Sprachendebatte: Wessen Sprache?

Die Sprachendebatte hat ein großes Defizit: Lediglich Luxemburgisch wird als „unsere“ Sprache angesehen. Der Dialog über Mehrsprachigkeit kann so nicht gelingen.

(Fotos: CC-BY-SA Zinneke / Wikimedia)

Es scheint in sämtlichen politischen Lagern so etwas wie ein Konsens darüber zu herrschen, dass „eis Sprooch“ geschützt, gehegt und gepflegt werden muss. Damit ist allerdings immer nur Luxemburgisch gemeint, was eigentlich eine paradoxe Situation ist. Natürlich besteht an der Ausbausprache Luxemburgisch ein besonderes Interesse, da sie nun einmal vor allem auf dem Gebiet des Großherzogtums entstanden ist und geformt wurde. Warum man deswegen jedoch sämtliche Verantwortung über die Weiterentwicklung des Deutschen und Französischen abgeben sollte, ist nebulös. Diese Denkweise ist in letzter Konsequenz sogar gefährlich.

Diskussionen in sozialen Netzwerken über Mehrsprachigkeit oder die Förderung des Luxemburgischen beinhalten so gut wie immer die Formulierung „eis Sprooch“. Unsere mysteriöse Sprache, die kaum noch zu hören oder gar vom Aussterben bedroht ist oder die „die Ausländer*innen“ gefälligst mal lernen sollten. Nun ist es verständlich, die eigene Erstsprache als etwas natürliches, beinahe angewachsenes zu verstehen. Hier versteckt sich jedoch eine biologistische Denkweise: Den autochthonen Luxemburger*innen ist diese Sprache – eine einzige, das Luxemburgische nämlich – in die Wiege gelegt und nur sie können sie richtig sprechen. Andere Sprachen sind „fremd“ und müssen mühsam erlernt oder ihr Einfluss gar abgewehrt werden. Wegen diesen gefühlten Wahrheiten eignet sich die Sprachdebatte auch so gut, um wie ein trojanisches Pferd Rassismus zu transportieren.

Dabei wäre es als Einwohner*innen Luxemburgs eine gute Idee, sich auch für Deutsch und Französisch zu interessieren. Als Mitglieder der Francophonie und der deutschsprachigen Länder sind Französisch und Deutsch genauso „unsere“ Sprachen. Auch wenn der Schluss naheliegen mag: Sprachen gehören nicht einzelnen Ländern, es gibt keine linguistischen Hoheitsgebiete. Das zeigt alleine schon die Literatur – so selbstverständlich wie luxemburgische Autor*innen auf Deutsch, Französisch, Englisch und eben auch Luxemburgisch publizieren, so selbstverständlich sollten wir alle drei unserer Amtssprachen als „unsere“ Sprachen begreifen.

Überhaupt ist es spannend zu sehen, dass der Kampf für die luxemburgische Sprache – prominent angeführt von ADR und „Wee 2050“ – sich eher an Nebenschauplätzen wie Ortstafeln aufhängt. Luxemburgischsprachige Literatur, Theaterstücke, Filme oder andere Kunstproduktionen spielen überhaupt keine Rolle. Wäre hier nicht der geeignete Hebel, um das Luxemburgische aufblühen und sich entfalten zu lassen, um neue Wortschöpfungen und Redewendungen entstehen zu lassen, statt wahlweise eine Germanisierung oder Frankophonisierung zu monieren?

Mit ihren gefühlten Wahrheiten eignet sich die Sprachdebatte gut, um wie ein trojanisches Pferd Rassismus zu transportieren.

Auch die Luxemburgistik, die Forschung über die luxemburgische Sprache und Kultur, scheint bei den Rechtspopulist*innen und ihren Anhänger*innen auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Das mag daran liegen, dass bauchgefühlte Wahrheiten sich besser in reißerische Facebookposts verpacken lassen als linguistische Forschungsergebnisse. Wenn das Thema Sprache dazu dient, einen nationalen Mythos und ein Bedrohungsszenario aufzubauen, kommt ein Forschungsprojekt wie die App „Schnëssen“, die die Vielfalt des Luxemburgischen aufzeigt, nur in die Quere – was erklärt, wieso die selbsternannten Sprachretter*innen ihre enorme Reichweite nicht dazu nutzten, das Projekt der Uni Luxemburg bekannter zu machen.

Die Debatte um die luxemburgische Mehrsprachigkeit ist kompliziert, gerade wenn es um den Spracherwerb in der Schule geht. Es reicht deswegen nicht, sich auf „unsere Sprache“ zu fokussieren und unsere beiden anderen Sprachen auszublenden. Wer über Mehrsprachigkeit reden will, muss dies möglichst polyglott tun – und mit dem Selbstbewusstsein, dass weder Französisch noch Deutsch von anderen ausgeliehen sind.


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