Souad Massi: Die weibliche Stimme Algeriens

Souad Massi gilt seit über 20 Jahren als die bedeutendste Liedermacherin Nordafrikas. Am 21. Januar stellt die Exil-Algerierin ihr neues Album im CAPE in Ettelbrück vor.

Souad Massi tritt nicht wie hier alleine mit Gitarre, sondern wird in Ettelbrück von ihrem Quartett begleitet. (Copyright: Yann Orhan)

Als Souad Massi, die 1972 in einem Vorort Algiers‘ geboren wurde, erste öffentliche musikalische Gehversuche unternimmt, ist das gesellschaftliche und kulturelle Klima in Algerien schon seit Langem von religiösen Fanatikern vergiftet. Einer der bedeutenden Vertreter der damals populären, rebellischen Rai-Musik, Cheb Hasni, wird 1994 umgebracht; andere, wie der Rai-Superstar Khaled, fliehen vor den Morddrohungen nach Europa. Zwar singt Souad Massi nicht den Rai, sondern bewegt sich zwischen arabischem Chaabi-Folk, Rock und Flamenco, aber eine Frau, die singt und Gitarre spielt, ist für Fundamentalisten ebenso unerträglich. Auch ihr droht man an, sie zu töten, und deshalb entscheidet sich Souad Massi 1999 nach einer Einladung zu einem Festival in Paris, ebendort zu bleiben, und beginnt eine erstaunliche Karriere.

Ihre ersten beiden CDs erhalten 2001 und 2003 in Frankreich Goldstatus. Die UN ernennt sie 2005 zur Botschafterin für Mikrokredite für Frauen, 2006 adelt sie die britische BBC mit dem World Music Award und ihre dritte Platte „Mesk Elil“ wird im Folgejahr das Weltmusikalbum des Jahres in Frankreich. Nach ihrem vierten Album „Ô Houria“ von 2010 wird es stiller um Souad Massi, aber 2020 dann kürt das britische Weltmusikmagazin Songlines ihre Veröffentlichung „Oumniya“ zum besten afrikanischen Album des Jahres. Ganz frisch auf dem Markt ist nun die CD „Sequana“. Auch dafür erhält sie beste Kritiken und erobert Spitzenpositionen in den führenden Weltmusikcharts.

Souad Massi ist eine sehr ernsthafte Musikerin und ihre Texte neigen zur Melancholie, wenngleich nicht ohne hoffnungsvolle Ausblicke. Ihre persönlichen Diskriminierungserfahrungen als Frau, Muslimin, Araberin und Exilantin schlagen sich in ihren Texten nieder. Die größeren politischen Zusammenhänge bleiben dabei aber nicht außen vor. So hat sie 2015 auf ihrem Album „El Mutakallimun“ Gedichte zeitgenössischer und historischer muslimischer Poeten verarbeitet, um die verbreitete Behauptung zu widerlegen, dass Hass und Intoleranz der Kern des Islam seien. Auch auf ihrem ganz frischen Album „Sequana“ bleiben die Texte Souad Massis, die mal auf Arabisch, mal auf Französisch gesungen werden, engagiert. Bei „Dessine-moi un pays“ geht es um Menschen, die wie sie selbst aus ihrer Heimat fliehen müssen. Im Titelstück „Sequana“, das den Namen einer Göttin der Heilung aus romanischer Zeit trägt, ermutigt sie ihre beiden Töchter, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Im Song „Victor“ geht es um das Thema Diktatur und sie erinnert an den chilenischen Liedermacher Victor Jara, der 1973 von den faschistischen Militärs gefoltert und dann ermordet wurde.

Ihre ersten musikalischen Erfahrungen sammelte sie in einer Flamenco-Gruppe und einer Rockband in Algerien. Weitere frühe Einflüsse waren der populäre algerische Chaabi-Stil und Country. Das kann man auch heute noch heraushören, wobei die arabische Prägung immer präsent bleibt. Seit ihrer ersten Platte singt sie sowohl nur von ihrer Gitarre begleitete Balladen als auch Lieder, die durch die Oud unüberhörbar in Nordafrika zu verorten sind, und immer wieder Stücke im Stil des Folk-Rock, mal mit indischer, mal mit brasilianischer Percussion. Das neue Album enthält durch den britischen Produzenten Justin Adams eine besondere moderne Note. Auf einigen Stücken begleitet er die berührende Alt-Stimme der Exil-Algerierin mit einer scharfen E-Gitarre. Im CAPE tritt Massi am 21. Januar mit ihrem Quartett auf und präsentiert schwerpunktmäßig ihre neue Platte.

Souad Massi, 21. Januar um 20 Uhr 
im Centre des arts pluriels Ettelbrück.


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