Eine Umfrage zur öffentlichen Meinung über die Klimakrise in Luxemburg zeigt: Die Mehrheit befürwortet Klimaschutzmaßnahmen, will aber nicht für die Kosten aufkommen. Bessere Kommunikation und finanzielle Unterstützung seien nötig, so das Observatoire de la politique climatique, Auftraggeber der Studie.

Zwei Klimaaktivist*innen auf dem diesjährigen Marsch zum Tag der Erde. Trotz Anschein steht hinter der lauten Minderheit eine stille Mehrheit: Laut Umfrage des OPC denken ganze 83 Prozent der hiesigen Bevölkerung, Klimaschutz sei „dringend“. (© María Elorza Saralegui/woxx)
Wie stehen Sie zu der Einführung von Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase? Sind diese dringend? Wenn Sie letztere Frage mit einem „Ja“ beantwortet haben, gehören Sie zu einer Mehrheit – in Luxemburg, aber auch in den meisten Ländern der Welt. Seit einigen Jahren finden eine steigende Anzahl von Studien und Umfragen einen Konsens zu der Klimakrise und entsprechenden Maßnahmen für den Klimaschutz. In Luxemburg hat das Observatoire de la politique climatique (OPC) eine erste Studie zur Meinung über die Klimakrise der hiesigen Bevölkerung durchgeführt und am 19. Mai die Ergebnisse ihrer Umfrage im Rahmen einer Diskussionsrunde in der Abtei Neumünster vorgestellt. Mit dabei waren neben den Mitgliedern des OPC die Abgeordneten Franz Fayot (LSAP) und Paul Galles (CSV), die Seite an Seite mit Natasha Lepage, Vertreterin der „Luxembourg Climate Youth“ und Nancy Thomas, Direktorin des Vereins Inspiring More Sustainability (IMS) saßen. Eröffnet wurde die Konferenz von Umweltminister Serge Wilmes (CSV). Der bliebt jedoch nicht lange, da er anderen Verpflichtungen nachkommen musste. Von den größeren Umweltschutz-NGOs waren keine Sprecher*innen eingeladen.
„Was denkt und weiß die Öffentlichkeit über die Klimakrise?“, so die Ausgangsfrage der OPC-Wissenschaftler*innen. Um dem nachzugehen, befragte das Observatoire zwischen September und Oktober des vergangenen Jahres insgesamt 6.465 Einwohner*innen Luxemburgs (davon 2.505 unter 21-jährige). Fazit des Berichts: „Die Ergebnisse zeigen einen starken Konsens unter den Befragten hinsichtlich der Realität und Dringlichkeit des Klimawandels.“ Rund 88 Prozent der befragten Erwachsenen in Luxemburg gaben an, dass ihnen Klima- und Umweltfragen „wichtig“, beziehungsweise „sehr wichtig“ sind. 83 Prozent sind laut Studie der Meinung, dass Maßnahmen zur Verlangsamung der Klimakrise dringend seien. Sind diese Prozentsätze bei der jüngeren Bevölkerung – überraschenderweise – etwas niedriger, so reihen sich die Ergebnisse in die internationaler Studien mit den Bevölkerungen aus Frankreich, Russland, aber auch Brasilien oder Laos ein.
Doch „die Bevölkerung ist sich im Allgemeinen nicht bewusst, dass sie Teil einer schweigenden Mehrheit ist, die sich einig ist, dass der Klimawandel ein wichtiges Thema ist und dringende Maßnahmen erfordert“, so Claire Dupont, Wissenschaftlerin auf der Universität Gent und Mitglied des OPC bei der Vorstellung der Studie. Sich dieser Mehrheit bewusst zu werden sei von enormer Wichtigkeit, so Dupont weiter, sonst komme es zu einer Spirale des Schweigens rund um mehr Klimaschutz. Besonders bei jüngeren Leuten führe der Mangel an Wissen schnell zu einem Gefühl der Überwältigung, kommentierte die Aktivistin Natasha Lepage die Zahlen.
