wird bleibt selten folgenlos – zumindest für die Betroffen. Bei den Täter*innen sieht das anders aus, wie offizielle Zahlen belegen.

Vergangenen Dienstag beantwortete Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) gemeinsam mit Gleichstellungs- und Diversitätsministerin Yuriko Backes (DP), Bildungsminister Claude Meisch (DP) und Familienminister Max Hahn (DP) eine parlamentarische Anfrage von Françoise Kemp (CSV). Sie präsentierte dabei Zahlen zu Online-Hate-Speech, die auf ein wachsendes Problem hindeuten. Die bei der „Bee Secure“-Stopline gemeldeten Fälle von Rassismus und Diskriminierung steigen von Jahr zu Jahr rasant an.

2024 wurden mit 448 Fällen 129 mehr als im Vorjahr registriert. Gleichzeitig sank der Anteil der Fälle, die an die Justiz weitergeleitet wurden leicht und lag 2024 lediglich bei 59 Prozent. Justizministerin Elisabeth Margue führt die Diskrepanz zwischen gemeldeten und tatsächlich verfolgten Fällen auf eine Kombination aus technischen, juristischen und verwaltungstechnischen Gründen zurück: Inhalte seien zum Zeitpunkt der Bearbeitung oft nicht mehr online, bereits gemeldet oder von Plattformen automatisch gelöscht worden oder fielen nicht unter die juristische Definition von Hassrede, zum Beispiel weil sie näher am Straftatbestand einer Drohung sind.

Hass im Netz ist keine Meinung. Es ist Gewalt. Und ein Gesetz, das nicht angewendet wird, schützt niemanden.

Wieso Taten nicht weiterverfolgt werden, weil die Inhalte gelöscht wurden, bleibt unklar. Fehlt es an einem Mechanismus, der Beweise sicherstellt, damit Straftaten auch verfolgt werden können? Die Tat wurde begangen und verliert nicht durch die zügige Löschung an Strafbarkeit. Es besteht eine eklatante Kluft zwischen gemeldeten Fällen, Anzeigen und anschließender juristischer Konsequenz. Letztes Jahr kam es zu lediglich 45 Anzeigen und der Großteil der Fälle blieb bislang ohne rechtliche Folgen: Es wurden nur 15 gerichtliche Entscheidungen getroffen.

Gemeldet, gelöscht, vergessen? Hass im Netz nimmt zu, rechtlich passiert wenig. (Foto: Marija Zaric/Unsplash)

Immer wieder wird beim Thema Diskriminierung im Internet mit dem Begriff „Meinungsfreiheit“ argumentiert. Hass im Netz ist keine Meinung. Es ist Gewalt. Und ein Gesetz, das nicht angewendet wird, schützt niemanden. Zudem ist es gefährlich, wenn Worte ohne Konsequenzen für Täter*innen bleiben. Für Alain Hoffmann und Tom Weidig, zwei prominente Beispiele aus den Reihen der ADR, blieb die Verbreitung von Hass im Netz trotz Anzeige bislang ohne rechtliche Konsequenzen. (woxx 1807, „Den Hass stoppen“, woxx 1824, „Hass und seine Konsequenzen“)

Auf die Frage, mit welcher Kampagne sie gegen Hate Speech vorgehen will, verweist die Ministerin auf bereits bestehende Maßnahmen. Irritierend ist vor allem die Wortwahl im Schlussplädoyer: Ausgerechnet jene marginalisierte Gruppen, die besonders häufig Zielscheibe von Hassrede werden, sollen darin unterstützt werden, sich „konstruktiv und respektvoll“ zu wehren und so dazu beitragen, dass soziale Medien „wieder“ zu einem Ort des demokratischen Austauschs und respektvollen Miteinanders werden. Abgesehen davon, dass es diesen idealisierten Raum so nie gegeben hat, wird hier die Verantwortung für ein faires Diskursklima auf die Betroffenen übertragen. Eine Täter-Opfer-Umkehr, die verkennt, dass nicht die Betroffenen, sondern Politik, Plattformen und Justiz handeln müssen. Die angekündigte Berücksichtigung des Themas in den kommenden Nationalen Aktionsplänen zu geschlechtsspezifischer Gewalt und zu LGBTIQ+ ist zwar ein Anfang, reicht aber angesichts der wachsenden Lücke zwischen hasserfüllten Worten und fehlender Konsequenz bei weitem nicht aus.


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