Escher Kulturpolitik: Gutt frE(s)ch …

Von Rauswürfen bis zu verbrannten Banner: Im Escher Kulturzentrum Bâtiment 4 überschlagen sich derzeit die Ereignisse. FrEsch kontert den Vorwürfen der Kulturschaffenden mit haltlosen Argumenten und liefert damit ein Paradebeispiel für eine misslungene lokale Kulturpolitik.

Hinter den Mauern des Gemeindehauses in Esch sollte es dieser Tage viel um Kulturpolitik gehen … COPYRIGHT: MMFE, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt“, singt Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf fröhlich vor sich hin. Ob das Lied bei den Verantwortlichen von frEsch, der städtischen Kulturorganisation der Gemeinde Esch, derzeit in Dauerschleife läuft? Anzeichen dafür gibt es zur Genüge, wie rezente Recherchen der woxx belegen.

Gestern äußerte sich Ralph Waltmans, Direktor kultureller Angelegenheiten der Gemeinde Esch und Vorstandsmitglied von frEsch, auf Nachfrage der woxx zu den neusten Vorwürfen der Kulturschaffenden im Kulturzentrum Bâtiment 4 (B4): frEsch soll am Wochenende unter anderem Bunker, ein Second-Hand Konzept mit Atelier im B4 verbannt sowie kurzfristig ihre in Zusammenarbeit mit Nobody Owns Culture (noc.turn) organisierte Party abgeblasen haben. Unbegründet und wider Erwarten, wie Bunker und noc.turn empört auf Social Media verkündeten.

Waltmans schob ihnen die Verantwortung dafür in die Schuhe – die Konvention mit Bunker sei regulär ausgelaufen, eine Vertragsverlängerung aufgrund fehlender Dokumente nicht möglich gewesen. Der woxx liegen gegenteilige Informationen vor: Der Antrag auf die Verlängerung wurde Ende März eingereicht und zurückbehalten. Andere Kulturschaffende, die im B4 ansässig sind, warten ebenfalls auf die Rückgabe ihrer Anträge. Was Bunker betrifft, kam es im Zuge der Absage des bereits erwähnten Events zu einem informellen Gespräch mit einem Mitarbeiter des B4 aus dem klar hervorging: Es gab eine neue Konvention zwischen frEsch und Bunker, diese sollte jedoch auf Anordnung von Waltmans auf keinen Fall an die Verantwortlichen ausgehändigt werden. Der woxx schrieb der Kulturbeamte gestern, Bunker selbst habe den Wunsch geäußert, seine Konvention zum 15. Juni zu beenden.

Foto: Pexels

Auch das Centre for Ecological Learning Luxembourg (Cell) soll laut Waltmans aus freien Stücken aus dem B 4 ausgezogen und nicht auf die Möglichkeit einer Vertragsverlängerung eingegangen sein. Bunker hatte am Wochenende geschrieben, Cell teile ihr Schicksal. Über die Definition von Freiwilligkeit lässt sich in diesem Fall streiten, denn im Austausch mit der woxx betonte Cell: Das Angebot wurde ausgeschlagen, weil Cell seit September 2022 auf Finanzierungsmittel wartet. Das Zentrum hatte sich auf eine der Cartes blanches, ausgeschrieben von der Stadt Esch um Kulturschaffende ganzjährig und insbesondere nach dem Kulturjahr 2022 finanziell zu unterstützen, beworben.

Cell teilte der woxx mit, die Organisation habe offen kommuniziert, dass sie ohne Aussicht auf Fördergelder keine weiteren Projekte im B 4 stemmen könne. Dies wurde scheinbar billigend in Kauf genommen, denn erst heute erhielten die Betroffenen die Nachricht: Ihr Antrag auf Fördermittel wurde abgelehnt. Einen Tag nach Ablauf ihrer Konvention mit frEsch war das Atelier von Cell außerdem neu besetzt worden.

Richtung22, Künstler*innenkollektiv das bereits vor Monaten über die Umstände in Esch Alarm Schlug, erhielt heute hingegen eine Zusage für beantragte Gelder. Allerdings ist das nur ein schwacher Trost, denn im Mailverkehr mit der woxx gab das Kollektiv bekannt: Die Protestbanner am B 4, mit denen es vor Wochen kritisch auf die Escher Kulturpolitik aufmerksam machte, wurde in der Nacht vom Sonntag auf Montag abgehängt – das Kollektiv vermutet, dass frEsch dahinter steckt – und verbrannt. Die Künstler*innen wollen sich zeitnah öffentlich dazu positionieren, weitere Aktionen sind geplant.

Im Escher Kulturzentrum Bâtiment4 brennt derzeit fast wortwörtlich der Baum … (Quelle: esch2022.com)

Das sind nur wenige der vielen skandalösen Umstände und Ungereimtheiten, die sich seit Dezember in diesem Dossier auftun. Auch die inzwischen publizierten Jahresbilanzen von frEsch geben keinerlei Informationen darüber, wo die Gelder der ASBL hinfließen. Stattdessen sind im Handels- und Firmenregisters minimalistische Jahresbilanzen vermerkt, die womöglich nur erfahrene Finanzexpert*innen entziffern können. FrEsch hat sicherlich auch dafür eine Erklärung parat, doch ist diese vermutlich genauso haltlos oder unvollständig wie die vorherigen.

Bisher wurde ohnehin nur defensiv auf negative Äußerungen der Kulturschaffenden reagiert statt aus Eigeninitiative Stellung zu den harten Anschuldigungen zu beziehen. Jede Kritik wird als Gerücht abgewertet und die Presse mit teilweise pauschalen Antworten abgespeist. Ganz gleich wer am Ende Recht hat: Das ist eine Attitüde, die einer ehemaligen Kulturhauptstadt nicht gut zu Gesicht steht. Gleichzeitig offenbart das Schweigen der politischen Handlungsträger*innen ein schockierendes Desinteresse an Kulturpolitik.


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