Trans Sportler*innen in Luxemburg
: Ratlosigkeit und Widersprüche


Während andernorts trans Personen der Zugang zum Profisport zunehmend erschwert wird, bleibt es in luxemburgischen Sportverbänden vorerst beim Status quo. Aber ist das Grund zur Freude?

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um in der Frauenkategorie antreten zu dürfen? Viele luxemburgische Sportverbände drücken sich zurzeit davor, diese Frage abschließend zu beantworten. (Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0 by Martin Rulsch)

Wer als trans Sportlerin bei Frauenwettbewerben starten will, muss sich auf schärfere Regeln gefasst machen. Das kündigten in den vergangenen Monaten mehrere internationale Sportverbände an. Es bleibt also nicht bei dem bislang üblichen Wert von maximal zehn Nanomol pro Liter Blut, den der Testosteronspiegel der Sportlerinnen während mindestens zwölf Monaten haben darf, damit sie in einem internationalen Wettbewerb antreten dürfen. Wie die Verschärfung genau aussieht, ist von Verband zu Verband unterschiedlich.

Vordergründig geht es um Fairness und Vergleichbarkeit. Wie in dieser Zeitung bereits verschiedentlich erläutert wurde (woxx 1640 und 1690), ist die Problematik aber eine zutiefst politische. Das sieht auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) so, der im Juni eine Regelung zum Spielrecht trans*, inter* und nicht-binärer Personen verabschiedete: Spieler*innen mit dem Personenstandseintrag „divers“ oder „ohne Angabe“ und Spieler*innen, die ihr Geschlecht haben angleichen lassen, sollen selbst die Entscheidung treffen dürfen, ob sie im Frauen- oder Männerteam trainieren möchten. „Die Wettbewerbsintegrität wird dadurch nicht gefährdet“, ist auf der Homepage des DFB zu lesen. „Schließlich haben alle Menschen unterschiedliche körperliche Stärken und Fähigkeiten, die nur gemeinsam im Team zum Erfolg führen, unabhängig vom Geschlecht.“

Ein Paradigmenwechsel ist das nicht für den DFB, vielmehr wird er damit seiner eigenen Satzung gerecht: Die Wertevermittlung im und durch den Fußballsport mittels Förderung von Vielfalt sowie die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung. Im Kontext der transfeindlichen Ankündigungen anderer Verbände liest sich die Regelung des DFB vor allem als Gegenstatement.

Abwartende Haltung

Luxemburgische Verbände hielten sich in dieser Debatte bisher auffallend zurück. Schlichtweg begrüßenswert ist das aber nicht. Zwar kündigten sie ihrerseits keine Verschärfungen an, Plädoyers für trans Rechte und Vielfalt im Sport blieben allerdings ebenfalls aus. Die woxx hat deshalb einige von ihnen nach ihrer Position befragt, sofern die Wettbewerbe dort nach Geschlecht organisiert sind.

Die Antworten der Ligue des associations sportives de l’enseignement primaire (Lasep), der Ligue des associations sportives estudiantines luxembourgeoises (Lasel), des Tischtennisverbands (FLTT) und des Badmintonverbands (Feluba) fallen kurz aus. Über Richtlinien für trans Sportlerinnen verfügen sie alle ebenso wenig wie über eine klare Position. Für die Lasep hat die Thematik keine Priorität, man sei sich aber bewusst, dass es sich um eine „delikate“ Frage handele, an der die Verbände wegen des steigenden gesellschaftlichen Drucks auf Dauer nicht vorbeikämen. Vorerst will man jedoch abwarten und „net virun de Won sprangen“.

Genau dieselbe Formulierung benutzt auch die FLTT: Als kleines Land wolle man sichergehen, im Einklang mit internationalen Richtlinien zu handeln. Man hoffe, dass das IOC (Internationale Olympische Komitee) oder die internationalen Sportverbände demnächst entsprechende Empfehlungen herausgeben. Auch die Feluba antwortete in diesem Sinne, mit dem ergänzenden Verweis, die Problematik in der nächsten Vorstandsversammlung diskutieren zu wollen.

Der Generalsekretär der Lasel seinerseits gibt an, sich mit dieser Frage noch nicht befasst zu haben, „well mer d’Situatioun bis elo nach net haten resp. nach keen sech beschwéiert huet an de Resultater an der falscher Katégorie ze stoen“. Man wisse allerdings von Fällen, in denen „Mädchen Jungen sein wollen“ und „Jungen Mädchen sein wollen“ und sich die Frage nach der passenden Umkleidekabine stelle. „Dat ass alles oft delikat a muss vu Fall zu Fall mat vill Fangerspëtzegefill behandelt ginn.“ Auf die Nachfrage der woxx, ob es nicht gerade deshalb wichtig sei, Richtlinien festzulegen, um Klarheit zu schaffen, wurde wiederholt, vorerst abwarten zu wollen.

