Wolf: Zu Unrecht im Visier

Die Kehrtwende beim Schutz des Wolfs zeigt, wie schlecht wir in der EU Ökologie und Landwirtschaft verbinden können. Dabei müssten wir es besser wissen.

Wolf GW2488m (hier nahe Husum in Niedersachsen fotografiert) war zwar nicht selbst in Luxemburg zu Besuch, doch ein naher Verwandter wurde im Ländchen nachgewiesen. (Foto: Tobias Reimann)

Es war eine überraschende Wende: Luxemburgs Position zum Schutzstatus des Wolfs hat sich geändert. Als am vergangenen Mittwoch Vertreter*innen der EU-Mitgliedstaaten darüber abstimmten, war auch Luxemburgs Stimme dafür, den Schutzstatus herabzusetzen. Der Wolf soll zukünftig nicht mehr als „streng geschützt“, sondern lediglich als „geschützt“ eingestuft werden. Im Sinne der Berner Konvention des Europarats bedeutet dies, dass der Wolf zukünftig in der EU leichter gejagt werden kann. Wie es zu diesem Sinneswandel kam, kann die Regierung nicht wirklich erklären: Man wolle „solidarisch“ mit jenen Ländern sein, in denen der Wolf ein Problem darstellt, so Agrarministerin Martine Hansen (CSV) gegenüber Radio 100,7. Warum das Umdenken gerade jetzt geschah, ist unklar: Die EU-Kommission hatte bereits im Dezember 2023 den Vorschlag gemacht, Wölfe weniger streng zu schützen, doch bisher hatte sich die Luxemburger Regierung nicht dafür ausgesprochen.

Premierminister Luc Frieden (CSV) dementierte gegenüber 100,7, dass die Luxemburger Position zum Schutzstatus des Wolfs Bestandteil der Gespräche über das neue luxemburgische Kommissionsmitglied gewesen seien. Der Verdacht lag nahe, da das Wolfsdossier für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine persönliche Komponente hat: Im September 2022 tötete ein Wolf eines ihrer Ponys. Bleibt die Frage, was den Stimmungswandel in der Luxemburger Regierung hervorgebracht hat – möglicherweise ist die neuentdeckte „Solidarität“ auch darauf zurückzuführen, dass demnächst einige Länder in Sachen Steuerschlupflöcher finden, dass man mit Luxemburg „solidarisch“ sein müsste. Oder ging es der Regierung Frieden nur darum, sich einmal mehr öffentlichkeitswirksam als die „Anti-Grünen“ darzustellen?

Es gibt Möglichkeiten, mit dem Wolf zu leben, ohne seinen Schutzstatus zu senken.

(Foto: Johannes Jansson/norden.org, CC BY 2.5 dk;)

Letzteres wirkt wenig wahrscheinlich, denn der Wolf wird in Luxemburg weiterhin einen strengen Schutz genießen, so er denn hier überhaupt vorkommt. Bisher gibt es hierzulande keine ansässigen Rudel, sondern immer nur Sichtungen und Spuren. Luxemburg ist ausgezeichnet auf eine längerfristige Rückkehr des Tieres vorbereitet: Seit Jahren gibt es einen Managementplan, der die verschiedensten Maßnahmen für den Umgang mit dem Wolf aufzeichnet und bewertet. Tierhalter*innen, deren Tiere nachweislich von einem Wolf getötet wurden, werden entschädigt.

Es gibt Möglichkeiten, mit dem Wolf zu leben: Seien es Zäune, Schutztiere wie Hunde oder Esel, oder andere Maßnahmen, die den Tieren beibringen, dass Weidetiere keine leichte Beute sind. Allerdings wird es auch bei der besten Prävention immer wieder zu Wolfsangriffen kommen. Sogenannte „Risikowölfe“, die sich zu sehr an den Menschen und das üppige Nahrungsangebot in Form von Schafherden gewöhnt haben, müssen „entfernt“ (in der Regel getötet) werden. Dazu muss jedoch der Schutzstatus des Tieres nicht gesenkt werden, das ist alles bereits möglich.

Herden, die einen Wolfsangriff überlebt haben, sind danach nervöser, weniger zutraulich, geben weniger Milch und sind teilweise nicht mehr für die Zucht zu gebrauchen. Landwirt*innen sind über diese Produktionsverluste natürlich nicht erfreut – aber wäre es nicht an der Politik, ihnen ein Leben und Auskommen zu ermöglichen, bei dem ein Wolfsangriff nicht ihre Existenz in Frage stellt?

Die andere Seite der Medaille ist nämlich, dass Prädatoren wie Wölfe, Luchse und Bären dabei helfen können, jene Wildtiere in Zaum zu halten, die den Wald durch Verbiss bedrohen – wie es Luxemburgs Förster*innen in letzter Zeit oft beklagen. Wollen wir nicht in einem künstlichen Disneyland leben, in dem es keine natürliche Prädatoren mehr gibt und wo das ökologische Gleichgewicht immer mehr kippt, müssen wir lernen, mit dem Wolf zu leben. Das bedeutet auch, eine Balance zwischen Ökologie und Landwirtschaft zu finden.


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