Unterschätzte Mehrheit
Die Ergebnisse zeigen zudem, wie die Klimakrise die Gesellschaft ungleich trifft und beschäftigt. So sorgen sich Personen mit einem Monatseinkommen von weniger als 2.000 Euro am meisten über die Folgen der steigenden Temperaturen auf die Arbeit – ein Ergebnis, das sich dem 2024 erschienen Bericht „People’s Climate Vote“ nach gleichermaßen in ärmeren Staaten widerspiegelt.
Dennoch gibt es verglichen mit internationalen Studien einen merklichen Unterschied: Fordern weltweit zwischen 80 und 89 Prozent der Bevölkerung stärkeres Handeln Klimamaßnahmen vonseiten der nationalen Regierungen, liegt in Luxemburg die Zahl bei knapp 65 Prozent – eine Mehrheit, die eine 2023 im Auftrag der Umweltschutz-NGO Mouvement écologique durchgeführte Umfrage schon feststellte. Im Vergleich mit anderen Ländern ist sie jedoch mindestens 15 Prozentpunkte niedriger. Dafür steigt die Anzahl der Befürworter*innen an, wenn es um die Verantwortung der EU und von Unternehmen geht. Hier sind 72 und ganze 84 Prozent der Befragten der Meinung, dass diese mehr für den Klimaschutz machen sollten.
Auf individueller Ebene sind sich 57 Prozent einig, dass die Klimakrise nicht den jüngeren Generationen überlassen werden soll, und ganze 72 Prozent der Befragten geben an, entweder ihr Verhalten ändern zu wollen oder schon anders zu handeln, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Auch dieses Ergebnis ist von hoher Bedeutung, denn es gibt eine Art von sozialem Druck, der dazu führt, dass auch Einzelpersonen stärkere Klimamaßnahmen nehmen. So zeigte etwa ein Experiment in den Vereinigten Staaten, dass eine Person mehr Geld für Klimaschutz ausgebe, wenn sie wisse, dass die Mehrheit der Bevölkerung dies unterstütze.
Weltweit unterschätzen jedoch die meisten, wie viele ihrer Mitmenschen bereit für eine Verhaltensänderung seien. In Luxemburg selbst zweifele laut einer Ende April von der NGO „Cell“ veröffentlichten Studie ganze 53 Prozent der Bevölkerung an, dass die Mehrheit dazu bereit sei, ihren Konsum zu reduzieren. Diese Unterschätzung stelle eine „Bremse“ dar und entspreche gar nicht der Realität, so Cell-Projektleiter Léonard Andersen. In Wirklichkeit befürworteten nämlich ganze 79 Prozent der Einwohner*innen Luxemburgs die notwendige Verringerung des Energieverbrauchs und anderer Ressourcen (woxx 1835).
Mit dem SUV zu Naturata

(© María Elorza Saralegui/woxx)
Geht es um den eigenen Geldbeutel, ist die Bereitschaft zum Klimaschutz allerdings viel kleiner. So sinkt in der OPC-Umfrage die Anzahl der Befürworter*innen drastisch, wenn es darum geht, zusätzliches Geld für Klimaschutz auszugeben. Nur 13 Prozent erklärte sich persönlich dazu bereit, kostenaufwendigere Maßnahmen umzusetzen. Ob sich hierbei Differenzen zwischen sozial schwachen und stärkeren Haushalten finden, müsse noch analysiert werden, antwortete eine Sprecherin des Observatoire auf Nachfrage der woxx. Die Diskrepanz zwischen einer Mehrheit, die mehr Klimaschutz fordert und der Minderheit, die zusätzlich dazu bereit wäre, finanziell dafür aufzukommen, sei jedoch ein Anzeichen der hohen finanziellen Belastung der Haushalte, sagte die Wissenschaftlerin Claire Dupont. Die Frage, die sich die Politik deshalb stellen müsste, sei: „Wie können wir sicherstellen, dass Klimaschutzmaßnahmen einfach umzusetzen sind?“ Umweltminister Serge Wilmes war zu dem Zeitpunkt, in dem die Frage gestellt wurde, schon weg.