Ein Verband, der sich bereits mehr mit dem Thema trans Sportlerinnen befasst hat, ist die Powerlifting & Weightlifting Federation Luxembourg (PWF). Man habe die geltenden Richtlinien nicht selbst ausgearbeitet, sondern sich an denjenigen des IOC orientiert, erklärt Präsident Gaston Parage gegenüber der woxx. Daher schreibt die PWF derzeit vor, dass in der Frauenkategorie der Maximalwert von zehn Nanomol Testosteron pro Liter Blut nicht überschritten werden dürfe. Anders als bei manch anderen Sportarten wirke sich Testosteron beim Gewichtheben stark auf die Leistung aus, rechtfertigt Palage diesen Wert. Während des Gesprächs verweist der Verbandschef immer wieder auf den World-Anti-Doping-Code, kurz Wada-Code, laut welchem die zulässigen Testosteronwerte für Männer und Frauen klar festgelegt sind. Erlaube man trans Sportlerinnen höhere Testosteronwerte als cis Frauen, wäre das nichts anderes als ersteren Doping zu gestatten, gibt er sich überzeugt. Cis Frauen zu diskriminieren, damit trans Frauen es nicht mehr sind, sei jedoch keine Option. Es sei derzeit nicht geplant, die betreffenden Bestimmungen anzupassen. Palage selbst sähe es am liebsten, trans Personen träten in einer spezifischen, dritten Kategorie gegeneinander an.

Die Fédération luxembourgeoise de gymnastique (FLGym) ihrerseits hat sich zur Ausarbeitung von Richtlinien für trans Sportlerinnen an denen des britischen Turnverbands orientiert, diese jedoch für den luxemburgischen Kontext umformuliert. Dabei hat sie sich eigenen Aussagen nach, von Spezialist*innen beraten lassen.

Das entsprechende neunseitige Dokument mit dem Titel „Politique et guidance de la FLGym sur l’inclusion de personnes trans dans la gymnastique“ beschreibt den allgemeinen Kontext der Richtlinie, enthält Begriffserklärungen und stellt Verantwortlichkeiten klar. Es wird Bezug genommen auf die luxemburgische Gesetzeslage: auf den Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Transgeschlechtlichkeit sowie auf das Recht auf Privatsphäre.

In Anlehnung an die Richtlinien des britischen Turnverbands hält die FLGym fest, Regelungen zum Ausschluss von trans Personen einzig in jenen Sportarten vorzusehen, in welchen das Geschlecht eine Rolle spiele. „Un sport est un sport affecté par le sexe si la force physique, l’endurance ou le physique de personnes moyennes du même sexe les désavantagent par rapport aux personnes moyennes de l’autre sexe en tant que compétiteurs dans des événements impliquant le sport.“ Es wird zudem darauf verwiesen, dass vor der Pubertät nur unwesentliche Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern bestünden. Für diejenigen, die die Pubertät bereits erreicht haben, übernimmt die FLGym den Richtwert von zehn Nanomol Testosteron pro Liter Blut.

Mit dem Dokument verfolgt die FLGym das Ziel, trans Personen nicht die Teilnahme an Turnwettbewerben zu verwehren. Die Inklusion von trans Personen werde unterstützt, sofern sie nicht das Ziel eines fairen Wettbewerbs gefährde. Beschränkungen limitierten sich auf solche, „qui peuvent être objectivement justifiées comme étant nécessaires et proportionnées à la réalisation de cet objectif.“ Auf der vierten Seite des Papiers spricht sich die FLGym zudem entschieden für Vielfalt und Inklusion im Turnsport und gegen Transfeindlichkeit aus, auf welche nötigenfalls mittels Disziplinarmaßnahmen reagiert werden müsse. Die in der FLGym assoziierten Vereine werden dazu aufgerufen, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Angebote möglichst transinklusiv zu gestalten.

Erstaunlicherweise verweist die FLGym in ihrem Dokument auf keine einzige wissenschaftliche Studie. Tatsächlich ist der Einfluss, der dem Hormon Testosteron hinsichtlich der sportlichen Leistung zugeschrieben wird, wissenschaftlich stark umstritten und variiert je nachdem, von welcher Sportart die Rede ist. Das von der FLGym angestrebte Ziel nach objektiv begründbaren biologischen Maßstäben ist daher eine Illusion. Vielfalt hochzuhalten, zugleich aber nur mit Befindlichkeiten zu argumentieren, ist nicht nur widersprüchlich: Wer so vorgeht wie die FLGym, handelt dogmatisch, nicht inklusionsfördernd.

Erratum: In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise von Studien die Rede, die eindeutige wissenschaftliche Evidenz dafür liefern, dass die Relation zwischen Testosteron und Leistungsfähigkeit Regulierungen rechtfertigt oder auch nicht. Tatsächlich ist es so, dass die existierenden Studien rund um Testosteron jeweils sehr spezifische Resultate liefern, die sich keinesfalls im Sinne allgemeingültiger Regeln pauschalisieren ließen.
Zudem beruhte die Feststellung, dass LASEL und FLGym vor Redaktionsschluss nicht auf eine Nachfrage der woxx geantwortet hatten, auf einem technischen Problem. Beide Verbände hatten reagiert, allerdings nur um ihre vorherigen Aussagen zu bekräftigen, zusätzliche Informationen lieferten sie keine.

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