Landesplanung: Lost in Transition

Die Landesplanungskonsultation „Luxembourg in Transition“ wurde Ende 2021 abgeschlossen. Noch sind die Resultate nicht öffentlich – lediglich die Arbeit des „Biergerkomitee Lëtzebuerg 2050“ wurde vorgestellt.

Mitglieder des Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 und Claude Turmes bei der Präsentation des Abschlussberichtes des Komitees. (Foto: MEA, DATer)

Das Projekt Luxembourg in Transition endet wohl ähnlich obskur, wie es begonnen hat. Im Juni 2020 berichtete die woxx über die internationale Ausschreibung für das Projekt, die der Luxemburger Öffentlichkeit nicht vorgestellt worden war. So scheint es auch mit den Resultaten zu verlaufen. Zu Heiligabend 2021 sollte die Raumplanungskonsultation eigentlich abgeschlossen sein. Was die vier letzten Teams ausgearbeitet haben, wurde jedoch bisher nicht öffentlich gemacht. Anders als die Arbeiten des „Biergerkomitee Lëtzebuerg 2050“ (BK2050), die Mitte Januar der Presse vorgestellt wurden.

Am vergangenen Dienstag brach der Historiker Denis Scuto in der Sendung „Fräie Mikro“ auf Radio 100,7 das Schweigen. Scuto berichtete beinahe überschwänglich von der Präsentation der Resultate, die Ende Januar stattgefunden hat. Die war jedoch nur für Teilnehmer*innen des Prozesses – Teams, Expert*innengremien, Beamt*innen des Ministeriums und einige Mitglieder des BK2050. Damit endete die Raumplanungskonsultation vorläufig genauso intransparent, wie sie begonnen hatte.

2020 konnten sich multidisziplinäre Teams mit Projekten bewerben, um dann an einer Art Raumplanungscasting teilzunehmen: Erst zwölf, dann sechs, dann nur noch vier Gruppen arbeiteten in drei Runden ihre Projekte weiter aus. Neben der mangelnden Transparenz stellte sich damals die Frage, wie die Zivilgesellschaft an dem Prozess beteiligt würde. Gleich drei Gremien begutachteten die Projekte: Ein wissenschaftliches, vor allem aus internationalen Expert*innen bestehendes Komitee, ein interministerielles Komitee und ein Beirat (Comité consultatif) mit Mitgliedern aus verschiedenen Interessenvertretungen. Mit Ausnahme des Mouvement écologique waren hier vor allem Berufs- und Industrieorganisationen an Bord.

Von Beginn an unklar

Als der Landesplanungsminister Claude Turmes (Déi Gréng) Luxemburg in Transition Ende Oktober 2020 der Öffentlichkeit vorstellte, gab es ein neues Gremium, das BK2050. Von dem war zuvor nie die Rede gewesen, weder auf der Website des Projektes noch in den Ausschreibungsunterlagen – und schon gar nicht in den Antworten des Landesplanungsministeriums auf die Fragen der woxx nach der Einbindung der Zivilgesellschaft.

„Von Beginn an war für mich klar, dass dies nicht ohne die Einbeziehung der Bürger erfolgen sollte. Aus diesem Grund hatte ich beschlossen, das Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050 (BK2050) einzuberufen. Parallel zu den drei Ausschüssen der Konsultation war es die Aufgabe der 30 Bürger, die von den LIT-Teams vorgeschlagenen Szenarien offen zu diskutieren, eigene Ansichten einzubringen und eigene Empfehlungen auszuarbeiten.“
Mit diesen Worten beginnt Landesplanungsminister Claude Turmes sein Vorwort zu den Schlussfolgerungen des BK2050. Natürlich schreibt ein Minister in so einem Vorwort salbungsvolle Zeilen, eine sprichwörtliche Sonntagsrede halt. Es gibt nur ein Problem: Sie stimmen nicht. Zu Beginn des Luxembourg in Transition-Prozesses war keine Bürger*innenbeteiligung vorgesehen. Das erklärt auch, warum das BK2050 bei der Konsultation außen vor blieb – obwohl das Ministerium sich alle Mühe gab, das Gegenteil zu suggerieren. In der Ausschreibung waren drei Gremien zur Projektbewertung vorgesehen. Auch zeitlich passt nicht alles zusammen: Die Ausschreibung für das BK2050 startete erst im Dezember 2020 – also Monate, nachdem die Teams, die an der Konsultation teilnahmen, sich beworben hatten und ausgesucht worden waren.

„Kurz nachdem wir das Projekt im Juni 2020 gestartet hatten, sagte Minister Claude Turmes, dass die Bürger dabei sein müssten. Deswegen haben wir TNS-Ilres gebeten, den Bürgerrat zusammenzustellen. Diese Prozeduren dauern, aber wir konnten schon sechs Monate nach Start loslegen“, erklärt Carlos Guedes, Sprecher im Landesplanungsministerium, die Entstehungsprozedur des BK2050.

