Am heutigen Freitag findet wieder eine große Klimademonstration statt. Die woxx hat mit zwei Organisatorinnen von Youth for Climate über Krieg, Energiepreise und kleine Schritte gesprochen.
woxx: Gibt es nach zwei Jahren Pandemie und einem Monat Krieg überhaupt noch genügend Aufmerksamkeit für die Klimakrise?
Lisa Urbany: Die Aufmerksamkeit, die wir bekommen haben, ist sicherlich zurückgegangen. Das ist aber auch normal, denn die Klimakrise ist nicht die einzige Krise. Natürlich sind wir dafür, dass über Krieg und Coronakrise berichtet wird, und finden das auch wichtig. Trotzdem ist es schade, dass die Klimakrise so sehr in den Hintergrund rutscht, weil andere Themen dominieren. Die Zeit steht nicht still: Es wird immer schwieriger, die Klimakrise zu lösen und auf den richtigen Kurs zu kommen. Auch zum neuen Bericht des Weltklimarates IPCC habe ich nicht so viel in den Medien gesehen, wie ich es mir vielleicht gewünscht hätte. Darin sind ziemlich erschreckende Sachen zu lesen, über die wenig berichtet wurde. Wir haben uns gefragt, ob wir angesichts der Situation in der Ukraine überhaupt unseren Streik durchziehen sollten, haben uns aber dafür entschieden, weil es wichtig ist, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Außerdem sind wir für Frieden und gegen jeden Krieg.
Sarah Muller: Am letzten Streik im September 2021 haben weniger Menschen als vor Corona teilgenommen. Das liegt zum Teil auch daran, dass das Thema von der Oberfläche verschwunden ist, aber sicherlich auch daran, dass damals noch Maßnahmen bestanden. Einige wollten sicher auch nicht mit hunderten oder tausenden anderen auf der Straße sein. Wir hoffen, dass sich das mit den jetzt aufgehobenen Maßnahmen wieder ändert.
Welche Forderungen stellt ihr mit der Demonstration am Freitag?
Lisa Urbany: Durch die aktuelle Situation ist unsere allererste Forderung der Stopp aller Kriege. Wir unterstützen klar die Forderungen der Friddens- a Solidaritéitsplattform und schließen uns ihrem nächsten Protest an. Natürlich muss an erster Stelle der Krieg gestoppt und humanitäre Hilfe geleistet werden, aber in diesem Kontext ist uns auch wichtig, noch einmal zu beleuchten, dass wir weniger abhängig von fossilen Energiequellen werden müssen. Unsere zweite Forderung richtet sich an den Luxemburger Finanzplatz: Alle Investitionen müssen bis 2030 klimaneu- tral werden. Da der Luxemburger Pensionsfond (Fonds de Compensation, A.d.R.) bald seinen Investitionsplan für die nächsten fünf Jahre veröffentlicht, liegt hier unser besonderer Fokus. Der soll nur noch Investitionen tätigen, die mit dem Pariser Abkommen kompatibel sind. Das heißt, dass er zum Beispiel ganz aus der Kohleindustrie aussteigen muss, da diese niemals mit den Klimazielen vereinbar sein können.
Sarah Muller: Wir sind froh, dass Greenpeace auf uns zu gekommen ist, um gemeinsam zum Pensionsfonds zu arbeiten. Noch besser: Im Zuge der Mobilisierung haben sich Cell (Centre for Ecological Learning, A.d.R.), ASTM, Mouvement écologique, Move, Natur an Ëmwelt, Frère des Hommes, und Etika als weitere Organisationen unserem Demoaufruf angeschlossen.
„Unsere Begeisterung zum Klimabürgerrat hält sich in Grenzen.“
Viele Jugendbewegungen in Luxemburg kranken an der Tatsache, dass Aktivist*innen zum Studieren ins Ausland gingen und kein Nachwuchs da ist. Konntet ihr die zwei Jahre „Zwangspause“ der Pandemie für die Rekrutierung nutzen?
Sarah Muller: Dadurch, dass wir keine großen Demonstrationen machen konnten, haben wir andere Dinge ausprobiert. Wir hatten immer wieder vor, in die Schulen zu gehen, um dort zu rekrutieren und zu mobilisieren. Das hat zum Teil geklappt, aber nicht so sehr, wie wir es uns erwartet hätten. Gerade vor und nach dem letzten Streik im September 2021 haben wir aber einige neue, jüngere Leute im Alter von 15, 16 Jahren gewinnen können. Deswegen machen wir uns weniger Sorgen, dass es mit Youth for Climate vorbei sein könnte, wenn wir studieren gehen. Thematisch haben wir uns auf konkrete Situationen in Luxemburg fokussiert, was wir früher nicht so getan haben. Ein Beispiel dafür ist die Umgehungsstraße von Sanem.
