Österreich hat nun also eine Neuauflage von Schwarz-Blau als Regierung. Und sie sieht noch schlimmer aus als befürchtet.
Am vergangenen Montag war „Tag X“. Unter dieser Losung hatten sich linke Gruppen auf jenen Tag vorbereitet, an dem die neue österreichische Regierung unter der Führung von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache vereidigt werden würde. Laut den Veranstalter*innen demonstrierten am Montagmorgen rund 10.000 Menschen gegen die rechte Regierung. Das Ziel, dem neuen Kanzler und seinen Minister*innen den Weg in die Hofburg unmöglich zu machen, wurde nicht erreicht. 2000 hatten über 10.000 Menschen es geschafft, dass die damalige schwarz-blaue Regierung den Schauplatz der „Angelobung“ (Vereidigung) nur durch einen unterirdischen Gang erreichen konnte.
Dabei hätte das Regierungsprogramm genügenden Anlass zu Demonstrationen gegeben: Ein neues Mietrecht soll höhere Mieten ermöglichen, Arbeitszeiten sollen bis zu 12 Stunden am Tag dauern können, für die Arbeitslosen ist Gängelung nach einem Hartz IV-ähnlichen Modell geplant, Polizei und Militär sollen aufgerüstet, die Regeln für Flüchtlinge stark verschärft werden, und die deutschsprachigen Südtiroler*innen will man zusätzlich mit dem österreichischen Pass ausstatten.
Johann Gudenus, der die Fraktion der FPÖ im Parlament anführen soll, forderte am Montag im ORF, dass sämtliche Flüchtlinge, die in Wien in Wohnungen wohnen, ausquartiert werden. Sie sollen in „Lagern am Stadtrand“ untergebracht werden. Auch Sebastian Kurz, nunmehr der jüngste Regierungschef Europas, hatte schon während seiner Zeit als Außenminister ähnliche Vorstellungen geäußert. Die Asylanträge sind seit längerer Zeit stark rückläufig, aber die rassistischen Ressentiments der Wähler*innen wollen natürlich befriedigt werden.
Die „Österreichische Hoch- schüler*innenschaft“ (ÖH), die gesetzliche Vertretung aller Studierenden in Österreich, soll laut Regierungsprogramm auf ihre „Kernaufgaben“ zurückgestutzt werden. Als jemand, der seine ersten Schritte im Print-Journalismus beim „progress“, dem Magazin der ÖH gemacht hat, blutet dem Autor dieser Zeilen angesichts solcher Pläne das Herz. Nicht nur das „progress“, sondern auch viele andere Projekte der ÖH, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen, würden eingestampft werden. Der Regierung ist die ÖH ein Dorn im Auge, weil sie – übrigens durch Wahlen legitimierte – linke Politik betreibt. Auch dem ORF steht eine düstere Zukunft bevor.
Der öffentlich-rechtliche Auftrag soll laut Regierungsprogramm „genauer“ formuliert werden. Nachdem der Sender von FPÖ-Mitgliedern oftmals als „Rotfunk“ diffamiert wurde, ist damit zu rechnen, dass hier eine stärkere inhaltliche Kontrolle eingeführt werden soll. Die Verlautbarungspflichten der „Wiener Zeitung“, die sich im Besitz der Republik Österreich befindet, sollen ebenfalls fallen. Damit würde die wichtigste Geldquelle der ältesten Tageszeitung der Welt verschwinden. Nur einige wenige Beispiele dafür, wie die neue Regierung mit ihren Gegner*innen – oder wen sie dafür hält – umgehen wird. Der Kurs geht hart nach Rechts, es riecht nach Umbau der Alpenrepublik zu einer „illiberalen“ Demokratie, wie Viktor Orbán es nennen würde. Andere würden dazu ganz einfach „Faschismus“ sagen.
Die rassistischen Ressentiments der Wähler*innen wollen befriedigt werden
Auf jeden Fall „brennt der Hut“, was auf Österreichisch so viel heißt wie „Es ist dringend“. Es wäre nämlich dringend nötig, dass die EU nicht weiter zusieht und naiv den Lippenbekenntnissen der Regierung zur europäischen Idee glaubt, sondern rote Linien zieht. Mit Innen- und Verteidigungsministerium hat mit der FPÖ eine rechtsextreme Partei die gesamte Staatsgewalt von Polizei über Militär bis zu den Geheimdiensten in ihrer Hand. Die ÖVP gehört der größten Parteienfamilie Europas an, aber wenn sie in Österreich Rechtsextreme in Regierungsämtern zur Normalität werden lässt, schauen die Mitglieder der Schwesterparteien nur betreten weg. War der Protest in Wien am Montag deutlich kleiner als vor 17 Jahren, so ist er in Europa einfach nicht vorhanden. Eine Schande.