In der Chamber: Großmacht Europa?

Um die Strategische Autonomie der EU ging es am vergangenen Donnerstag kurz in der Chamber. Über das Thema wird zwischen Paris und Berlin heftig diskutiert – die Luxemburger Positionierung ruft eher Stirnrunzeln hervor.

„Die Europäer werden nicht imstande sein, die zentrale Rolle Amerikas als Sicherheitsgarant zu übernehmen“, schrieb die deutsche Armeeministerin Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang November in einem Politico-Artikel. Das sei eine „Fehlinterpretation der Geschichte“, konterte der französische Präsident zwei Wochen später in einem Interview mit „Le Grand Continent“. „Die Vereinigten Staaten werden uns als Alliierte nur dann respektieren, wenn wir (…) selber die Kontrolle über die eigene Verteidigung haben“, so Emmanuel Macron.

Im kleinen Luxemburger Parlament war die große Weltpolitik am 3. Dezember auch kurz zu Gast. Es ging um die französisch-deutschen Gegensätze. Das, was als „Strategische Autonomie der EU“ bezeichnet wird, gilt für Paris als unabdingbare Notwendigkeit und für Berlin als „Illusion“ (zumindest für die Stauffenbergstraße, wo sich das Armeeministerium befindet).

Macron gegen AKK

Der DP-Abgeordnete Gusty Graas wollte in einer „question élargie“ wissen, wo sich die Regierung in dieser Frage positioniert. Dabei betonte er den kontroversen Charakter des Themas: Macron habe sich „wenig diplomatisch“ ausgedrückt und die SPD plädiere, im Gegensatz zur deutschen Regierung, für eine EU-Armee. Außerdem stellte er die Frage, ob eine Stärkung der militärischen Mittel in Zeiten der Covid-Krise opportun sei. Vor fünf Monaten hatte übrigens die grüne Abgeordnete Stéphanie Empain bereits eine Question parlementaire zur Strategischen Autonomie gestellt (online-woxx: Autonom gegen die Türkei?).

Am vergangenen Donnerstag war es Außenminister Jean Asselborn, der als erster für  die Regierung sprach. Er plädierte dafür, den Begriff der Autonomie weit über das militärische hinaus zu diskutieren. Die Covid-Pandemie habe gezeigt, dass zur Handlungsfähigkeit auch eine industrielle, digitale und sanitäre Autonomie gehöre. Asselborn verwies auch auf die Versuche innerhalb der Nato, angesichts des Fehlverhaltens der Türkei den Zusammenhalt auf der Basis „westlicher Werte“ zu formalisieren. Zum Vorstoß aus den Reihen der deutschen Sozialdemokratie meinte der LSAP-Minister: „Die EU-Armee macht sich nicht von heute auf morgen“ – eine sehr diplomatische, weil inhaltsleere Antwort.

Bausch sieht schwarz und rosa

Auch Armeeminister François Bausch, der die Regierungsposition ergänzte, gab kaum klare Antworten auf die Graas Fragen. Immerhin warnte er, es sei ein Fehlschluss, zu meinen, wegen der Krise solle man weniger Geld für „Verteidigung“ ausgeben. Die Gefahren seien nicht kleiner geworden, so der grüne Minister. Bauschs Credo, das er auch bei den Debatten über das neue Tankflugzeug und den Militärsatelliten verkündete, lautet: Die Welt wird von dunklen Mächten heimgesucht, von Islamisten im Mali bis zu russischen und chinesischen Hackern im Internet, gegen die wir unsere „westlichen Werte“ verteidigen müssen.

Malt der Armeeminister die Sicherheitslage in schwärzesten Tönen, so scheint er die Autonomie-Kontroverse durch die rosa Brille zu sehen: „Eigentlich meinen Macron und Kramp-Karrenbauer das Gleiche“, versicherte Bausch. Bei den Nato-Sitzungen seien sich Frankreich und Deutschland eigentlich auch meistens einig. Vielleicht glaubt er das alles selber, vielleicht ist es ja auch nur Teil der Verkaufsstrategie für sein Aufrüstungsprogramm.

Nüchtern betrachtet ist aber eigentlich klar, dass fast alles gegen Autonomie und EU-Armee spricht. Zum einen weil im Bereich der nuklearen Abschreckung die „Force de frappe“, selbst wenn sie in den Dienst der EU gestellt würde, nicht die Rolle des US-Arsenals übernehmen kann. Zum anderen, weil die EU immer noch weit davon entfernt ist, eine koordinierte, geschweige denn eine einheitliche Außenpolitik zu betreiben (ein dreifaches Paradox, siehe forum 376: Kriegstaktik und Friedensstrategie). Im besten Fall scheitert also die militärische Zusammenarbeit an außenpolitischen Divergenzen. Im schlimmsten Fall aber könnte ein – gewissermaßen vor die Pferde gespannter – EU-Militärapparat fatale außenpolitische Entscheidungen vorwegnehmen.

 


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