Klimapolitik: Reichen die Maßnahmen?

Die neue Regierung setzt beim Klimaschutz keine besonderen Akzente, sondern will weitermachen wie bisher. Das Observatoire de la Politique climatique (OPC) hat Bedenken, ob das reichen wird.

Hier hört Serge Wilmes (CSV) noch brav den Erklärungen des Premierministers zu, doch schon bei Erscheinen dieser woxx-Ausgabe muss er das Regierungsprogramm auf der COP in Klimapolitik übersetzen. (Foto: © SIP/Julien Warnand)

100 Tage Schonfrist für eine neue Regierung? In der Klimakrise ist dafür keine Zeit. Am vergangenen Samstag veröffentlichte das OPC eine Stellungnahme zum Koalitionsabkommen zwischen CSV und DP. Die Wissenschaftler*innen, die von der vorigen Regierung – mittels Klimagesetz – beauftragt wurden, die Klimapolitik zu analysieren und zu beobachten, nehmen ihre Rolle ernst. Seinen jährlichen Bericht gab das OPC nach den Wahlen heraus, damit sich die zukünftigen Koalitionär*innen daran inspirieren könnten. Sie hoben dabei die hohe Verantwortung des Luxemburger Finanzplatzes hervor (siehe woxx 1757) und mahnten die kommende Regierung an, konsequenter gegen Greenwashing vorzugehen.

Die Analyse des Regierungsabkommens legt nun offen: Besonders ambitioniert beim Klimaschutz sind weder CSV noch DP. Der OPC begrüßt allerdings, dass der nationale Energie- und Klimaplan (Pnec) sowie das Klimagesetz weiterhin gelten sollen. Auch die Bürger*innenbeteiligung, die stärkere Förderung von Energiekooperativen sowie das Versprechen, stärker auf Energieeffizienz in Gebäuden und klimaneutrale Mobilität zu achten, wertet das wissenschaftliche Gremium positiv. Doch dem kurzen Lob folgt im recht knappen Dokument des OPC eine lange Liste mit Verbesserungsvorschlägen für die Regierung Frieden-Bettel.

Wenig begeisternd

Gleich die erste Empfehlung straft eins der wichtigen Credos des neuen Premierministers Lügen: Der wird nämlich nicht müde zu behaupten, wie wichtig ihm die interministerielle Zusammenarbeit sei. Dem OPC nach fokussiert sich das Regierungsprogramm jedoch zu sehr auf individuelle, sektorielle und inkrementelle Maßnahmen. Stattdessen sollten, wie auch der UN-Klimarat IPCC schreibt, integrierte Lösungen vorgezogen werden, die sektorübergreifend für Veränderungen sorgen. Luxemburgs Bürger*innen sollten motiviert und unterstützt werden, ihren aktuell hohen Konsum und ihre hohen Emissionen zu reduzieren. Dazu gehört laut dem OPC auch eine massiv höhere CO2-Steuer. Wie der Klima-Biergerrot schlagen auch die Wissenschaftler*innen eine Höhe von 200 Euro pro Tonne vor – alles wohl kaum Sachen, die Frieden unter „Umweltpolitik, die begeistert“ versteht.

Wenig begeistern dürfte auch der Vorschlag, doch die Subventionen auf fossilen Energieträgern – wie etwa die Maßnahmen der letzten Tripartite – zurückzunehmen. Der OPC will, dass andere Möglichkeiten gefunden werden, den ärmsten Haushalten zu helfen: „Auch wenn wir die Entscheidung im aktuellen Kontext verstehen, fordern wir die Regierung auf, diese Subventionen abzuschaffen und andere Lösungen zur Bewältigung der hohen Energiepreise in Betracht zu ziehen“, heißt es in der Analyse der Wissenschaftler*innen.

Starke Bedenken bei Landesplanung und Landwirtschaft

Luxemburg leidet seit Jahrzehnten unter einer schleppenden und wenig durchdachten Landesplanung und auch bei diesem Kapitel erhebt der OPC einen mahnenden Zeigefinger: Zwar sei die Idee, öffentliche Plätze zu begrünen gut, doch die Pläne für neue Straßen und die Ausweitung des Bauperimeters führe womöglich zu mehr Flächenversiegelung, was wiederum weniger resiliente Ökosysteme bedeute. Das laufe darauf hinaus, dass auch weniger Möglichkeiten für natürliche CO2-Senken beständen, so die Wissenschaftler*innen. Die betonen dann auch, dass mehr Landnahme den EU-Strategien für Biodiversität und Bodenschutz entgegenliefen.

Starke Bedenken äußert das OPC ebenfalls bei der Landwirtschaft und dem Nahrungsmittelsystem. Eine einzige Ministerin – Martine Hansen (CSV) – ist nun für alle Aspekte der Lebensmittelkette verantwortlich. Diese ist in Luxemburg für 19 Prozent der konsumbasierten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Daher wundert sich das OPC, dass im Regierungsabkommen überhaupt keine Ziele oder konkreten Maßnahmen für Emissionsreduktionen im Lebensmittelsektor festgelegt wurden. Außerdem sei das Kapitel über die Agrarpolitik sehr vage gehalten und lege kaum Ziele oder Maßnahmen fest.

Das OPC bietet der Regierung seine Hilfe an, um die Luxemburger Klima- und Energiepolitik auf Linie mit den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu bringen. Gleichzeitig werden CSV und DP eingeladen, doch die jährlichen Berichte des wissenschaftlichen Observatoriums durchzulesen. Tun sie das, werden sie vermutlich auch besser verstehen, warum das OPC bei vielen Punkten derart streng mit ihnen war.


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