Parlament: Mehr Demokratie wagen

Die Rolle der Chamber als Bürger*innenvertretung aufwerten, das fordert der Mouvement écologique.

Foto: James_Stinger, Flickr, CC BY-NC 2_0

Als Willy Brandt im Oktober 1969 anlässlich seiner Antrittsrede als erster sozialdemokratischer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland seinen berühmten Aufruf „Mehr Demokratie wagen“ formulierte, war die Vorgängerorganisation des Mouvement écologique knapp ein Jahr alt. Die Aufbruchstimmung der „neuen sozialen Bewegungen“ sollte ihren Niederschlag auch in der täglichen Politik finden.

50 Jahre später ist es die nicht mehr ganz so junge Umweltgewerkschaft, die per Kommuniqué mehr Demokratie anmahnt. Sie nimmt dabei die Abgeordnetenkammer ins Visier, deren Rolle als Bürger*innenvertretung aufgewertet werden soll. Zwar habe es einige markante Verbesserungen gegeben – wie etwa die Ausweitung des Petitionsrechts oder die Organisation von Hearings unter Beteiligung der Zivilgesellschaft –, doch reiche das nicht aus, so der Méco. Auch die Aufstockung des Parlamentspersonals gehe noch nicht weit genug: Um sich aus der Abhängigkeit der Ministerialbürokratie zu befreien, müsste die Chamber auch über Fachkräfte verfügen, die bei der kritischen Auswertung der durch die Regierung eingebrachten Gesetzesvorschläge zuarbeiten könnten. Eine stärkere fachliche Kompetenz würde dem Parlament aber auch zu mehr gesetzgeberischer Eigeninitiative verhelfen.

Ein Dorn im Auge des Méco sind auch die Sitzungsberichte der Fachkommissionen des Parlamentes. Die werden oft mit einer wochenlangen Verzögerung publiziert. Weil sie nicht mehr einzelne Aussagen bestimmten Mitgliedern zuordnen, haben sie zudem an Bedeutung verloren. Dies auch zum Schaden der einzelnen Abgeordneten, da so nicht mehr sichtbar wird, wer sich in besonderer Weise in das eine oder andere Thema eingearbeitet hat.

Die Stellungnahme des Méco liest sich allerdings stellenweise auch als direkte Kritik an Blau-Rot-Grün: „In der vergangenen Legislaturperiode fand (im Gegensatz zu vorherigen) kein wirklicher Austausch von Kommissionen (zumindest bei Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen) mit Akteuren der Zivilgesellschaft statt. Sogar dann nicht, wenn diese fundierte Stellungnahmen zu Gesetzesprojekten erstellt hatten und entsprechend um einen Austausch baten.“

Diese Kritik dürften auch andere Organisationen teilen, die außerhalb des reinen Umwelt- oder Nachhaltigkeitsthemas operieren. So wurden etwa die Bedenken der Zivilgesellschaft bei der Ausformulierung des Referendums 2015 zum Ausländer*innenwahlrecht überhört. Auch so manche Maßnahme des im stillen Kämmerlein zusammengeschusterten „Zukunftspaks“ hatte für viele im sozialen und kulturellen Bereich tätigen Organisationen negative Auswirkungen, denen sie sich kaum entziehen konnten.

Zivilgesellschaft außen vor

Statt mehr auf die Zivilgesellschaft zu hören und sich mit deren Stellungnahmen zu befassen, sei die Chamber-Mehrheit zu sehr auf den Staatsrat und dessen Gutachten fixiert. Das lese sich, so der Méco, aus den Berichten zu den einzelnen Gesetzesvorschlägen heraus, in denen von den Berichterstatter*innen kaum noch auf Fachgutachten verwiesen wird.

Die Ausweitung des Petitionsrechts wird ausdrücklich begrüßt, doch sei es kein Ersatz für die „initiative populaire“, also die Möglichkeit eines Gesetzgebungsverfahrens direkt aus der Bevölkerung heraus. Die Chamber listet zwar fleißig die Ergebnisse der Petitionen auf, reicht diese aber einfach an die Regierung durch ohne sie selber zu bewerten. Es gebe auch kein Verfahren, um auszuwerten, was denn nun mit den einzelnen Vorschlägen passiere. Auch die öffentlichen Hearings seien verbesserungsfähig: Es sollte zu einem „Instrument zum reellen Austausch an Argumenten“ werden, statt zur Aneinanderreihung einzelner Statements.

Schließlich knöpft der Méco sich auch die Rolle der einzelnen Abgeordneten vor und mahnt die oft versprochene Trennung von Schöffenrats- und Abgeordnetenmandat an. Abgeordnete*r sein sei schließlich ein Fulltimejob. Nur so könne eine wirkliche Emanzipation des Parlamentes von der Regierung erreicht und dem Eindruck „die Mehrheitsvertreter würden – im Sinne einer Koalitionsraison – Gesetzesprojekte der Regierung a priori gutheißen und nur noch eher marginale Abänderungen durchführen“ entgegengewirkt werden.


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