Luxembourg in Transition 
der kleinen Leute

Statt die Vorschläge der internationalen Teams zu bewerten, erstellte das BK2050 ein eigenes Arbeitsprogramm, das in einem Dokument mit 44 Empfehlungen an die Politik mündete. Damit alle Teilnehmer*innen auf dem gleichen Wissensstand waren, wurden zwölf Konferenzen organisiert, bei denen sie von Expert*innen in Bereichen wie Raumplanung, Klima, Hydrologie, Landwirtschaft, Mobilität und Wohnungsbau gebrieft wurden.

Foto: CC BY-SA 3.0 Zinneke/wikimedia

So entstand eine Ist-Analyse der Stärken, Schwächen, Gefahren und Chancen Luxemburgs, die die Notwendigkeit einer ökologischen Transition der Wirtschafts- und Lebensweise verdeutlichen. Neun Thesen rahmen die 44 Empfehlungen ein, sie lauten beispielsweise „Klimaschutzmaßnahmen sind demokratisch legitimiert und müssen nachvollziehbar sein“ oder stipulieren, dass solche Maßnahmen als gerecht empfunden und auf wissenschaftlicher Grundlage stehen müssen. Interessanterweise hat sich das BK2050 also gar nicht so sehr mit der Raumplanung, sondern viel mehr mit der Klimaneutralität bis 2050 beschäftigt: Der Weg zum Ziel, der bei Luxembourg in Transition noch vorgegeben war, wurde hier sozusagen übersprungen, um sich auf das „big picture“ zu konzentrieren.

Wer sich schon viel mit dem Thema Nachhaltigkeit in Luxemburg befasst hat – oder regelmäßig die woxx liest – wird in dem Dokument des BK2050 wenig Neues erfahren. Auch die 44 Empfehlungen sind zum Großteil altbekannte Forderungen der Zivilgesellschaft, so könnten die vier Punkte zu „ressourcenschonender Mobilität“ auch vom Mouvement écologique oder ProVëlo stammen.

Angst vor Instrumentalisierung

Dreißig Mitglieder hatte das BK2050, sechs von ihnen haben das Gremium vorzeitig verlassen. Als Gründe dafür werden in der offiziellen Broschüre Zeitprobleme genannt, aber auch Enttäuschung über das Konzept oder der Arbeitswert – manche sorgten sich auch wegen politischer Instrumentalisierung. „Wir haben uns nicht eingemischt, sondern das Komitee unabhängig von der Politik arbeiten lassen“, so Guedes vom Landesplanungsministerium. Auch wenn es keine direkte Einmischung gibt – durch das Setzen von Rahmenbedingungen hat die Regierung durchaus einen Einfluss auf partizipative Gremien.

Die Angst vor Instrumentalisierung könnte sich in einer Form bereits bewahrheitet haben: Xavier Bettel warb mit dem angeblichen Erfolg des BK2050 für seinen Klimabiergerrot. Dazu gab das BK2050 ebenfalls eine Empfehlung ab, die voraussichtlich nicht so umgesetzt werden wird: „Der geplante Klima-Biergerrot muss verstetigt werden, einen klaren Auftrag erhalten und darf keine Alibi-Funktion erfüllen.“ Die Regierungspläne für den Klimarat sehen jedoch vor, dass dieser nur sechs Monate bestehen soll.

Das BK2050 hat seine Arbeit präsentiert. Würden die Empfehlungen, die dort vorgeschlagen werden, so umgesetzt, wäre Luxemburg vielleicht noch nicht CO2-neutral, jedoch sicher auf einem besseren Weg dorthin als bisher. Die gutbezahlten Arbeiten der internationalen Teams sind noch nicht öffentlich. Laut Scuto, der Mitglied des wissenschaftlichen Beirates war, handelt es sich um Detailarbeiten, die zeigen, wie aus Steinfort eine Ökosiedlung, die Logistikhallen der Provençale in ein Zentrum für Gemüseproduktion umgewandelt, Bettendorf nachhaltiger gestaltet und die Einkaufswüste Foetz in ein Viertel mit gemischter Nutzung verwandelt werden können. „In den nächsten Tagen“ sollen die Arbeiten online gestellt werden, so Guedes vom Landesplanungsministerium. Bis zu Redaktionsschluss ist dies noch nicht passiert.

„Beratende Organe wie der Nationale Nachhaltigkeitsrat (CSDD) oder die im Rahmen des PNEC geschaffenen 
Gremien müssen mit vernünftigen Ressourcen ausgestattet werden und auch mit Vertretern des sozialen Sektors besetzt sein. Der geplante Klima-Biergerrot muss verstetigt werden, 
einen klaren Auftrag erhalten und darf keine Alibi-Funktion erfüllen.“
(Empfehlung Nummer 6 des Biergerkommitee Lëtzebuerg 2050)


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