KLIMAGIPFEL: Lizenz zum Klimakill

Auf Klimakonferenzen steht nicht der Klimaschutz, sondern dessen Umgehung ganz oben. In Marrakesch wird zurzeit weiter an der offiziellen Lizenz zur Luftverpestung gearbeitet. Die EU ist mit von der Partie.

Nach der 6. Klimakonferenz im Sommer jubelten sowohl die VertreterInnen der verhandelnden Regierungen als auch die so mancher Umweltschutzorganisationen. Nach dem Motto „Ein schlechter Vertrag ist immer noch besser als gar keiner“ wurden die Bonner Beschlüsse als „Durchbruch“ in Sachen Klimaschutz gefeiert. Trotz des Ausstiegs der USA aus den Gesprächen hieß es triumphierend: „Das Kyoto-Protokoll ist gerettet.“ Dass damit keineswegs das Weltklima gerettet ist, haben inzwischen einige NGO und Umweltinstitute nachgerechnet: Laut „World Wide Found for Nature“ (WWF) sind für Industrienationen statt 5,2 realer Minderung beim Ausstoß von Kohlendioxid nur noch 1,8 Prozent nötig. Schuld an der drastischen Verringerung der eigenen Verpflichtungen sind die so genannten „Schlupflöcher“: die Möglichkeit, CO2- aufnehmende Wälder (so genannte Senken) oder zugekaufte Emissionslizenzen auf die Reduktionsziele anrechnen zu lassen.

Wurden in Bonn die Basics verhandelt, geht es auf der noch bis zum 9. November andauernden 7. Klimakonferenz in Marrakesch um deren technische Umsetzung: Die Bonner Beschlüsse müssen in einen Vertragstext gegossen werden. Der Teufel steckt dabei im Detail. Auch wenn dieser Gipfel weitaus weniger von den Medien beachtet wird, steht Folgenschweres auf dem Programm. Wahrscheinlich ist, dass die internationale Staatengemeinschaft ihr Engagement für ein besseres Weltklima ein weiteres Stück verwässern wird.

Die EU hat sich in Sachen Klimaschutz bekanntlich im Lager der „Guten“ eingerichtet. Vor allem neben dem „Klimaschurken“ USA fällt es ihr leicht, diese Rolle überzeugend zu spielen. Das, obwohl auch die Länder der Europäischen Union in Bonn einen erstaunlichen Umschwung demonstrierten. Hatten sie sich zuvor stets gegen die Verlagerung der eigenen Maßnahmen zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen gewehrt, schienen diese Bedenken im Sommer wie weggeblasen. „Die Industrieländer haben seit Bonn eine Lizenz zur Luftverpestung erhalten“, sagt deshalb beispielsweise die Umweltorganisation Aseed.

Schuld an der Light-Version des Klimavertrags sind die Länder, die neben den USA ebenfalls dem Lager der Bösen zugerechnet werden: Japan, Russland, Kanada. Es wurde beschlossen, dass sie fast die Hälfte ihrer CO2- Abbauverpflichtungen mit der Anrechnung ihrer großen Waldbestände erledigen dürfen. Ein Kompromiss, dem die EU laut eigenem Bekunden „nur widerwillig“ zugestimmt hat. Wieso sie es dennoch getan hat, bleibt undurchsichtig.

In Marrakesch geht es vor allem um Zahlen: Welches Datenmaterial müssen Länder vorlegen, um ihre Klimaschutzaktivitäten zu belegen, was passiert, wenn diese Angaben nicht korrekt sind? Was, wenn Bäume der Atmosphäre tatsächlich nicht so viel CO2 entziehen wie dem nationalen Konto gutgeschrieben wurde? Wie muss ein Staat die Wirkung von Senken beweisen? Russland hat inzwischen angekündigt, dass es noch einmal an den Bonner Basics rütteln und die Obergrenzen für die Senken nachträglich verändern will. Man werde auf keinen Fall nachgeben, hieß es in der EU-Delegation. Eins steht fest: Die Bonner Basics werden mit Sicherheit nicht mehr nach oben, sehr wahrscheinlich jedoch weiter nach unten korrigiert.

Am 23. Oktober verabschiedete die EU-Kommission ein Paket von Initiativen zur Bekämpfung der Klimaänderung. Mit diesen Vorschlägen wolle man das Ziel der EU unterstützen, „bei der Bekämpfung der Klimaänderung eine Führungsrolle zu übernehmen“, so Kommissarin Margot Wallström. Wohin die EU die anderen Staaten führen will, sagt Wallström auch: „Ein wichtiger Eckpfeiler“ der EU-Strategie sei das Emissionshandelssystem. Denn, so Wallström, „der Emissionshandel wird die Kosten der Emissionsverringerung senken, indem er sicherstellt, dass diese dort erfolgen, wo es am billigsten ist“.

Ein Kommentar von Danièle Weber


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