Um den Wald vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen, soll weniger Holz entnommen werden. Dabei gelten Luxemburgs Wälder als überaltert. Sie sind allerdings auch eine bequeme Senke für CO2.
Der Wald in Luxemburg steht unter Stress. Das liegt nicht daran, dass er während des ersten Lockdowns von vielen Menschen als Naherholungsgebiet wiederentdeckt wurde, sondern an den immer dramatischeren Auswirkungen des Klimawandels. Die Anforderungen an Wälder werden immer höher: Sie sollen CO2 speichern, ein Hort der Biodiversität sein, der Erholung dienen und den Baustoff Holz produzieren. Ein Spagat, der in Zukunft immer schwieriger wird.
Eine Möglichkeit, den Wald zu schützen, liegt darin, neue Bäume zu pflanzen. Am 20. November wird in Luxemburg seit beinahe drei Jahrzehnten der nationale Tag des Baumes begangen. Im Zentrum des Aktionstages stehen stets Baumpflanzaktionen, bei denen unter anderem Wälder aufgeforstet werden. Das ist stets auch eine Gelegenheit für Politiker*innen zu zeigen, wie gut sie mit Schaufel oder Spaten umgehen können.
So pflanzte Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) am vergangenen Dienstag gemeinsam mit Schüler*innen der Ackerbauschule und Kindern der Maison Relais Sauerschlass in der „Rëngelschleed“ in der Gemeinde Erpeldingen Laubbäume. „Zesumme planze mir de Bësch vu muer“ lautete das Motto. In einem ehemaligen Nadelwald, der von der Gemeinde Erpeldingen gekauft wurde, sollen in den nächsten Jahren 89.000 Bäume gepflanzt werden. Der neu entstehende Laubwald wird zu einem Natura-2000-Schutzgebiet gehören.
Weniger Fällen
Neue Bäume pflanzen ist eine Strategie, Wälder fit für die Zukunft zu machen. Die andere ist etwas kontroverser: Weniger Bäume fällen. Die Natur- und Forstverwaltung (ANF) hat vor Kurzem beschlossen, weniger Holz zu ernten, als dies in den Zehnjahresplänen ursprünglich vorgesehen war. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des CSV-Abgeordneten Jean-Paul Schaaf gab die Umweltministerin Erklärungen zu dieser Vorgehensweise.
Die extremen Klimaereignisse der letzten drei Jahre und deren Konsequenzen auf die Gesundheit der Wälder hätten die ANF dazu bewegt, den optimalen Holzeinschlag neu zu bewerten. In einer 2020 erstellten Biomasse-Studie seien die alten Pläne, in denen die Folgen der Klimakrise noch unberücksichtigt geblieben waren, kritisch hinterfragt worden. „Die Studie berechnet, dass nicht mehr als 60 Prozent der Biomasse des natürlichen Zuwachses unserer Laubwälder genutzt werden sollen, wenn wir unsere Wälder in einem guten Zustand erhalten wollen, damit sie dem Klimawandel besser standhalten und ihre Funktion als CO2-Speicher optimal erfüllen können“, schrieb Dieschbourg in ihrer Antwort.
Klimapolitisch ist die CO2-Speicherfunktion des Waldes nicht unwichtig. Die Klimakrise wird sich alleine durch das Pflanzen von Bäumen nicht verhindern lassen, zum Erreichen nationaler Ziele kann der Wald dennoch etwas beitragen. Wie viel CO2 gespeichert wird, ist je nach Alter, Baumart und Bedingungen unterschiedlich, die ANF geht von durchschnittlich 10,6 Tonnen CO2 im Jahr aus, die ein Hektar Wald bindet. 88.000 Hektar Wald gibt es in Luxemburg, was etwas mehr als einem Drittel der Landesfläche entspricht. Soll der Luxemburger Wald auch in der Klimapolitik als Speicher genutzt werden?
Im Nationalen Energie- und Klimaplan, der voriges Jahr veröffentlicht wurde, steht Folgendes zu lesen: „Im Hinblick auf eine Verstärkung der naturnahen und klimaresilienten Waldbewirtschaftung werden neue Förderprämien eingeführt. Zur Steigerung der CO2-Senken werden Maßnahmen zur Aufforstung und Erhöhung des Holzvolumens im Wald ergriffen.“ Außerdem wird auf den nationalen Anrechnungsplan für die Forstwirtschaft (NFAP) verwiesen.
