Serien-Empfehlung: Pose

Pose führt in die Ballroom Culture im Lower Manhattan der späten 1980er-Jahre ein. Die Lebenswege von trans und homosexuellen Menschen stehen im Mittelpunkt. Die Serie beginnt gut, mutiert dann aber zum absurden Musical.

Pose ist eine Serie über die Ballroom Culture: eine queere Subkultur, die in den 1920er-Jahren in den USA entstand. (Bildquelle: www.filmaffinity.com/us/filmimages.php?movie_id=515542/Fox Extended Network (FX))

Auf der Suche nach einem pompösen Party-Outfit? Ein Gang ins Museum lohnt sich: In einer der ersten Szenen der Serie lassen die Mitglieder des House of Abundance in einem Museum antike Kostüme mitgehen, um im Ballroom die Punktzahlen in die Höhe zu treiben. In den Ballrooms halten keine Paare Händchen oder schwingen sich gegenseitig übers Parkett. In Pose treten hier queere Menschen bei Tanz- und Modewettbewerben gegeneinander an. Die Serienmacher Ryan Murphy, Brad Falchuk und Steven Canals – Murphy und Falchuk stecken hinter den Serien Glee und American Horror Story – bringen das Publikum zurück in die späten 1980er-Jahre. Sie führen es in ein Stück queere Subkultur ein: die Ballroom Culture.

Die Tradition dieser Veranstaltungen reicht weit zurück. Die ersten Bälle fanden in den 1920er-Jahren in den USA statt. Sie bestanden anfangs aus Auftritten von Travestiekünstler*innen und entwickelten sich später zu einer Mischung aus Mode- und Tanzshow, bei der eine Jury die Teilnehmer*innen bewertet. Die Konkurrent*innen gehören unterschiedlichen Hausgemeinschaften oder Gruppierungen an, die eine Art Wahlfamilie sind. Die Ballroom Culture ist mehr als Show, und das setzen die Serienmacher in Pose in Szene.

In der Serie finden queere Menschen, die von ihren Familien verstoßen wurden, bei den älteren Ballroom-Gänger*innen Zuflucht. Die einzelnen Teams bilden Wohngemeinschaften. Die Gründer*innen der WGs werden Mutter genannt, die Bewohner*innen Kinder. Diese Benennungen spiegeln das intime Verhältnis zwischen den Charakteren.

Im Mittelpunkt von Pose steht Blanca, eine trans Frau. Sie verlässt nach einer tragischen Diagnose und andauernden Konflikten mit „Mutter“ Elektra das House of Abundance und gründet das House of Evangelista. Zu Blancas Kindern gehören unter anderem der ambitionierte, schwule Balletttänzer Damon und die trans Frau Angel, die zunächst als Sexarbeiterin tätig ist. Ein enger Freund des Hauses ist Pray Tell, der Veranstalter der Ballroom Wettbewerbe. Doch auch Mitglieder anderer Häuser, wie Elektra, spielen eine wichtige Rolle in der Serie.

Unter der glitzernden Fassade sind die Figuren fragile Persönlichkeiten, deren Lebensweg aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität von Hass, Gewalt und Abneigung geprägt ist. Die Serie thematisiert die Hürden, die insbesondere trans Menschen in den 1980er-Jahren – und darüber hinaus – überwinden mussten. Auch wenn Aids in der Serie allgegenwärtig ist, bleibt die Krankheit nicht das einzige Thema, das die Serienmacher interessiert. Sie gehen in die Tiefe.

Ein Handlungsstrang spricht über die ambivalente Erotisierung von trans Frauen durch heterosexuelle Männer, die ihnen gegenüber gleichzeitig Lust und Abscheu verspüren. Die Serie greift in dem Kontext auch die Ermordung von trans Menschen auf, die auf ihre Geschlechtsidentität zurückzuführen ist. An anderer Stelle geht es um geschlechtsangleichende Operationen oder um die finanziellen Notlagen von trans Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität in verschiedenen Teilen der Berufswelt schlecht Fuß fassen können. Hinzu kommt, dass die meisten Charaktere in Pose People of Color (PoC) sind – die Serienmacher weisen dementsprechend auch auf Mehrfachdiskriminierung hin. In einer Szene kommt ein weißer Mann bei einem Unfall in einem Sexclub zu Tode. Die einzige Zeugin ist eine Schwarze trans Frau. Sie scheut sich aus Angst vor Polizeigewalt und Folter hinter Gittern, die Autoritäten zu verständigen, und greift stattdessen lieber zu ungewöhnlichen Mitteln zur Leichenbeseitigung.

Ein authentische Besetzung – die Hauptrollen werden von trans und queeren Schauspieler*innen gespielt –, kulturelle Diversität, selten dargestellte Aspekte queerer Kultur: Pose macht vieles richtig, aber auch einiges falsch. In der ersten Staffel fehlt es an Hintergrundinformationen zu den Charakteren. Noch dazu ist vieles von dem, was passiert, leicht vorhersehbar und deswegen wenig reizvoll. Während man der ersten Staffel ihre Schwächen aufgrund ihrer thematischen Vielfalt verzeiht, lässt eine*n die zweite als Nicht-Musical-Fan frustriert zurück. Menschen fantasieren, es spukt und plötzlich entdeckt die Hälfte der Besetzung ihr Gesangstalent. Auch wenn Murphy und Falchuk für das viele Trällern bekannt sind – Pose wäre wunderbar ohne Musical-Einlagen ausgekommen. Die Wettbewerbe allein sind Ablenkung genug. Die zusätzlichen Showeinlagen reißen einen am Ende völlig aus der Handlung. Es bleibt abzuwarten, für welches Konzept sich die Serienmacher in der angekündigten dritten Staffel entscheiden – und welches Museum die Ballroom Tänzer*innen dann plündern.

Auf Netflix.

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