Vortrag
: Künstlerinnen im Mittelpunkt


Am Samstag sind die Archives of Women Artists, Research and Exhibitions, ein Verbund, der sich seit 2014 um die Sichtbarkeit von Künstlerinnen bemüht, für einen Vortrag in der Escher Konschthal zu Gast.

Einen näheren Blick auf Kunst von Frauen werfen können Besucher*innen der Escher Konschthal unter anderem in dieser Ausstellung von Tina Gillen, aber auch bei einem Vortrag der Organisation Aware. (COPYRIGHT: Christof Weber)

„Si je vous pose la question combien dʼartistes femmes vous connaissez, vous pouvez peut-être répondre avec deux, trois ou cinq noms au maximum. Si je vous pose la même question sur les artistes hommes, vous pouvez en citer beaucoup plus“, sagt die Kunsthistorikerin und Kuratorin Camille Morineau in einem Video über ihre Organisation Archives of Women Artists, Research and Exhibitions (Aware). Diesen Umstand möchte sie mit ihrem Team ändern. Nina Volz, die Verantwortliche für die internationale Entwicklung des Projekts, stellt die Organisation am Samstag, dem 22. Juli, in der Escher Konschthal vor.

Camille Morineau gründete Aware im Jahr 2014 mit dem Ziel, die Sichtbarkeit von Künstlerinnen in der Kunstgeschichte zu erhöhen. Die persönlichen Beweggründe hierfür kommen nicht von ungefähr: Morineau war unter anderem zehn Jahre im Pariser Centre national d’art et de culture Georges-Pompidou tätig. Dort kuratierte sie zusammen mit Cécile Debray die Dauerausstellung „elles@centrepompidou“. Zwischen 2009 und 2011 wurden auf der vierten und fünften Etage des Zentrums ausschließlich Werke von Frauen gezeigt. Die Dauerausstellung lockte über zwei Millionen Zuschauer*innen an, sorgte aber auch für Kritik: Die Künstlerinnen würden durch die separate Inszenierung in ein Ghetto verbannt. Mit Aware will Morineau jedoch genau diesem Phänomen entgegenwirken und Künstlerinnen in den Mittelpunkt rücken.

Aware ist in der Villa Vassilieff in Paris zuhause. Hier können Besucher*innen das Dokumentationszentrum physisch besuchen und sich – neben anderen Sujets – über feministische Kunst informieren. Die Organisation veranstaltet themenbezogene Rundtischgespräche, Vorträge, Seminare in Kooperation mit öffentlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen, gibt aber auch eigene Publikationen heraus. Kernstück des Verbunds ist außerdem seine gleichnamige Onlineplattform, die kostenfrei zugänglich ist.

Auf awarewomenartists.com stoßen Besucher*innen auf umfangreiche Informationen zu Künstlerinnen aus aller Welt. Den Überblick zu behalten, ist zugegebenermaßen schwer, denn die Website verleitet durch die zahlreichen Beiträge und Medien zum ziellosen Herumklicken. Wer sich etwas zurechtgefunden hat, entdeckt unter dem Reiter „Artists“ einen Katalog. Dieser enthält Daten zu Künstlerinnen, die sich nach Kunstbewegung, Thema, Medien, Land, Schaffensphase und Kulturprogramm – beispielsweise nach spezifischen Projekten – filtern lassen.

Luxemburg ist als Land übrigens nicht in der Liste vertreten, auch Künstlerinnen aus dem Großherzogtum lassen sich auf Anhieb hier nicht finden. Dies könnte sich nach dem Auftritt der Organisation in der Escher Konschthal, wo derzeit die luxemburgische Malerin Tina Gillen („Flying Mercury“) ausstellt, ändern. Ein Beitrag über Gillen und andere luxemburgische Künstlerinnen, etwa die Feministin Berthe Lutgen, könnte die Sammlung von Aware ergänzen. Nach Eigenangabe umfasst diese derzeit über 1.000 biografische Texte. Sie wird von 450 Wissenschaftler*innen, Kurator*innen, Kunstkritiker*innen, Aktivist*innen und Historiker*innen mit Fokus auf feministische Kunst auf Französisch und Englisch bespielt.