Mehr CO2 speichern
Wie der Energie- und Klimaplan ist auch der NFAP eines jener Dokumente, welche die Mitgliedsstaaten an die Europäische Kommission übermitteln müssen. In dem 2019 verfassten Plan wird beschrieben, dass, trotz einem immer älter werdenden Wald, in Zukunft weniger Holz in öffentlichen Wäldern gefällt werden soll. Das, weil der Staat den Fokus auf Umweltkriterien und ungestörte Wälder lege. Dass der Wald vor den Auswirkungen der Klimakrise geschützt werden müsse oder als CO2-Speicher verwendet werden sollte, darüber steht im NFAP nichts. In dem Bericht wird jedoch betont, dass die Luxemburger Wälder „überaltert und unzureichend genutzt“ seien.
Die Biomasse-Studie, die Dieschbourg in ihrer Antwort auf Schaafs parlamentarische Anfrage erwähnte, ist da schon deutlicher: Hier wird ein Reduktionsfaktor eingeführt, um mehr CO2 zu speichern. Zehn Prozent des jährlichen Holzzuwachses soll nicht geerntet werden, um so gegen die Klimakrise anzukämpfen. Insgesamt empfiehlt die Studie aus verschiedenen Gründen, vor allem aber wegen der Gesundheit der Wälder, den Holzeinschlag sofort zu reduzieren.
Dass diese Empfehlung erst 2020 und nicht bereits bei der Erstellung des NFAP kam, erklärt Frank Wolter, Direktor der ANF, der woxx gegenüber damit, dass die Biomasse-Studie zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig war. Die zehn Prozent Reduktion zur CO2-Speicherung hingegen seien eine politische Vorgabe: „Der Prozentsatz ist gemeinsam mit dem Ministerium auf Basis der politischen Ziele des Energie- und Klimaplans diskutiert und validiert worden. Es ist ein Vorschlag, keine Vorgabe. Der Prozentsatz ist ein Kompromiss, um möglichst viel zusätzliches CO2 zu speichern und gleichzeitig die wichtigen Maßnahmen der Resilienzssteigerung durch Verjüngung alter Bestände vorsichtig umzusetzen.“
Wolter betont, dass es ein Spannungsfeld zwischen CO2-Speicherung und Holznutzung gebe: „Die Situation ist seit 2020 nicht mehr die gleiche. Der Impakt des Klimawandels ist jetzt so stark, dass Kompromisse und Prioritäten nötig sind. Die Gesundheitsrisiken der Verjüngungsmaßnahmen auf den Wald sind so groß, dass das Kronendach der Wälder unbedingt geschlossen bleiben muss. Ansonsten riskieren die Wälder, abzusterben. Die Verjüngungen, die nun aufkommen, müssen weiter erhalten und gepflegt werden. Allerdings sollen jetzt weniger Verjüngungen durch Abholzungen initiiert werden. Der Klimawandel wird ohnehin Löcher in die Wälder reißen, in denen dann massiv verjüngt werden muss.“
Mangelnde Kommunikation
Weniger Bäume zu fällen sei nicht nur eine Maßnahme, um CO2 zu speichern, sondern vor allem notwendig, um das Überleben unserer Wälder und damit jener Funktionen, die sie für die Gesellschaft leisten, zu sichern. „Wenn unsere Wälder absterben, verlieren wir alles“, so Wolter abschließend in seiner Antwort an die woxx. Die Resultate der letzten phytosanitären Inventur von 2020 ergaben, dass nur 14 Prozent der untersuchten Bäume keinerlei Schäden hatten, während bei fast 54 Prozent der Bäume erhebliche Schäden festgestellt wurden.
