Technologie als Lösung
: COP28-Tipps und -Tricks


Wer nicht auf die Politik vertraut, um das Klima zu retten, mag auf technische Lösungen hoffen. Die aber haben Schwächen, Nebenwirkungen … und werden von den Klimabremser*innen missbraucht.

Weltraumspiegel-Entwurf nach 
Hermann Oberth (1923). (Wikipedia; Bernd Ossenbühl; CC BY-SA 4.0)

Ein Instrument im Kampf gegen den Klimawandel sind technische Maßnahmen wie der Ausbau der Elektromobilität, die Herstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff oder der Rückgriff auf Carbon capture and storage (CCS). Sie stehen an prominenter Stelle im Koalitionsabkommen der neuen Luxemburger Regierung und im Beschluss des EU-Ministerrats im Vorfeld der COP28. Beim Klimagipfel vom 30. November bis zum 12. Dezember in Dubai werden sie direkt oder indirekt für heftige Diskussionen sorgen, ebenso wie das Geoengineering, das unmittelbar auf die Erderwärmung einwirken könnte.

Solche „Lösungen“ werden häufig von Akteur*innen propagiert, die den Herausforderungen und Chancen einer umfassenden Transition kritisch gegenüberstehen, zum Beispiel Energiekonzerne oder Regierungen der Industrieländer. Weil sie als Argument gegen einen „zu schnellen“ Ausstieg aus fossilen Energien oder deren Wertschöpfungsketten dienen, werden sie teilweise von der Klimabewegung radikal abgelehnt. Die Haltung wissenschaftlicher Instanzen ist nuancierter: Technische Maßnahmen werden grundsätzlich als Teil einer Erfolg versprechenden Klimastrategie angesehen, aufgrund ihrer Einschränkungen und Nebenwirkungen können sie aber keineswegs die überfällige, große wirtschaftliche und soziale Umgestaltung der Weltgesellschaft ersetzen.

Technik: revolutionär oder konservativ?

Eine erste Illustration dieser Sachverhalte ist das Elektroauto. Es wird zwar immer noch bekämpft von jenen, die wie die ADR gegen „die Abschaffung des Verbrennungsmotors“ sind, doch es stellt die einfachste Lösung dar, den vom Individualverkehr verursachten CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Die Nebenwirkungen eines Eins-zu-eins-Umstiegs von traditionellen Autos auf E-Cars werden von deren Verteidiger*innen allerdings häufig ausgeblendet: ein Festschreiben der „Autogesellschaft“ und ein hoher Bedarf an Energie und Rohstoffen. Beides hat verheerende Auswirkungen auf politische Zukunftsentscheidungen, wie ein Blick ins Koalitionsabkommen zeigt. Bei der Landesplanung ist die Zersiedlung kaum Thema – die Illusion uneingeschränkter Elektromobilität erlaubt es, eine unnachhaltige Siedlungsentwicklung fortzuschreiben. Und statt die historische Verantwortung Luxemburgs für die Auswirkungen des Klimawandels im globalen Süden in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit zu stellen, wird das „enorme Potenzial“ des afrikanischen Kontinents für die Gewinnung von Rohstoffen und erneuerbaren Energien hervorgehoben.

Auch der grüne Wasserstoff soll vom Süden in den Norden fließen, darüber ist sich die politische Führung in Luxemburg, wie die der EU, einig. Große Infrastrukturprojekte wie die deutsch-italienische Wasserstoff-Pipeline nach Tunesien können auf Brüsseler Finanzspritzen hoffen. „Bestenfalls“ etabliert sich auf diese Weise ein für den Klimaschutz effektiver „grüner Neokolonialismus“, doch womöglich wird beschlossen, wenn die Infrastrukturen erst einmal fertiggestellt sind, sie auch mit grauem oder gelbem Wasserstoff zu nutzen, der auf Basis von Erdgas oder mittels Atomkraft hergestellt wird. Unterm Strich ist der Einsatz dieser neuen Technologien für spezielle Nutzungsszenarien sinnvoll: Elektromobilität für Leihautos, Wasserstoff für bestimmte industrielle Prozesse. Darauf massiv zurückzugreifen, um den Lebensstil und das Produktionsmodell des Nordens unverändert zu lassen, kollidiert aber mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit.

