Klagen gegen NGOs: Ohrfeigen zu Weihnachten

Statt endlich eine Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft zuzulassen, versucht die Regierung lieber, ihre Kritiker*innen mit einer Klage mundtot zu machen.

Foto: monicore/Pixabay

In den letzten Tagen haben Klagen aus Reihen von sogenannten „Corona-Maßnahmenkritikern“ gegen die Redaktion des Tageblatts für viel Kritik und Aufregung gesorgt. Das zurecht, denn es handelt sich um sogenannte „Slapp“-Klagen (Strategic lawsuit against public participation), die vor allem der Einschüchterung von kritischen Stimmen dienen. Wer sich mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert sieht, überlegt sich das nächste Mal vielleicht zweimal, ob er*sie in einem Artikel Ross und Reiter nennt.

Nun gibt es einen zweiten Fall, der relativ ähnlich ist, aber für weitaus weniger Empörung sorgt: Die Regierung hat die Umweltschutzorganisationen Greenpeace, Natur an Ëmwelt und Mouvement écologique angezeigt, weil diese Anzeigen mit dem offiziellen Regierungslogo in Tageszeitungen geschaltet haben. In der Anzeige, die als „öffentliche Mitteilung“ eines (in Luxemburg leider nicht real-existierenden) „Ministère de l’Agriculture durable“ gestaltet war, legten die NGOs ihre Wünsche für eine nachhaltigere Agrarpolitik dar. Am Ende der vermeintlichen Kundmachung waren die Logos und Internetadressen der drei Organisationen abgedruckt, sodass man mit ein wenig Nachdenken eigentlich kaum auf die Idee kommen konnte, es habe tatsächlich eine 180-Grad-Wendung in der Agrarpolitik gegeben.

In einer entrüsteten Pressemitteilung prangerte das Landwirtschaftsministerium die Kommunikationsmethode der Umweltschutzorganisationen an, Schützenhilfe erhielt es vom Fräie Lëtzebuerger Bauereverband und der CSV. In Antworten auf zwei parlamentarische Anfragen verkündete Premier Xavier Bettel am vergangenen Montag, die Regierung habe die NGOs bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Als der Mouvement Ende 2019 das „Ministère de la Croissance“ mitsamt Website, Hotline und Stickern erfand, interessierte das die Regierung nicht – vermutlich, weil das Logo leicht abgewandelt war und einen roten Dinosaurier statt eines Löwen zeigte.

Einmal mehr wird klar: Die Regierung will nicht über nachhaltige Agrarpolitik reden.

Die Reaktion der Regierung auf die Kritik der Umwelt-NGOs bezweckt zweierlei: Einerseits sollen die Aktivist*innen mit der Klage eingeschüchtert sowie Finanzmittel und Ressourcen gebunden werden. Andererseits lenkt die Diskussion darüber, ob die Nutzung des Regierungslogos illegal war, von dem eigentlichen Thema ab. Einmal mehr wird klar: Die Regierung will nicht über nachhaltige Agrarpolitik reden. Das war bereits bei der versemmelten Schaffung des Ernährungsrates der Fall, genauso wie bei der Begutachtung des Strategieplans für die Agrarpolitik, die nur pro forma durchgeführt wurde.

Es ist unverständlich, wie die Regierung vorgeht: Zwar wird stets versucht, die Illusion aufrechtzuerhalten, man sei offen für Dialog, aber jeder Versuch, diesen einzufordern, wird mit Schweigen – und nun Klagen vor Gericht – bestraft. Der aktuelle Landwirtschaftsminister Romain Schneider verlässt sein Amt bald und hinterlässt seinem Nachfolger Claude Haagen (beide LSAP) viele Baustellen. Der sollte sich tunlichst dranmachen, die Fehler Schneiders nicht zu wiederholen und den Dialog mit allen Akteur*innen, besonders aber der Zivilgesellschaft zu suchen. Ein Landwirtschaftsministerium, das sich selbst als Lobby der Landwirt*innen versteht, ohne groß auf berechtigte Kritik einzugehen, ist überflüssig. Die Klima- und Biodiversitätskrise sind komplexe Herausforderungen, die nicht gemeistert werden können, wenn Umweltschutzorganisationen mundtot gemacht werden.


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