Indem das „Luxemburger Wort“ die Veröffentlichung des Schockmel-Gastbeitrags in den eigenen Spalten verteidigt, sendet es ein fatales Signal: Dass man Frauenfeindlichkeit einfach durchwinken kann, solange sie als Meinung getarnt ist.

(© Brotin Biswas/Pexels)
Die Rechtfertigung dafür, dass das „Luxemburger Wort“ den Gastbeitrag des DP-Abgeordneten Gérard Schockmel veröffentlicht hat, stützt sich auf zwei haltlosen Befürchtungen. Erstens: Dem DP-Abgeordneten solle der Mund verboten werden. Zweitens: Dem „Luxemburger Wort“ werde vorgeschrieben, welche Texte es veröffentlichen darf. Beide Unterstellungen lenken vom Kern der Kritik an Schockmels Aussagen ab.
Die entscheidende Frage lautet: Warum hat die größte Tageszeitung Luxemburgs einem frauenfeindlichen Beitrag ohne Kontext und Widerrede eine prominente Plattform geboten? Kritik an redaktionellen Entscheidungen ist ein zentraler Bestandteil demokratischer Debatten. Wer fordert, dass ein Medium wie das „Luxemburger Wort“ bestimmte Texte nicht abdruckt, greift damit nicht die Pressefreiheit an, sondern macht von der eigenen Meinungsfreiheit Gebrauch, um journalistische Verantwortung einzufordern.
Von Gastbeiträgen erhofft man sich neue Perspektiven, Einsichten, Denkanstöße. Was Schockmel jedoch am 11. Oktober im „Luxemburger Wort“ zu Papier brachte, war nichts davon. Es ist ein ressentimentgeladener Text, der nicht nur antifeministisch, sondern klar frauenfeindlich argumentiert. Wer diesen Beitrag dennoch als legitimen Teil des Meinungsspektrums verteidigt, verkennt die ideologische Grundhaltung Schockmels: Der Feminismus, so wie er heute existiert, soll verschwinden. Genau deshalb ist die Behauptung, es handle sich hier lediglich um eine „unbequeme Meinung“, so gefährlich. Schockmel geht es nicht um Auseinandersetzung, sondern um das Ausschließen feministischer Positionen aus dem Diskurs. Wenn aber alles, was legal geäußert werden kann, eine Plattform in der Presse bekommen darf, wozu braucht es dann noch journalistische Auswahl?
Genau darin zeigt sich die gestalterische Macht von Medien: Sie filtern, gewichten, setzen Themen und gestalten öffentliche Debatten aktiv mit. Wer Gastbeiträge auswählt, trifft bewusste Entscheidungen. Auf dem begrenzten Raum einer Meinungsseite bedeutet Auswahl immer auch Legitimation. Wer berechtigte Kritik daran reflexhaft als „Angriff auf die Pressefreiheit“ abtut, positioniert Medien außerhalb des demokratischen Diskurses.
Wenn alles, was geäußert werden kann, eine Plattform in der Presse bekommen darf, wozu braucht es dann noch journalistische Auswahl?
Manche verteidigen den Abdruck mit dem Hinweis, der „Code de déontologie“ schreibe nicht vor, Meinungsbeiträge müssten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden – und genau deshalb sei die Veröffentlichung solcher Texte zulässig. Das ist formal zwar korrekt, inhaltlich jedoch verkürzt. Der „Code de déontologie“ ist ein wichtiger Referenzrahmen, aber er ist nicht das Ende medienethischer Debatten, sondern deren Ausgangspunkt. Ein seriöses Medium sollte sich nicht fragen: „Was dürfen wir gerade noch machen?“, sondern: „Was ist verantwortlich? Was stärkt eine demokratische Öffentlichkeit?“
Ebenso bedenklich ist der Verweis auf die Urteilskraft der Leser*innen: Diese seien „intelligent genug“, Schockmels Aussagen richtig einzuordnen. Damit wird ignoriert, wie stark Sprache, Kontextualisierung und Plattform Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen. Genau deshalb gibt es Presseethik, genau deshalb gibt es redaktionelle Auswahl – und genau deshalb ist eine Chefredaktion kein neutraler Verwaltungsjob, sondern eine publizistische Leitungsfunktion mit ethischem Anspruch. Wer sich darauf beschränkt, Inhalte ungefiltert weiterzureichen, degradiert das eigene Presseorgan zum bloßen Übertragungsriemen.
Dass ausgerechnet Gérard Schockmel – ein Abgeordneter mit reichlich Zugang zur Öffentlichkeit – eine Plattform im „Luxemburger Wort“ erhält, hat wenig mit Pluralismus zu tun, aber mit viel mit kalkulierter Provokation. Es ging nicht darum, eine bisher vernachlässigte Perspektive sichtbar zu machen, sondern darum, mit einer gegen die Mehrheitsmeinung seiner eigenen Fraktion gerichteten Polemik Aufmerksamkeit zu erzeugen.
In einer demokratischen Medienlandschaft sollte die Presse Raum schaffen für jene Stimmen, die nicht schon per Amt, Mandat oder Stellung gehört werden. Das schließt kontroverse Positionen nicht aus, verlangt aber eine sorgfältige Abwägung: Wer spricht? Mit welcher Absicht? Und zu welchem Zweck? Kontroverse allein ist kein journalistischer Wert. Entscheidend ist, worin die Kontroverse besteht. Kritik an einer Steuerreform? Kontrovers. Die Gleichsetzung von Feminismus mit Männerhass? Keine Kontroverse – sondern ein Rückfall in reaktionäre Denkmuster.