„Si je vous pose la question combien dʼartistes femmes vous connaissez, vous pouvez peut-être répondre avec deux, trois ou cinq noms au maximum.“

Neben Textbeiträgen bietet das Team von Aware auch den Podcast „Les grandes dames de l’art“ und die animierte Kurzfilmserie „Petites histoires de grandes artistes“ an. Richtet sich der Podcast an ein erwachsenes Publikum, ist die Kurzfilmserie für Kinder ab sieben Jahren gedacht – auch wenn sie durchaus einen Mehrwert für Erwachsene hat. In weniger als fünf Minuten bekommen die Zuschauer*innen Einblicke in das Schaffen ausgewählter Künstlerinnen. In der Serie sowie in der allgemeinen Auseinandersetzung mit Awares Inhalten fällt auf, dass ethnische Diversität mindestens genauso großgeschrieben wird, wie die Sichtbarkeit von Frauen.

So tauchen in der Serie beispielsweise Künstlerinnen wie Myrlande Constant oder Kara Walker auf. Constant wurde 1968 auf Haiti geboren. Mit zwanzig eröffnete sie ihr eigenes Atelier und fertigte dort sogenannte Drapos an, eine Art Flagge, die unter anderem eine spirituelle Bedeutung in der Voodoo-Religion hat. Bis dahin war die Anfertigung eher Männern vorbehalten; erst der Erfolg von Constants Werken inspirierte Frauen, ihre eigenen Herstellungsstätten zu eröffnen.

Kara Walker, 1969 in Kalifornien geboren, ist eine afroamerikanische Künstlerin, die sich in ihrem Werk kritisch mit Sklaverei, Rassismus, Sexualisierung und Gewalt beschäftigt. Der Fokus liegt auf den USA. Was das Genre angeht, kombiniert Walker Installationen mit Scherenschnitten, Malerei und Skulptur. Die Frankfurter Kunsthalle Schirn widmete ihr bis Januar 2022 die Einzelausstellung „A Black Hole Is Everything a Star Longs to Be“, deren digitale Aufbereitung weiterhin kostenlos auf der Internetsite der Schirn abrufbar ist. Walker gilt als eine der bekanntesten Gegenwartskünstler*innen Amerikas.

Aus den USA zurück zur Escher Konschthal: Die Veranstaltung am Samstag findet im Rahmen des aktuellen Ausstellungsprogramms der Konschthal statt. Ab nächstem Wochenende haben dort drei Künstlerinnen die Halle im Griff, denn neben der bereits erwähnten Ausstellung von Tina Gillen zeigen dann auch Julia Cottin und Hsia-Fei Chang ihre Werke in Esch. Letztere ist am Samstag in der Konschthal anzutreffen. Auf den Vortrag von Volz folgt nämlich eine Diskussion mit Charlotte Masse, Kuratorin der Konschthal, und Hsia-Fei Chang.

Die Künstlerin aus Taiwan präsentiert am selben Tag ihr Projekt „Les jeux sont faits. Rien ne va plus“: Chang absolvierte eine sechsmonatige Ausbildung zur Croupière in einer Pariser Spielhalle, betreute anschließend zwei Jahre lang Blackjack, Punto Banco und Ultimate Poker-Spiele. In ihrem Werk dokumentiert und analysiert die Künstlerin diese Erfahrung mit einem genderspezifischen Blick auf Arbeit, das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, das Muttersein und die gesellschaftliche Rolle der Frau allgemein.

Wer an der Veranstaltung teilnehmen möchte: Der Vortrag beginnt um 15 Uhr, die gesamte Veranstaltung ist auf Französisch. Der Eintritt ist frei und eine Onlineanmeldung erforderlich. Die Anmeldefrist läuft – sofern noch Plätze frei sind – bis kurz vor dem Veranstaltungsbeginn. Informationen hierzu sind auf der Website der Konschthal zu finden.

Archives of Women Artists, Research and Exhibitions, Vortrag von Nina Volz mit anschließender Diskussionsrunde. Am Samstag, dem 22. Juli, ab 15 Uhr in der Konschthal Esch 
(29 boulevard Prince Henri, L-4280 Esch-sur-Alzette).

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