LGBTIQA: Kapitalismus unter dem Regenbogen

Im Pride Month Juni werben viele Firmen um LGBTIQA-Menschen. Regenbogenlogos und Sponsoring von Pride-Paraden sind mittlerweile ein fixer Bestandteil von Marketingstrategien. Oft bleibt es jedoch nur beim Lippenbekenntnis.

Nicht alle sind mit der kapitalistischen Vereinnahmung queerer Kämpfe einverstanden. (Foto: CC-BY-SA Aloyisius/wikimedia)

2019, Esch-Alzette: Auf der Luxembourg Pride marschiert ein kleiner, antikapitalistischer Block der Gruppe „Laika“ mit. Die Aktivist*innen halten ein Banner, auf dem die Worte „Smash the Cistem – Queer solidarity against capitalism“ zu lesen ist. Sie entzünden bengalisches Feuer in den Farben des Regenbogens. Eine Nahaufnahme davon ist später in Filmaufnahmen der Pride zu sehen. 2021 verwendet die Luxair die Aufnahmen für ein Imagevideo, mit dem das Unternehmen auf seine Unterstützung der LGBTIQA-Bewegung aufmerksam machen will. Die antikapitalistische Botschaft, die nur wenige Meter vor den Rauchbomben herumgetragen wurde, ist natürlich nicht zu sehen.

Immer mehr Firmen nutzen den Pride Month für Marketingkampagnen. Oft passiert das jedoch, ohne dass tatsächlich Verbesserungen für LGBTIQA-Personen umgesetzt werden. Das Phänomen wird als „Regenbogenkapitalismus“, „pinkwashing“ oder „rainbow-washing“ bezeichnet.

Wie kommt es dazu, dass Firmen sich für LGBTIQA engagieren, eine Pride-Parade sponsoren oder dort sogar mit einem Party-Truck auffahren? Angefangen hat alles mit Wodka. Die Marke Absolut erkannte 1981, dass ihr Getränk auf vielen Prides konsumiert wurde, und schaltete Anzeigen in einschlägigen Magazinen. In den 1990er-Jahren identifizierte der Autohersteller Subaru Lesben als Zielgruppe und warb unter anderem mit dem Slogan „It’s not a choice. It’s the way we’re built“. Bis heute ist es in den USA ein Klischee, dass Lesben Subarus fahren – das Marketing ist also gelungen. Schwule und lesbische Paare machen als Zielgruppe Sinn: Kinderlose Paare, in denen zwei Partner*innen berufstätig sind, haben ein hohes Budget.

Zahlungskräftige Zielgruppe

Neben den ökonomischen Gründen poliert das Regenbogenmarketing auch das Image auf. Allerdings laufen Firmen auch Gefahr, dass inhaltloses Marketing, wie etwa das Einfärben des Firmenlogos in den Farben des Regenbogens, als reine Symbolik entlarvt wird. So gibt es zum Beispiel immer wieder Kritik an Disney. Der Mediengigant verkauft sich zwar gerne als inklusives, offenes Unternehmen, hat jedoch kaum queere Inhalte. Wenn dann doch mal ein gleichgeschlechtliches Paar vorkommt, ist es oft nur in einer Nebenrolle und die Szenen sind so kurz, dass sie für LGBTIQA-feindliche Märkte leicht rausgeschnitten werden können. Aktivist*innen kritisieren auch oft, dass Firmen trotz Regenbogenmarketing Aktivitäten in Ländern nachgehen, in denen queere Menschen nach wie vor verfolgt werden.

Viele Firmen beschränken sich in ihrem Marketing auf eine „Love is Love“-Botschaft, die die Komplexität und Vielschichtigkeit queerer Identitäten ausblendet. Gerade trans Menschen wird das Leben oft unnötig schwer gemacht, wenn die Prozeduren für die Änderung des Vornamens und Geschlechts kompliziert sind. Formulare, bei denen als Anrede nur „Herr“ oder „Frau“ ausgewählt werden kann, sind ein deutliches Zeichen, dass das Regenbogenmarketing nicht-binäre Menschen überhaupt nicht mitdenkt.

„Dublin Pride 2016 Parade – Dublin, Ireland – Documentary photography“ by Giuseppe Milo (www.pixael.com), CC BY 2.0

Manche Firmen zeigen zumindest ein klein wenig gesellschaftliches Engagement und spenden einen Teil der Erlöse, die sie beispielsweise mit Pride-Kollektionen machen, an LGBTIQA-Organisationen. Die Erste Bank Österreich hat zur Pride 2022 eine Aktion, bei der sie für jedes Social-Media-Posting mit einem Foto „ihrer“ Pride-Tram fünf Euro an Queerbase, einen Verein, der queere Geflüchtete unterstützt, spendet.

Diversität ist wichtig und 
Liebe ist Liebe

Wie sieht das bei der Luxembourg Pride aus? „Von den 275.000 Euro, die die Pride kostet, kommen etwa 53.500, also 19 Prozent, von Sponsoren“, erklärt Laurent Boquet, der Kassenwart von Rosa Lëtzebuerg, der woxx. Ein Großteil der Kosten werde über das Esch2022-Budget von frEsch und der Stadt Esch getragen. Man arbeite einerseits mit Firmen zusammen, die man schon lange kenne und anfrage, andererseits aber auch mit solchen, die auf die Pride zukämen. „Pinkwashing ist für uns ein großes Thema und wir nehmen potenzielle Sponsoren und Partner immer genauer unter die Lupe“, so Boquet weiter. Bisher habe man niemanden als Sponsor ausgeschlossen, potenzielle Standbetreiber hätten aber schon Absagen bekommen. In einigen Firmen, wie etwa Luxair oder Elvinger&Hoss, halten die Freiwilligen von Rosa Lëtzebuerg Workshops, um Mitarbeiter*innen zu schulen. „Wir haben riesiges Glück mit unseren Sponsoren, denen wirklich etwas an der Sache liegt – zumindest den Menschen, mit denen wir Kontakt haben.“ In den USA wurden Deloitte und Amazon, beides Sponsoren der Luxembourg Pride, dafür kritisiert, trotz Regenbogenmarketings an LGBTIQA-feindliche Politiker*innen gespendet zu haben.