Einfach wird die Umsetzung nicht, wie auch ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt. Obschon das Nutzen des öffentlichsten Transports einer LIST-Studie nach als effektivste Maßnahme gegen die Klimakrise gilt, zieht die Luxemburger Bevölkerung das Auto vor: Für rund zwei Drittel der Befragten sei es das Hauptverkehrsmittel – und nur 12 Prozent fahren mit einem Elektroauto. Der Einfluss des Einkommens ist laut OPC-Analyse ein entscheidender Faktor: Demnach nehmen vor allem Menschen, die mehr als 6.000 Euro im Monat verdienen hauptsächlich das Auto (70 Prozent), während jene, die mit einem monatlichen Einkommen von 1.250 Euro auskommen müssen, meist den öffentlichen Transport nutzen (52 Prozent). Trotz dieses Resultats geben Besserverdienende auch eher an, einen klimafreundlichen Lebensstil adoptiert zu haben. Genauere Analysen dazu müssten noch durchgeführt werden, doch könnte dies einerseits durch die finanziellen Hürden bei der Umsetzung von Maßnahmen erklärbar sein – andererseits aber auch durch eine falsche Einschätzung „klimafreundlichen“ Handelns.
Denn überraschenderweise findet die OPC-Studie eine „auffallende Lücke im Verständnis der Wirksamkeit verschiedener Klimaschutzmaßnahmen“, so Dupont. Befragte würden den positiven Impakt öffentlicher Verkehrsmittel, Hausisolierungen, Elektrofahrzeugen und vegetarischer Ernährung – laut List-Studie vier der effektivsten Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen in Luxemburg – stark unterschätzen. Die Wirkung von Recycling, dem Kauf regionaler Lebensmittel oder dem Pflanzen eines Baums werde dagegen regelmäßig überschätzt. Es scheine deshalb „eine Diskrepanz zwischen der Besorgnis für das Klima und dem Verständnis für die Lösungen“ zu geben, interpretierte Dupont. Gleichzeitig könnte dies dem Bericht des Observatoire nach „zum Teil erklären, warum so viele Menschen bereit sind, ihren Lebensstil zu ändern, aber nicht bereit sind, kostspielige Maßnahmen zu unterstützen: Sie glauben vielleicht, dass kostenlose oder kostengünstige Lösungen ausreichen, um den Klimawandel zu bekämpfen“.
Bildung und lösungsorientierte Kommunikation
Das OPC schlägt der Regierung deswegen zusätzliche und bessere Kommunikationskampagnen vor, die auf effektive Lösungen zielen. Gerade lösungsorientierte Begriffe wie „Kohlenstoffspeicher“ oder „just transition“ seien den meisten Befragten kein Begriff. Die Erkenntnisse aus der Umfrage deuteten auf Bildungs- und Kommunikationslücken hin. Hier müssten Regierung, Medien und Schulen nachziehen, so das Observatoire. Über die Hälfte der unter 21-Jährigen (51 Prozent) gaben in der Umfrage an, sich wenig oder gar nicht dazu dazu bereit zu fühlen, die Klimakrise anzugehen. „Das Gefühl der Ohnmacht ist in luxemburgischen Schulen verbreitet“, ergänzte Lepage während der Konferenz. Global gesehen wünschen sich 80 Prozent der Bevölkerung mehr Klimabildung in den Schulen. Lehrer*innen müssten demnach in der Thematik ausgebildet und bei der Umsetzung von Projekten zu Klimakrise und -maßnahmen stärker unterstützt werden.
Zudem müsste in Luxemburg die Abhängigkeit von Benzin und Diesel und dessen Verkauf angegangen werden. Ansonsten könnten die im nationalen Klima- und Energieplan versprochenen Ziele nicht erreicht werden, so der Bericht des OPC. Hier müsse der von der Regierung angekündigte „soziale Klimaplan“ nachhelfen (siehe Kasten). Maßnahmen, die Direktverbindungen mit dem öffentlichen Transport, kürzere Fahrtzeiten und Takte sowie verbesserte und zusätzliche Fahrradwege priorisieren, sollten in diesem Plan vorgesehen werden. Die Kosten dürften dabei nicht auf Individuen fallen, fügte Dupont hinzu. Dem pflichtete Franz Fayot bei: Besonders in Zeiten, in denen die Aufrüstung und Wettbewerbsfähigkeit großer Unternehmen priorisiert werden, sei eine „klare und kohärente“ Klimapolitik von enormer Wichtigkeit.