Die Herangehensweise der ANF schmeckt aber nicht allen. Der öffentliche Wald gehört nämlich nicht nur dem Staat, sondern ein Drittel davon ist im Besitz der Gemeinden. Werden die neuen Vorgaben der ANF auch in den Gemeindewäldern umgesetzt, müssen sie mit weniger Einnahmen aus dem Holzverkauf rechnen. „Die Gemeinde Ettelbrück wird nächstes Jahr ein Defizit von 11.000 Euro haben“, erklärte Bürgermeister Jean-Paul Schaaf der woxx am Telefon. „Das ist nicht dramatisch, aber grundsätzlich sollte der Wald sich selbst tragen.“
Er findet es „etwas speziell“, dass die Gemeinden nicht vom Umweltministerium über die Änderungen der Holzeinschlagpläne informiert wurden, sondern erst über die Berechnungen des Försters davon erfahren haben. Schaaf stellt sich auch die Frage, wie der Konflikt zu lösen sei, dass Holz als Baumaterial angepriesen werde und gleichzeitig weniger gefällt werden solle: „Müssten wir nicht mehr Ressourcen aufbauen und ernten?“
In seiner parlamentarischen Anfrage hakte der Abgeordnete nach, ob die Gemeinden auf die Einhaltung der Einschlagpläne pochen könnten. Rein juristisch gesehen sei dies so, lautete die Antwort der Umweltministerin. Allerdings müsse man nun kurzfristig auf die Krisensituation im Wald reagieren. Aktuell überarbeite man die Gesetzgebung, um „adaptive Kurskorrekturen bei der Waldplanung zuzulassen“. Die Gemeinde Ettelbrück akzeptierte die geänderten Pläne für 2022, das darauffolgende Jahr wolle man allerdings zum alten Plan zurückkehren. „Das ist ja ein sehr detailliertes Dokument, das den Nachhaltigkeitskriterien der PEFC- und FSC-Zertifizierungen folgt, so Schaaf weiter. Der Abgeordnete betonte, er teile die Sorge um die Gesundheit des Waldes.
Warten auf das neue Waldgesetz
Seit 2018 ist ein neues Waldgesetz auf dem Instanzenweg. Nachdem der älteste legislative Text über den Wald, der noch Rechtskraft hat, über 400 Jahre alt ist, ist eine Konsolidierung und Modernisierung nötig. Die parlamentarischen Arbeiten an dem neuen Gesetz sind weit fortgeschritten. Nachdem der Staatsrat allerdings einige Probleme mit dem ursprünglichen Text hatte, wartet die Umweltkommission nun auf das zusätzliche Gutachten der Hohen Körperschaft. „Und dann müssen wir schauen, was der Rat sagt“, kommentiert das der Berichterstatter des Gesetzes, François Benoy, der woxx gegenüber.
Knapp die Hälfte des Waldes in Luxemburg gehört jedoch nicht der öffentlichen Hand, sondern rund 14.000 privaten Waldbesitzer*innen. Oft sind ihre Parzellen sehr klein und hängen nicht zusammen, viele wissen vermutlich gar nicht, dass ihnen Wald gehört. Der Verein „Lëtzebuerger Privatbësch“ vertritt die Interessen der privaten Waldbesitzer*innen, gibt Hilfestellung und organisiert Fortbildungen. „Weniger Biomasse im Wald bedeutet ja nicht weniger CO2-Speicherung“, sagt Winfried von Loë, Mitarbeiter des Vereins, der woxx am Telefon. „Dadurch, dass das Holz zum Beispiel am Bau verwendet wird, bleibt das CO2 ja auf lange Sicht gespeichert. Wenn wir durchforsten, wächst mehr Holz nach, so dass wir insgesamt mehr speichern.“ Er sehe somit keinen Grund, weniger Holz zu ernten.
Von staatlicher Seite gibt es noch keine Empfehlungen für private Waldbesitzer*innen. Die werden laut Dieschbourg in einer Arbeitsgruppe zur Waldresilienz, in der auch der „Lëtzebuerger Privatbësch“ vertreten ist, ausgearbeitet. Mit ersten Resultaten sei für Ende des Jahres zu rechnen. Allerdings gibt es mit der „Prime Klimabonusbësch“ bereits jetzt eine finanzielle Beihilfe für Laubwaldbesitzer*innen, die sich verpflichten, ihre Wälder so zu bewirtschaften, dass diese besonders viel CO2 speichern und die Biodiversität fördern. „Die ist eine echte Hilfe und wird auch gut angenommen.“, so von Loë. Was andere Beihilfe für Private angehe, hoffe man auf Verbesserungen durch eine neue großherzogliche Verordnung.
Die Anforderungen an den Wald in Luxemburg werden in den nächsten Jahren sicher genauso wachsen wie die Schäden, die durch den Klimawandel entstehen. Die nachhaltige Bewirtschaftung wird dadurch sicherlich nicht leichter werden – vor allem, weil so viele unterschiedliche Gruppen divergierende Interessen haben.