Einheit nur in der Ablehnung: Die italienische Regierung kriminalisiert Flüchtlingshelfer, und die deutsche blockt ab, indem sie auf die Drittstaatenregelung verweist. Derweil schiebt Luxemburg weiter AsylbewerberInnen ab.
Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Cap Anamur mehr als zehntausend vietnamesische Flüchtlinge im südchinesischen Meer rettete. Erst kürzlich setzte die Flüchtlingshilfsorganisation ein neues Rettungsschiff ein. Im Juni nahm dieses im Mittelmeer 37 Flüchtlinge aus dem Sudan auf. Die dreiwöchige Odyssee der neuen „Cap Anamur“ endete erst vor wenigen Tagen.
Einen „gefährlichen Präzedenzfall“ hätten die Flüchtlingshelfer damit geschaffen, sagte Italiens Justizminister Roberto Castelli. Schließlich gilt den EU-Staaten die italienische Küste ob ihrer Durchlässigkeit für unerwünschte ImmigrantInnen als heikel, weshalb die Regierung in Rom besonders bemüht ist, die Grenzen ihres Landes dicht zu halten.
Die Landung der „Cap Anamur“ stellt jedoch alles andere als einen Präzedenzfall dar. Täglich machen sich Menschen aus Afrika, die vor Krieg und Elend fliehen, auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer. Tausende sind dabei schon ertrunken.
Nun hegt die italienische Regierung Zweifel an der Herkunft der Flüchtlinge. Sie seien nicht etwa aus der westsudanesischen Kriegsregion geflohen, sondern kämen aus Ghana und Nigeria. Doch auch zumindest aus Nigeria fliehen Menschen vor kriegerischen Konflikten.
Jetzt aber nur auf die italienische Regierung oder auf das kleine Malta einzuschlagen, wo die „Cap Anamur“ zuerst anzulegen versuchte ist gänzlich fehl am Platze. Auch die deutsche Regierung mauert – und weigert sich, den Flüchtlingen Asyl zu gewähren. So wirft das Innenministerium in Berlin der Flüchtlingshilfsorganisation vor, ihr sei es nur um die Selbstdarstellung gegangen. Dabei verlief die Rettungsaktion nicht etwa deshalb so spektakulär, weil die Nothelfer Medienprofis mit einem guten Riecher für gelungene PR sind, sondern weil die Flüchtlinge erst nach drei Wochen Irrfahrt an Land durften. Das ist der eigentliche Skandal, und nicht, dass die „Cap Anamur“ Hoheitsrechte verletzte.
Die Organisation musste zu den drastischen Mitteln greifen, weil es zur EU kaum noch legale Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge gibt. Je strenger die Gesetze sind, umso leichter ist es, sie zu verletzen – und umso leichter ist es, jemanden zu kriminalisieren. Die italienischen Behörden haben die Flüchtlingshelfer wegen Begünstigung illegaler Einwanderung festgenommen und wie eine Schleuserbande behandelt. Dabei gehört es laut Artikel 98 der UN-Seerechtskonvention zu den Pflichten eines Schiffskapitäns, in Seenot geratene Menschen zu retten. Wenn die Affäre also einen Präzedenzfall darstellt, dann höchstens dafür, dass die Rettung anderer Menschen in Zukunft bestraft wird. Unterlassene Hilfeleistung, wie es Italien und Malta drei Wochen lang betrieben, wird somit salonfähig.
Das Gerangel um die Zuständigkeit zwischen Italien, Malta und Deutschland ist geradezu peinlich. Und es offenbart die verfehlte europäische Flüchtlingspolitik. Statt einheitlicher EU-Standards und eines gemeinsamen Projekts der Lastenverteilung gibt es vor allem eine Einheit in der Ablehnung – Abschiebung als gemeinsamer Nenner. Da nimmt sich auch die luxemburgische Regierung nicht aus: Die setzte ihre konsequent harte Abschiebepolitik fort, indem sie am vergangenen Wochenende erneut 45 abgewiesene AsylbewerberInnen nach Montenegro zurückfliegen ließ. Darunter waren sogar kranke Kinder. Auch ein Präzedenzfall. Aber das scheint in Zeiten, in denen FlüchtlingshelferInnen kriminalisiert werden, keine Regierung mehr zu stören.