Ob das Umweltministerium den Vorschlägen der OPC nachkommen wird, ist zweifelhaft. In den vergangenen Monaten hat die CSV-DP-Koalition bestenfalls zu langsam, schlimmstenfalls sichtlich konträr zu Klima- und Umweltschutz gehandelt. Dies zeigen beispielsweise die mangelnde Positionierung des Außenministeriums zur Anerkennung des Menschenrechts auf eine gesunde Umwelt (woxx 1837), die geplante Reform des Naturschutzgesetzes des Umweltministeriums (woxx 1827) oder Friedens angekündigte Unterstützung des Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mercosur – ein Abkommen, das sowohl hiesige als auch südamerikanische Kleinlandwirt*innen der Konkurrenz multinationaler Agrar-Konzerne ausliefert (woxx 1816). Dies, obwohl die EU-Mitgliedstaaten laut der unabhängigen Plattform Climate Action Tracker keine ausreichenden Klimamaßnahmen ergreifen: „Würden alle Länder dem Ansatz der EU folgen, würde die Erwärmung über zwei und bis zu drei Grad Celsius betragen“, so die Plattform in ihrer Analyse der bisher von der EU geplanten und umgesetzten Klimamaßnahmen.
Dabei zeigen Umfragen und Studien wie die des OPC, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ein Handeln von Regierungen und Unternehmen fordert und auch dazu bereit ist – sofern eine finanzielle Unterstützung gegeben ist –, selbst Maßnahmen umzusetzen. Wie viele der Teilnehmer*innen der OPC-Umfrage in Luxemburg das Wahlrecht haben, beziehungsweise, wie sie zu der CSV-DP-Regierung stehen, weiß das OPC noch nicht. Diesen Fragen wolle man in einer zweiten Phase genauer nachgehen, so eine Sprecherin der OPC gegenüber der woxx. Welche Details die weitere Analyse der Umfrageergebnisse auch noch herauskitzeln werden wird, eins steht bereits fest: Die Mehrheit der Welt- sowie auch der Luxemburger Bevölkerung ist sich eins, welcher Kurs einzuschlagen ist.
Dieser Artikel ist Teil des „The 89 Percent Project“, eine Initiative des weltweiten journalistischen Kollektivs „Covering Climate Now“. Ein Dutzend Medien berichten im Vorfeld des 30. internationalen Klimagipfels zu der Mehrheit, die mehr Klimaschutz fordert. Mehr Informationen: www.the89percentproject.com
Im Interesse der Öffentlichkeit
In seiner Rede zur Eröffnung der Konferenz des OPC gab sich Serge Wilmes (CSV) überzeugt: „Es ist die Aufgabe der Regierung den Klimaschutz voranzutreiben.“ Als Beispiel für die angeblich fortschrittliche Klimapolitik der Regierung gab der Umweltminister den sozialen Klimaplan an, der „niemanden im Stich lassen werde“. Keine neue Maßnahme dürfte Ungleichheiten verstärken. Dafür sei der soziale Klimaplan „der richtige Ansatz“, pflichtete Parteikollege Paul Galles dem Minister bei. Konkrete Details zum Plan gab es keine, nur, dass er „einkommensbasiert“ sein soll. Der woxx gegenüber gab eine Sprecherin des Umweltministeriums an, der Klimasozialplan werde ein Paket von Maßnahmen werden, um die soziale Gerechtigkeit mit der „Klimatransition“ zu verbinden und benachteiligte Gruppen zu unterstützen. Auf Nachfrage der woxx, inwiefern der Plan auch ältere Teile der Bevölkerung und Personen ohne festen Wohnsitze einbegreifen würde, antwortete das Umweltministerium, für die ältere Bevölkerung seien vor allem Maßnahmen zur Energieeffizienz von Gebäuden vorgesehen. Die von der EU-Kommission angegebene Frist zur Veröffentlichung des Plans läuft bis zum 30. Juni.