Xavier Bettel hat nun den Klima-bürger*innenrat ins Leben gerufen. Wie findet ihr diese Art der Bürger*innenbeteiligung?
Sarah Muller: Unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Wir unterstützen die Idee, dass Bürger*innen bei Fragen, die sie spezifisch betreffen, in die politische Entscheidungsfindung einbezogen werden. Was uns aber stört, ist, dass die Regierung ganz genau wusste, dass das Cell seit Jahren an solchen Projekten arbeitete und dennoch überhaupt nicht einbezogen wurde. Wir finden es extrem blöd, dass der Staat bestehende Bewegungen nicht bittet, die Organisation eines Bürger*innenrates zu übernehmen oder sie anderweitig unterstützt. An Beispielen in anderen Ländern haben wir gesehen, dass solche Initiativen oft in Frustration enden, die Gefahr sehen wir in Luxemburg auch. Besonders, weil bereits angekündigt wurde, dass die Resultate des Bürger*innenrates nicht unbedingt so umgesetzt werden. Als Person, die beim Rat dabei ist, sehe ich schon großes Potenzial, die Zeit und der Umfang sind allerdings sehr begrenzt, sodass nicht viel Raum für Diskussionen bleibt. Wir halten uns deswegen mit einem Urteil zurück, bis der Prozess vorbei ist.
Aktuell steigen die Energiepreise und das nicht erst seit der russischen Invasion der Ukraine. Wie seht ihr das, dass im Moment so viele Ideen aufkommen, Kern- oder Kohlekraftwerke nicht wie geplant stillzulegen oder gar noch auszubauen, um unabhängig von Importen zu sein?
Sarah Muller: Ich sehe da schon eine große Gefahr, dass es zu einer Renaissance der Atomkraft kommt, so wie Frankreich es ja auch angekündigt hat, um unabhängig zu werden. Andererseits bestünde die Chance, dass es nun wirklich zu einem Ausbau erneuerbarer Energien kommt. Ich bezweifele allerdings stark, dass die genutzt werden wird. Wie so oft werden hier kurzfristige Lösungen für langfristige Probleme vorgeschlagen.
Es gibt aber auch andere Ideen: Die Internationale Energieagentur hat ein Zehn-Punkte-Programm vorgeschlagen, in dem unter anderem autofreie Sonntage, Geschwindigkeitsreduktionen auf Autobahnen und drei Tage Homeoffice in der Woche enthalten sind. Sollten so kleine Schritte auf die Agenda?
Lisa Urbany: Wir haben als Youth for Climate noch keine abgeschlossene Position zu diesen konkreten Vorschlägen entwickelt. Kleine Initiativen sind lieb und nett, wir finden sie meistens super. Aber, so wie Sarah schon erwähnt hat, sind sie oft nur kurzfristig. Wenn wir uns nicht langfristig auf grüne, saubere Energien umstellen, bringt es auch nichts, einmal die Woche nicht mit dem Auto zu fahren. Das reduziert zwar die Treibhausgasemissionen, aber nicht so viel, wie wir es brauchen würden, um auf einer Linie mit dem Pariser Abkommen zu sein.
Sarah Muller: Kleine Initiativen können vielleicht dazu beitragen, ein Umdenken zu bewirken – und das ist es ja, was wir wirklich brauchen. Gleichzeitig läuft es halt darauf hinaus, dass diese kleinen Schritte als die große Lösung präsentiert werden, ohne dass jedoch eine gesamtgesellschaftliche Transition stattfindet.
Lisa Urbany: Information und Sensibilisierung ist sicherlich wichtig, denn es muss gezeigt werden, dass es eine Möglichkeit gibt, Verkehr und Energieversorgung anders zu denken.
Die Klimademonstration startet am Freitag, dem 25. März um 14 Uhr auf der Place Clairefontaine in Luxemburg-Stadt.
„Die Zeit steht nicht still: Es wird immer schwieriger, die Klimakrise zu lösen und auf den richtigen Kurs zu kommen.“ (Sarah Muller, Youth for Climate)
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