BEAMTENSTATUT: Weichenstellung

Im Kampf gegen die Rentabilitätslogik halten die EisenbahnerInnen an ihrem Statut fest. Das ist gerechtfertigt, bringt aber nicht automatisch sozialen Fortschritt.

In den vergangenen Wochen wurde viel über die CFL-Strategie diskutiert. Bei der Bilanzpressekonferenz der Eisenbahn-Direktion und bei der Militantenkonferenz der Gewerkschaften wurden Argumente aufgetischt, die seit Monaten bekannt sind. Keine Überlebenschance ohne Sparmaßnahmen, so die einen, keine Reformen ohne die Belegschaft einzubeziehen, so die anderen. Dabei geht es vor allem darum, Einfluss zu nehmen auf das Koalitionsabkommen, das derzeit zwischen CSV und LSAP ausgehandelt wird.

Inhaltlich also nichts Neues, wäre da nicht eine kleine Bemerkung, die der Präsident des CFL-Verwaltungsrats, Jeannot Waringo, bei der Bilanzpressekonferenz fallen ließ. Dass die Gehälter von neu eingestellten Eisenbahnern um 30 Prozent gesenkt würden, sei ein Modell für andere öffentliche Unternehmen, zitierte ihn der Quotidien. Diese Überlegung kommt aus berufenem Mund, ist doch Jeannot Waringo auch Direktor der Finanzinspektion, die unter anderem zuständig für die längerfristige Planung der Staatsausgaben ist. Finanzminister und damit Jeannot Waringos Vorgesetzter ist … Jean-Claude Juncker.

Arbeitet der Premier insgeheim an einem Remake seines Erfolgsstücks „Die Rentenmauer“? Ende der Neunziger hatte er argumentiert, die Staatsbeamtenpensionen belasteten den Staatshaushalt in unzumutbarem Maße, und eine Kürzung derselben durchgesetzt. Nun dürfte es heißen: Durch die europäische Liberalisierung müssen sich unsere öffentlichen Betriebe gegen die ausländische Konkurrenz behaupten. Aus eigener Kraft können diese Betriebe die jetzt gezahlten Löhne dann nicht mehr finanzieren. Der Staat aber darf und kann nicht einspringen – das verbieten sowohl die europäischen Regelungen als auch die finanzpolitische Vernunft. Also: Lohnkürzungen, um nicht in der „Gehältermauer“ zu landen.

Die Diskussion darüber, zu welchen Arbeitsbedingungen die öffentliche Hand Dienstleistungen erbringen soll, liegt in der Luft. Im März hatte Innenminister Michel Wolter in der Chamber festgestellt, dass immer häufiger Gemeinden Personal außerhalb des Beamtenstatuts einstellen würden. Vielleicht müsse man ja im Rahmen der europäischen Liberalisierung dieses Statut auf die Posten beschränken, die an der Ausübung der Staatsgewalt beteiligt seien, so der Minister. Mutmaßlicher Zweck der Übung: Lohnkosten sparen und Flexibilität gewinnen.

Das ist Wasser auf die Mühlen der Eisenbahnergewerkschaft FNCTTFEL. Der Versuch, die CFL-Löhne zu kappen und das Eisenbahnerstatut auszuhebeln, seien nur ein erster Schritt. Die sozialen Errungenschaften der Gemeinde- und Staatsbeamten kämen als nächstes dran, so die Gewerkschaft. Schließlich: Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst hätten Signalwirkung für den Privatsektor. Mit dieser Warnung hofft die FNCTTFEL, den mächtigen OGBL, der sich mit der Verteidigung des öffentlichen Dienstes schwertut, als Verbündeten zu gewinnen … und mit ihm die LSAP.

Eine Gewerkschaft, die den sozialen Status Quo verteidigt, wird ihrer Rolle gerecht. Doch eine erfolgreiche Verteidigung des Beamtenstatuts könnte sich als Pyrrhussieg erweisen. Staat und Gemeinden würden sich an dem als einschränkend empfundenen Statut vorbei mogeln, indem sie immer mehr Aufgaben outsourcen, also die Leistung billigstmöglich bei Privatfirmen einkaufen – statt sie selber zu erbringen. Sozialer Fortschritt ist eben nicht nur eine Frage von Statut. In Skandinavien zum Beispiel leistet man sich den Luxus, Dienstleistungen wie Altenpflege und Kinderbetreuung flächendeckend im öffentlichen Rahmen zu erbringen. Das Personal ist keineswegs verbeamtet – nichtsdestoweniger ist es gut ausgebildet und gut bezahlt, ganz anders als in Ländern, in denen diese Dienste überwiegend in privater Hand sind. Wie viel Staat, und nicht wie viele StaatsbeamtInnen, das ist die entscheidende Frage bei der Neugestaltung des europäischen Sozialmodells.


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