Die woxx hat bei den Sponsoren der Luxembourg Pride nachgefragt, was ihre Motivationen sind, wie unkompliziert Namensänderungen für trans Mitarbeiter*innen und Kund*innen sind und wie sie mit Hassrede auf sozialen Netzwerken umgehen. Die meisten Firmen haben noch nicht geantwortet oder aber rückgemeldet, die wegen des Feiertages kurze Deadline nicht einhalten können. Der Spuerkeess sei Diversität wichtig, deswegen unterstütze man die Pride seit den 2000er-Jahren, so Pressesprecherin Thorunn Egilsdottir. „Wir reagieren auf negative Kommentare. 2021 ist eine Antwort unseres Community Managers auf einen Hasskommentar viral gegangen.“ Auf Nachfrage hin versichert Egilsdottir, dass es für trans Personen möglich sei, ihren Vornamen bei der Bank zu ändern.

Der Energiekonzern Encevo hat ein „Diversity & Inclusion“-Komitee, das auch für die Antidiskriminierungsarbeit im LGBTIQA-Bereich verantwortlich ist. „Wir klären alle Angestellten über unbewusste Vorurteile auf“, so ein Sprecher der Firma. Für trans Mitarbeiter*innen sei es einfach, den Geschlechtsmarker zu ändern, aber für die Namensänderung müssten sie auf den neuen Personalausweis warten. Auch für Kund*innen sei dies einfach online möglich, Verträge müssten dann jedoch neu unterzeichnet werden. Bei Stellenausschreibungen spricht das Unternehmen gezielt auch nicht-binäre Personen an, außerdem soll im Juli ein neues internes System online gehen, in dem neben männlich und weiblich eine dritte Option vorgesehen ist.

„Es ist keine Wahl. Es ist so, wie wir gebaut sind.“ Mit diesem Slogan warb Subaru in den 1990er-Jahren um die Gunst lesbischer Käuferinnen. (Foto: Subaru)

Queere Mitarbeiter*innen-Gruppen spielen eine wichtige Rolle in der Anerkennung von LGBTIQA-Rechten innerhalb von Unternehmen. PWC Luxemburg hat laut eigenen Angaben „seit einigen Jahren eine sehr aktive Gruppe“. Bei Deloitte Luxemburg gibt es ebenfalls eine Gruppe für „die LGBT Community und ihre Allies“. Einerseits üben solche Gruppen Druck auf die Firmen aus, damit diese LGBTIQA-freundlicher auftreten und Einfluss auf die Politik nehmen. Andererseits dienen sie auch dem Marketing und helfen der Firma, sich als inklusiver Arbeitgeber zu präsentieren.

Fortschritt nur durch organisierte Arbeiter*innen

Wie diese Gruppen genau organisiert sind, ist von Firma zu Firma unterschiedlich: Die Palette reicht von radikalen Kleingruppen über gewerkschaftlich organisierte bis hin zu solchen, die vom Management eingesetzt werden. Die Forscher Rod Githens und Steven Aragon haben diese unterschiedlichen Formen untersucht und ein Dilemma der Mitarbeiter*innen festgestellt: „Insider-Aktivisten geraten manchmal in eine unangenehme Lage. Obwohl sie sich in der Regel mit ihren Arbeitgebern identifizieren und aufrichtig den Erfolg ihrer Organisationen wünschen, identifizieren sie sich auch auf einer tiefen Ebene mit ihrer aktivistischen Sache“, schreiben sie. Diese Gruppen sind oft informell entstanden und wurden später vom Management anerkannt. Sie dienen der Vernetzung, aber auch der Interessensvertretung. Beispielsweise war die Frage, ob gleichgeschlechtliche Partner*innen unter die Unternehmens-Krankenversicherung fallen, enorm wichtig.

Die Existenz von LGBTIQA-Gruppen innerhalb von Firmen ist ein Faktor, der dazu beiträgt, dass Firmen sich positiv zu queeren Themen äußern. Das ist das Resultat einer weiteren Studie aus den USA, die 2020 von Cory Maks-Solomon und Josiah Mark Drewry durchgeführt wurde. In 70 Prozent der Fälle handelt es sich um Marketing, die anderen 30 Prozent sind gezielte Lobby-Aktivitäten für die Rechte queerer Menschen. Firmen, die Wägen auf Pride-Paraden sponsern, sind stärker dazu geneigt, sich für LGBTIQA-Rechte einzusetzen. Den größten Einfluss haben laut den Forschern jedoch die internen Gruppen. Damit zeigt sich, dass Firmen sich vor allem dann bewegen, wenn ihre Angestellten und Arbeiter*innen sich organisieren – ob für queere Rechte oder andere Themen. Der gesellschaftliche Fortschritt kommt nicht mit, sondern trotz des Kapitalismus.


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