ARBEITSPLATZABBAU: Porzellan kitten

Villeroy & Boch legt Wert auf Tradition – auch in puncto Personalpolitik. Die geplanten massiven Kündigungen reihen sich ein in die lange Kette eines gezielten Personalabbaus.

„195 Arbeiter sollen entlassen werden – aber wo bleibt der Widerstand?“ fragt der Leitartikler der „Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek“ empört. Wenn auch im üblichen altlinken Slang, das kommunistische Blatt war die einzige Tageszeitung, die sich angesichts des von Villeroy & Boch angekündigten radikalen Stellenabbaus wirklich erboste. Und sogar „eine gewisse Gewerkschaftsbürokratie“ nicht verschonte, welche mithelfe, die „Seuche“ Sozialpartnerschaft zu verbreiten.

Würde der Stellenabbau bei einer Bank oder in der Stahlindustrie vonstatten gehen, wäre die Reaktion der Öffentlichkeit auf diesen Kahlschlag – immerhin sollen 28,5 Prozent der Belegschaft entlassen werden – tatsächlich wohl eine andere. Sollte das wohl daran liegen, dass in diesem Betrieb vier Fünftel der Beschäftigten von jenseits der Grenze kommen, und dass 59 Prozent der von den Kündigungen betroffenen Arbeiterschaft Frauen sind? Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass bei Villeroy die Effektive des Standorts Luxemburg reduziert werden: Im Jahr 2000 waren bereits 85 Arbeitsplätze abgebaut worden, und insgesamt hat die Firma – nicht allein in Luxemburg – seit 1997 eine Politik des systematischen Stellenabbaus betrieben.

Die anstehenden Kündigungen motiviert Villeroy mit Absatzschwierigkeiten, der Konkurrenz von Billigländern und der Automatisierung der Produktion. Wer sich allerdings eingehender mit der Politik des Porzellanproduzenten befasst, muss gegenüber dieser Argumentation stutzig werden. Sicher, das aktuelle europäische Konjunkturtief geht gerade an einem Produktbereich nicht vorbei, der einerseits bei der Kundschaft auf gehobenere Ansprüche setzt und der andererseits die Schwankungen der Währungskurse zu spüren bekommt. Villeroy gibt aber selbst an, dass die Produktionskapazitäten in Luxemburg durch den Einsatz von Robotern stark erhöht werden sollen. Und die Firma setzt seit Jahren gezielt auf eine Politik der Diversifizierung und des Outsourcing. So wurden massiv Joint Ventures bzw. Übernahmen von Betrieben aus Skandinavien, Tschechien, der Slowakei oder Italien angeleiert. In einer Mitteilung von Ende Oktober heißt es gar, dass der in Luxemburg gegründete, aber von Mettlach aus geleitete Keramikspezialist für 2004 wieder mit „einer Rückkehr in die Gewinnzone“ rechne. Aus all diesen Faktoren ergibt sich eher der Eindruck einer gezielten Firmenstrategie denn einer unerwarteten Krise. Dass der Ableger Luxemburg dabei arg in Mitleidenschaft gezogen wird, interessiert den zum „global player“ mutierten einstigen Familienbetrieb da wenig. Es dürfte wohl vor allem der Prestige-Faktor „Traditions-Standort“ sein, der letzteren bislang vor noch radikaleren Konsequenzen geschützt hat. Automatisierung ist Trumpf: Da werden nicht nur Arbeitsplätze überflüssig, es lohnt auch nicht mehr, ältere Akkordarbeiterinnen für die technischen Entwicklungen fit zu machen. Von der an sich positiven Modernisierung profitiert wieder mal die Firma, nicht die Belegschaft.

Nun dürfen die Gewerkschaften der völlig überrumpelten Belegschaft helfen, den Schock zu verdauen, und den Arbeitsplatzabbau so erträglich wie möglich zu „gestalten“. Zwar wurde von dieser Seite angedeutet, das Thema Arbeitszeitverkürzung dürfe bei den anstehenden Verhandlungen kein Tabu sein. Prioritär aber werden die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen anvisiert: Drücken der Kündigungszahl, Suche nach internen oder externen Ersatzarbeitplätzen und das Aushandeln der „Enveloppe“, sprich einer Abgangsentschädigung. Widerstand steht bislang nicht auf dem Programm.


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