UN-Plastikabkommen: Noch nicht eingetütet

Es geht in die heiße Phase: Dieser Tage wird im südkoreanischen Busan über ein internationales Plastikabkommen verhandelt. Wissenschaftler*innen fordern einen ambitionierten Text und Aktivist*innen beklagen die Anwesenheit vieler Lobbyist*innen.

Ein Berg von Plastikverpackungen

(Foto: Engin Akyurt/unsplash)

Eine „Once in a planet opportunity“ nannte Inger Andersen, Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), die Verhandlungen, die am vergangenen Montag in Busan begannen. Die Konferenz, die als fünftes Treffen des „Intergovernmental Nego- tiating Committee“ als INC-5 abgekürzt wird, geht auf eine Resolution der UN-Umweltversammlung im März 2022 zurück. Damals wurde beschlossen, ein internationales, rechtlich bindendes Instrument zu schaffen, um die weltweite Plastikverschmutzung einzudämmen. Die Position Luxemburgs und der EU ist dabei klar: Man will ein ambitioniertes Abkommen abschließen – doch will man auch dafür zahlen?

Bisher gestalteten sich die Verhandlungen äußerst zäh. Das offizielle Verhandlungsdokument enthielt nach der INC-4 in Ottawa weit über 3.000 eckige Klammern, die Textteile markieren, bei denen noch Gesprächsbedarf besteht. Verhandlungsleiter Luis Vayas Valdivieso hatte deswegen ein sogenanntes „Non-Paper“ als neue Grundlage vorgeschlagen. Gleich nach der Eröffnung wurde hitzig darüber diskutiert, welches der Dokumente denn nun als Grundlage dienen sollte – geeinigt wurde sich schlussendlich darauf, dass die Teilnehmer*innen auch Passagen aus dem alten Text in das „Non-Paper“ hinzufügen könnten. Diskussionen, die angesichts der Notwendigkeit, bis zum kommenden Sonntag einen fertigen Text zu produzieren, für manche Teilnehmer*innen sehr aufreibend waren, wie das „Earth Negotiations Bulletin“ des „International Institute for Sustainable Development“ berichtete.

Die Unstimmigkeiten beginnen bereits bei den Definitionen: Wo beginnt die Plastikproduktion – etwa bei der Extraktion von fossilem Öl und Gas, wie Wissenschaftler*innen betonen, oder später? Auch die Frage, ob man einzelne gefährliche Zusatzstoffe auflisten und verbieten oder zumindest einschränken sollte, war beispielsweise am vergangenen Mittwoch ein besonders heiß diskutierter Punkt, denn manche Länder sind kategorisch gegen eine solche Liste.

Die Frage, was mit den Arbeiter*in- nen passiert, die aktuell ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Plastik aufzusammeln, wurde unter dem Punkt „gerechter Übergang“ diskutiert. So sind zwölf Delegierte der „International Alliance of Waste Pickers“ in Busan, die 460.000 Arbeiter*innen aus 34 Ländern repräsentieren. Sie fordern Sozialdialog und gute Arbeitsmöglichkeiten, wenn ihre bisherigen Jobs verschwinden, weil weniger Plastik weggeworfen wird. Ungeklärt ist bisher auch, wer bereits existierende Plastikverschmutzung entsorgen und wer dafür bezahlen soll.

Wer finanziert das große Aufräumen?

Letzten Endes geht es, wie so oft, um Finanzierungsfragen. Eine Gruppe von Entwicklungsländern will, dass ein neuer, unabhängiger Finanzierungsmechanismus gegründet wird, während eine Gruppe von Industriestaaten will, dass die „Globale Umweltfazilität“ (GEF) diese Rolle übernimmt. Die GEF finanziert seit 1991 Umweltschutzprojekte in Ländern des globalen Südens.

Obwohl alle unter Plastikverschmutzung leiden, sind einige Länder weniger ambitioniert als andere. Besonders Staaten, die fossiles Gas und Erdöl fördern, scheinen in den Verhandlungen auf die Bremse zu drücken. Maßgeblich seien das Iran, Russland und Saudi-Arabien, sagte die Meeresökologin Melanie Bergman, die als Wissenschaftlerin an den Verhandlungen teilnimmt, in einem Pressebriefing des „Science Media Center“ im Vorfeld. Bergman ist Mitglied einer Koalition von Wissenschaftler*innen, die sich für ein ambitioniertes Plastikabkommen einsetzen.

Doch in Busan sind dreimal so viele Lobbyist*innen der Chemie- und Fossilindustrie wie Mitglieder der Koalition anwesend. Wäre die Industrie ein Land, sie würde mit 220 Lobbyist*innen die größte Verhandlungsdelegation in Busan stellen, wie das Center for International Environmental Law (CIEL) herausgefunden hat. Sie setzten, genau wie bei den Klimaverhandlungen, Taktiken wie „Behinderung, Ablenkung, Einschüchterung und Fehlinformation“ ein, so Delphine Lévi Alvarès vom CIEL. Immerhin kamen, nach Interventionen mehrerer Mitgliedsstaaten, am Mittwoch auch Jugenddelegierte in Busan zu Wort. Sie forderten die Verhandler*innen eindringlichst auf, ein Abkommen abzuschließen, das die Plastikverschmutzung endlich eindämmt. Noch bis kommenden Sonntag haben die Delegierten Zeit, einen Text vorzulegen, der genau das erreicht.


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