Menstruationsurlaub: Eine international geführte Debatte

In Luxemburg mag die Diskussion rund um den sogenannten Menstruationsurlaub erst in den letzten Wochen aufgeflammt sein, international wird sie jedoch schon lange geführt. Ein Überblick.

Foto: Cliff Booth/pexels.com

In den sozialen Netzwerken erhielten die Pressenachrichten zur Petition, die den Menstruations-
urlaub fordert, hunderte von Kommentaren, Likes und Tränen-lach-Emojis. Es haben nicht nur viele Menschen eine starke Meinung zu dem Thema, es polarisiert offensichtlich auch – und das nicht nur entlang von Geschlechtergrenzen.

Während die Debatte in Luxemburg erst aufgrund der Petition an Fahrt gewann, steht das Thema in anderen Ländern schon länger im Fokus. Erstmals historisch dokumentiert wurde der „menstrual leave“ in der Sowjetunion der 1920er-Jahre. Im Bestreben, die hohe Arbeitslosenquote unter Frauen zu bekämpfen, wurden in einigen Produktionszweigen bei Regelschmerzen Freitage gestattet. Nach fünf Jahren forderten die Betroffenen die Regelung wieder abzuschaffen: Sie hatte zu einer zusätzlichen Benachteiligung geführt, da die Arbeiterinnen als weniger zuverlässig als die Arbeiter gebrandtmarkt wurden.

Zu dieser Zeit forderten auch erstmals junge Fabrikarbeiterinnen im ostasiatischen Raum Menstruations
urlaub. Das erste entsprechende Gesetz trat 1947 in Japan in Kraft: Laut diesem dürfen Arbeiter*innen während ihrer Menstruation Freitage beanspruchen, die Anzahl der Tage wird offengelassen. Anders sieht es dagegen in einem indonesischen Gesetz aus: Darin ist festgehalten, dass der Menstruationsurlaub bis zu zwei Tage pro Monat andauern darf. In Taiwan sind es laut einem 2014 verabschiedeten Gesetz sogar drei Tage. Eine noch etwas andere Regelung gilt seit 2001 in Südkorea: Dort haben Arbeiter*innen die Wahl, ob sie sich während ihrer Menstruation freinehmen oder eine höhere Entlohnung beantragen. In Vietnam dürfen Fabrikarbeiter*innen in den drei ersten Tagen ihrer Menstruation 30 zusätzliche Minuten pro Tag Pause machen. Weitere Länder mit gesetzlich verankertem Menstruationsurlaub sind das afrikanische Land Zambia und vereinzelte chinesische Provinzen. Die Beispiele zeigen, dass die Maßnahme nicht unbedingt mit progressiver Geschlechterpolitik einhergeht. Daten des World Economic Forum deuten sogar auf einen Zusammenhang zwischen gesetzlich verankertem Menstruationsurlaub und extremen Geschlechterungleichheiten hin. Motiviert waren die Regelungen zum Teil durch den Glauben, Frauen seien weniger fruchtbar, wenn sie während ihrer Monatsblutung arbeiteten.

Die Nachfrage nach den Freitagen ist in diesen Ländern insgesamt recht niedrig. Einer der Gründe dürfte darin bestehen, dass sie nicht notwendigerweise entlohnt werden. Arbeitgeber*innen ignorieren die Gesetze zudem häufig – ab und zu jedoch mit negativen Konsequenzen: Im vergangenen April wurde ein ehemaliger Leiter der Asiana-Airline in Südkorea zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Grund: In den Jahren 2014 und 2015 hatte er 138 Anfragen auf Menstruationsurlaub abgelehnt.

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Privatwirtschaft prescht vor

In der restlichen Welt kam die Diskussion erst verstärkt in den letzten Jahren auf, entsprechende Gesetze gibt es abgesehen von den genannten Beispielen bisher jedoch nicht. 2013 forderte ein russischer Abgeordneter, den Menstruationsurlaub gesetzlich zu verankern, bekam jedoch nicht die Unterstützung der Regierung. 2017 legte die Demokratische Partei in Italien einen Gesetzesentwurf vor, der vorsah, Menschen, die unter starken, vom Arzt attestierten Regelschmerzen leiden, monatlich bis zu drei Freitage zu gewähren. Der Vorschlag wurde abgelehnt.

Öffentliche Diskussionen über den Menstruationsurlaub werden in vielen Fällen durch Privatunternehmen angestoßen. Weltweit verfügt mittlerweile eine Vielzahl an Konzernen über entsprechende Richtlinien. In der in Berlin und Los Angeles angesiedelten Firma „Your Super“ gelten flexible Tage für Menstruierende: Sie können sich entweder freinehmen, im Homeoffice arbeiten oder Meetings absagen, wenn sie Regelbeschwerden haben. Während davon auszugehen ist, dass die meisten Konzerne solche Richtlinien aus PR-Gründen einführen, machen andere deutlich, dass es ihnen um ein politisches Statement geht. So etwa der indische Essenslieferdienst Zomato. Seit vergangenem Sommer erlaubt er seinen menstruierenden Angestellten bis zu zehn freie bezahlte Tage im Jahr. „There shouldn’t be any shame or stigma attached to applying for a period leave. You should feel free to tell people on internal groups, or emails that you are on your period leave for the day“, ließ der Leiter, Deepinder Goya, die Öffentlichkeit auf der Zomato-Homepage wissen. In Indien werden Menschen während ihrer Monatsblutung auch heute noch stark stigmatisiert und diskriminiert. Die Ankündigung des Unternehmens stieß auf ebenso heftige Reaktionen wie eine Menstruationsurlaub fordernde Petition, die die indische Abgeordnete Shashi Tharoor am 8. März 2020 veröffentlichte.

Auch in Frankreich wurde vor Kurzem eine kontroverse Debatte über das Thema ausgelöst, als die Genossenschaft „La Collective“ am 1. Januar 2021 den Menstruationsurlaub einführte. Bei einer im März vom französischen Meinungsinstitut Ifop durchgeführten Umfrage gaben 68 Prozent an, Freistellung bei Regelbeschwerden zu befürworten. Am 28. Mai, dem Welttag der Menstruationshygiene kündigte eine weitere französische Firma an, Menstruierende mindestens 24 Stunden Urlaub pro Monat zu gewähren.

Ein solcher Domino-Effekt wird sich oftmals auch von Petitionen zum Thema erhofft. Ob dies auch in Luxemburg der Fall ist, wird sich wohl in den kommenden Monaten zeigen.


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