AVENIR DE L’EUROPE: Kein Bock auf Europa

Welche Zukunft wünschen sich LuxemburgerInnen für „ihre“ Europäische Union? Die Frage bleibt offen. Der Grund: Das Projekt Europa interessiert kaum jemanden. Auch im Herzen Europas, in Luxemburg.

Ihre Meinung ist gefragt: In den vergangenen Wochen fanden Luxemburgs BürgerInnen Post aus Brüssel in ihren Briefkästen. „Pour l’Europe vous avez votre mot à dire“, heißt es im Fragebogen. Darin werden die EmpfängerInnen aufgefordert, sich am „débat européen“ zu beteiligen. Und weil Europa technisch auf dem neuesten Stand ist, können moderne EuropäerInnen in Luxemburg das jetzt auch per Internet tun.

www.avenir-europe.lu, so der heiße Tipp für Diskussionswillige, „L’Europe en quelques clics“, so das mutige Versprechen, das dort gemacht wird. Wer sich weiter vorwagt, merkt jedoch gleich: Hier werden die üblichen EU-Sites angepriesen – und wer diese Web-Adressen schon einmal aufgesucht hat, weiß: Mit einigen Mausklicks ist es hier nicht getan. Wer Europa wirklich verstehen will, muss sich auf längere Internet-Sitzungen einstellen.

Auf der von der Luxemburger Regierung und der Chambre des Députés angebotenen Homepage herrscht dennoch das Motto: „L’europe, une union pour l’avenir de tous!“ vor. SurferInnen sollen sich aktiv an der EU-Debatte beteiligen – die Seite bietet dazu gleich zu mehreren Themenbereichen die Gelegenheit. Mit zwei Mausklicks gelangt man zum Beispiel über „Dialoguons ensemble“ ins Forum „Que représente pour vous l’Europe?“. Hier hat sich neben drei anderen Web-NutzerInnen „Patrick“ zu Wort gemeldet: „Ass ët nët méigeléch dës Internetsäit op Lëtzebuergësch ze veröffentléchen?“, so sein kurzer Beitrag.

Größere Dialogbereitschaft können auch die anderen Foren nicht bieten. Im Gegenteil – unter „Déclaration de Nice“ herrscht gähnende Leere, was möglicherweise eng damit zusammenhängt, dass selbst EU-Interessierte kaum ahnen, welch spannende Diskussion sich hinter diesem verlockenden Titel verbergen könnte. „Europa bleiwt net nemmen esou komplizéiert et get sougur nach vill méi komplizéiert an et wärd och emmer méi Leit gin, déi dovun neischt wellen wessen“, lautet es vielsagend im einzigen Beitrag unter „Le fonctionnement des Institutions“.

Draußen im realen Luxemburger Leben sah das Resultat dieser Kampagne für die Europäische Union nicht besser aus: Zum Dialog-Abend am 17. November fand niemand den Weg in den Escher Lycée Technique – die Veranstalter warteten vergeblich auf ihren ersten Dialogpartner. Was war passiert? Die Antwort scheint naheliegend: Am Desinteresse am Projekt Europa kann auch eine großangelegte PR-Aktion nicht viel ändern. Ob Broschüre, Internet-Auftritt oder Fragebogen: Die dröge, wenig einfallsreiche Aufmachung war kaum dazu geeignet, EU-gelangweilte BürgerInnen wachzurütteln. Vielmehr lässt sie den Verdacht aufkommen, es handele sich um eins der vielen Projekte, für die sowohl die finanziellen Mittel als auch die Anweisungen aus Brüssel stammen.

Wer den Menschen die komplizierte europäische Realität wirklich näher bringen will, muss ein wenig mehr bieten. Die Frage, ob es überhaupt gelingen kann, ist allerdings ebenso offen wie die nach der Zukunft Europas. Kommission, Rat und Europaparlament bieten ausreichend Stoff, um den Glauben an eine transparente Union, deren Funktionen außerhalb der EU-Institutionsmauern noch nachzuvollziehen sind, zu erschüttern. Dies bekommen wiederum nur wenige mit. Und genau das sollte ja eigentlich www.avenir-europe.lu ändern.


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