Beim Rückgriff auf CCS stellen sich andere Fragen. Die CO2-Abscheidung und -Speicherung spielt derzeit keine Rolle beim Klimaschutz – zu experimentell die Technologien, zu teuer ihre Umsetzung. Obwohl sich das bestenfalls mittel- bis langfristig ändert, entfaltet die Idee von CCS im Hier und Jetzt eine große Wirkung, wenn es darum geht, den Ausstieg aus den fossilen Energien zu verzögern. Konkret: Wie schon bei der COP26 für die Kohle wird diesmal ein „Durchbruch“ in Sachen fossile Energien allgemein gefeiert. In Anlehnung an 2021 könnte das Abschlussdokument der COP28 laut Guardian zu einem „phase-down of unabated fossil fuel“ aufrufen. Die Wendung klingt nach einem Ende der fossilen Energien, enthält aber gleich zwei Schlupflöcher. Erstens ist „phase-down“, also schrittweise Verringerung, nicht das gleiche wie „phase-out“ (auslaufen lassen), zweitens begrenzt das „unabated“ (unvermindert) den Aufruf auf fossile Energien, die ohne CCS eingesetzt werden. Beides wird von der fossilen Lobby damit gerechtfertigt, dass diese Energien voraussichtlich noch längere Zeit unabdingbar bleiben. Das wird als „Fakt“ dargestellt, ist aber höchst diskutabel, sowohl was die Energiemenge als auch was die Definition von „unabdingbar“ angeht (siehe dazu das Edito in dieser Nummer).

CCS: Ruinieren oder korrigieren?

Verwirrend ist bei dieser Diskussion, dass einerseits die NGOs einen Ausstieg ohne Wenn und Aber und CCS fordern, andererseits wissenschaftliche Instanzen wie der Weltklimarat IPCC die CCS-Technologie in ihren Berichten und Modellen durchaus aufgreifen. Wer genauer hinsieht, erkennt aber, dass Wissenschaft und Fossilwirtschaft nicht das Gleiche meinen, wenn sie CCS sagen. Für den IPCC geht es um eine Methode, negative Emissionen zu generieren, vergleichbar der Wiederaufforstung oder der Schaffung von Feuchtbiotopen, die ebenfalls CO2 binden. Solche Negativ-Emissionen werden einerseits zur Erreichung des Netto-Null-Emissionsziels benötigt, wenn nämlich ein unabdingbarer CO2-Ausstoß kompensiert werden muss. Vor allem aber ist die Menschheit auf sie angewiesen, um, nach einer immer wahrscheinlicher werdenden Überschreitung der 1,5-Grad-Marke, die Temperatur möglichst schnell wieder zu senken und das Schlimmste zu verhindern.

Das ist etwas ganz anderes als hypothetische CCS-Kapazitäten in Szenarien einzurechnen, um möglichst lange und viel auf fossile Energien zurückgreifen zu können. Mit anderen Worten: Für die fossile Lobby ist CCS ein Trick, zwecks Profitsicherung das Klima zu ruinieren, für die Wissenschaft ein vorletztes Mittel, um die Fehler von Wirtschaft und Politik zu korrigieren, und von dem man nur hoffen kann, dass es früh genug verfügbar ist. Das rechtfertigt– anders als es die NGOs möchten – die CCS-Forschung fortzusetzen und zu fördern, ändert aber nichts an der Notwendigkeit eines Ausstiegs aus fossilen Energien im Eiltempo. Dass das Koalitionsabkommen den Rückgriff auf CCS auf „sehr spezifische Sektoren“ beschränken will, erscheint akzeptabel, es als „wichtigen Hebel beim Klimaschutz“ zu bezeichnen, ist aber kontraproduktiv.

Warum CCS als nur „vorletztes Mittel“? Weil, unter wissenschaftlichen Gesichtpunkten, eine andere Option als die extremste anzusehen ist: das Geoengineering. Im engeren Sinne ist damit das „Solar Radiation Management“ gemeint, bei dem durch einen menschlichen Eingriff die Sonneneinstrahlung oder ihre Absorption reduziert werden soll. Die Optionen reichen von weißgestrichenen Dachflächen über das Ausbringen von Aerosolen in der Atmosphäre bis hin zu gigantischen Spiegelsystemen in der Erdumlaufbahn. An der Geophysik des Planeten herumzudoktern, mag wie Science-Fiction klingen, doch ein paar, potenziell vom Klimawandel besonders betroffene Großmächte wie China und die USA beherrschen die notwendigen Technologien. Problematisch ist, dass die Auswirkungen solcher Eingriffe teilweise unvorhersehbar und unbeherrschbar sind. Das hat sogar die Unesco auf den Plan gerufen, die im Vorfeld der COP28 einen Bericht über „Ethics of Climate Engineering“ veröffentlicht hat. Neben den grundsätzlichen Unsicherheiten arbeitet das Dokument auch moralische Fragen betreffend Ethnozentrismus, Verantwortungsethik und geopolitische Instrumentalisierung heraus. Alles weitere Gründe, auf COP28-Verhandlungsergebnisse zu hoffen, durch die sich der Rückgriff auf das „letzte Mittel“ erübrigt.


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