UMWELTGIFTE: Kein politischer Wille

Umweltkrankheiten werden nach wie vor sträflich vernachlässigt. Und zwar nicht nur von behandelnden Ärzten und der Krankenkasse, sondern auch in der Politik.

„In den letzten dreißig Jahren haben chronische Zivilisationskrankheiten massiv zugenommen“, stellte Jean Huss, Präsident von Akut, letzte Woche anlässlich einer Pressekonferenz fest – jener asbl, die über chronische Belastungen informiert, welche durch Wohn- und Umweltgifte sowie elektromagnetische Felder entstehen können.

Der Anstieg sei nicht nur bei Atemwegserkrankungen wie chronischer Bronchitis oder Asthma zu verzeichnen. Auch die Zahl der Allergiker und der Diabetiker wachse dramatisch, ebenso die der von Krebsleiden Betroffenen. „Wissenschaftlich nachweisbar, sind hierfür zunehmend Umweltfaktoren verantwortlich“, so Huss. Aber auch die Empfindlichkeit gegenüber Umweltchemikalien oder Elektrosmog nehme in der Bevölkerung rapide zu ? sie könne zu Erkrankungen wie dem „Chronical Fatigue Syndrom“ oder der so-genannten „Fibromyalgie“ führen, einer rheumatischen Entzündung des Weichteilgewebes.

„Das sind chronische Erkrankungen, die in Zukunft in unserem Gesundheitssystem einen wesentlichen Kostenfaktor ausmachen werden – wenn die Politik weiterhin die Augen verschließt“, so Huss. Erforderlich sei, endlich eine seriöse Präventionspolitik gegenüber Umweltkrankheiten zu entwickeln ? nicht nur im Luxemburg, sondern in allen EU-Ländern. Eine Prävention, die mit Kampagnen gegen Alkohol, Zigaretten und für mehr Bewegung nur auf den individuellen Lebensstil zielt, werde dem Problem nicht gerecht – notwendig sei ein Vorgehen auf Gesetzesebene. Eine Maßnahme in diesem Sinne wäre zum Beispiel, dass Luxemburg die Chemikalien-Richtlinie Reach nicht ratifiziert. Diese stellte in ihrer ersten Version von 2001 einen akzeptablen Kompromiss dar, wurde jedoch später durch die Lobby-Aktivitäten der Chemischen Industrie komplett verwässert. Ebenso müsste die EU-Richtlinie zu den Inhaltsstoffen von Spielzeug verbessert werden. Die Biozid-Richtlinie werde gegenwärtig im EU-Parlament diskutiert, jedoch sei auch hier nur ein unbefriedigendes Resultat zu erwarten. Denn das finnische Chemie-Institut, welches mit der Überprüfung der Biozid-Richtlinie befasst wurde, habe kaum die Mittel, dieser Aufgabe gerecht zu werden. „Wir brauchen aber gute Pestizid- und Biozid-Richtlinien, damit gefährliche Inhaltsstoffe nicht mehr auf den Markt gelangen“, so Huss.

Eine weitere wichtige Forderung sei, dass die Mediziner in Umweltkrankheiten geschult werden. Die wenigsten Ärzte hätten eine toxikologische, immunologische oder umweltmedizinische Ausbildung aufzuweisen. Daher erlebten viele Patienten das Martyrium des Irrens von einem Arzt zum nächsten ? oft genug mit dem Endresultat, nicht als geheilt nach Hause, sondern als hoffnungsloser Fall zum Psychiater geschickt zu werden.

In Luxemburg gebe es gegenwärtig nur drei oder vier Ärzte, die eine umweltmedizinische Behandlung anbieten und bei der Ursachenforschung auch das Umfeld einer Person mit einbeziehen. Viele Patienten müssten deshalb nach wie vor zur Entgiftung eine Umweltklinik im Ausland aufsuchen ? auf eigene Kosten, da die Krankenkasse für diese Behandlung nicht aufkommt. „Akut verlangt, dass umweltmedizinische Diagnostik und Therapien endlich vom Contrôle médicale anerkannt und entsprechende Kliniken in Luxemburg eingerichtet werden“, so Huss.


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