Vertreter*innen der luxemburgischen Kulturszene rufen dazu auf die Flüchtlingslager auf griechischen Inseln zeitnah aufzulösen. Alles andere widerspreche dem aktuellen Esprit von Solidarität.
„Do hunn ech misse passen“, sagte Außenminister Jean Asselborn gestern bei der Pressekonferenz nach dem „Conseil des Affaires Générales“ (CAG) der EU. Damit reagierte Asselborn auf eine Frage von RTL: Nimmt Luxemburg wie geplant und in naher Zukunft zehn Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern auf? Asselborn gab an, die Planung der Transfers sei zwei Tage vor dem Lockdown in der Endphase gewesen, jedoch hätten inzwischen alle beteiligten Instanzen – unter anderem die United Nations High Commission for Refugees (UNHCR) – beschlossen, das Vorhaben aufgrund der Corona-Krise zu stoppen. Die Vorbereitungen für einen späteren Transfer laufen – wann dieser stattfinden kann, sei angesichts der aktuellen Situation unklar. Eine Entscheidung, die Vertreter*innen der luxemburgischen Kunstszene Sorge bereitet: Über hundert Kulturschaffende zeigen sich in einem offenen Brief solidarisch mit den Bewohner*innen der Flüchtlingslager und ihren Helfer*innen. Sie fordern die EU sowie jede implizierte Instanz zum sofortigen handeln auf.
„Weit über 20.000 Flüchtlinge sitzen auf Lesbos unter katastrophalen Umständen in einem Lager fest, das nur für 3.000 Menschen gedacht ist“, schreiben sie in ihrem offenen Brief. Rechne man die Lager auf Chios und Samos dazu, säßen zurzeit mehr als 40.000 Menschen auf den griechischen Inseln fest. Die Grenzen in Griechenland? Zu. Das Asylrecht? Außer Kraft gesetzt. Die Situation in Griechenland ist nicht erst seit Ausbruch der Pandemie angespannt, doch spitzt sich die Notlage durch COVID-19 weiter zu. Initiativen wie „Médecins Sans Frontières“ (MSF) drängen zur sofortigen Auflösung der Lager und fordern eine schnelle Umsiedlung der Lager-Bewohner*innen von den Inseln auf das europäische Festland.
Die sanitären Maßnahmen zur Verlangsamung der Verbreitung des Corona-Virus könnten in den überfüllten Lagern nämlich nicht umgesetzt werden. Dazu fehle es an Hygieneprodukten, an Wasserstellen und vor allem an Platz. Sollte der Virus in einem der Lager ausbrechen, wäre seine rasche Verbreitung kaum aufzuhalten. Erst kürzlich wurde laut MSF die erste Corona-Infizierung auf Lesbos dokumentiert. Die Person lebt zwar außerhalb der Lager, dennoch ist die Infizierung als Warnschuss zu verstehen. Die luxemburgischen Kulturschaffenden zitieren in ihrem offenen Brief dazu den Arzt George Makris von MSF: „Makris sagt, dass die Lager jetzt evakuiert werden müssen – ein Vorhaben, das jeder Mensch, der sich für die Menschenrechte einsetzt, unterstützten müsste.“
Für die Kulturschaffenden aus Luxemburg wäre es ein Zeichen der Solidarität, wenn Luxemburg die zehn Kinder, die es aufnehmen wollte, bald möglichst nach Luxemburg einreisen ließe. In Zeiten, in denen verstärkt an die Solidarität appelliert werde, sei dies die einzig kohärente Geste: „Ansonsten verliert jeder Aufruf zu Solidarität an diesen Tagen an Glaubwürdigkeit und ist zynisch.“ Asselborn selbst verwies in der Pressekonferenz darauf, dass es rein administrativ unmöglich sei, die Kinder zum jetzigen Zeitpunkt aufzunehmen: Rund ein Drittel der zuständigen Instanzen in Luxemburg seien inzwischen krankheitsbedingt oder aus gesundheitsbedingten Sicherheitsmaßnahmen außer Gefecht. Die kompetente Betreuung der Minderjährigen könne unter diesen Umständen nicht gewährleistet werden.