PRESSEFREIHEIT: Rauchzeichen gegen Überwachung

Die Christ-Sozialen kontrollieren den eigenen CSV-Staat nicht mehr. Um den Schaden zu begrenzen, wird kurzum die Pressefreiheit über Bord geworfen.

Steuerstrafe wegen unerlaubter TVA-Ermäßigung gegen den Innenminister Wolter in Sachen nationales Tenniszentrum, „Plätterchers-Affär“ desselben Ministers, „amende“ wegen eines zu tief angesetzten Fiskalwertes einer Eigentumswohnung der Luxemburger EU-Kommissarin Reding und so weiter: Das „Flächenbombardement des Enregistrement-Direktors auf den CSV-Staat“, wie es ein Journalist aus der Bistumszeitung einmal bezeichnet hat, weitet sich aus und bleibt nicht ohne sich ausbreitende Kollateralschäden.

Eine Woche, nachdem Klage gegen den Journal-Chefredakteur Rob Roemen wegen „recel de secret professionnel“ erhoben wurde, ist es immer noch schwer zu verstehen, wie solch ein Vorgang im sonst so behäbigen Luxemburg überhaupt stattfinden konnte. Die Vorgeschichte ist nahezu klassisch: Einem Journalisten wird eine – im übrigen korrekte – Information über einen Minister zugespielt, die er ohne Angabe der Quelle veröffentlicht. Durfte dieser Kollege die Information nicht verbreiten, nur weil sie ihm auf wahrscheinlich illegale Weise zugetragen wurde?

Dass die Veröffentlichung just an dem Tag geschieht, an dem der Minister ein schwieriges Gesetz in der Chamber absegnen ließ und sich somit dem hämischen Protest Tausender betroffener StaatsbeamtInnen ausgesetzt sah, ist vielleicht ein schlechter Stil. Zumindest wird so der journalistische Zweck erfüllt, die etwas delikate Angelegenheit möglichst vielen BürgerInnen bekannt zu machen.

Hätte Roemen den oder die InformantIn preisgegeben, wäre der ihm jetzt vorgeworfene Tatbestand hinfällig gewesen. Aus guten Gründen tat er das nicht, denn Pressefreiheit und Quellenschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.

Auch wenn ein Journalist dazu verpflichtet ist, zu prüfen, ob seine Informationen echt sind und zu erwägen, inwiefern überhaupt ein öffentliches Interesse besteht: Unabhängig von der Veröffentlichung gilt das Prinzip des Quellenschutzes. Ausnahmen gibt es selbstverständlich auch hier. Zum Beispiel, wenn die Preisgabe einer Quelle ein schwerwiegendes Verbrechen verhindern könnte. Das Ausposaunen steuerrelevanter Informationen durch mehr oder weniger frustrierte BeamtInnen hingegen dürfte den Staat kaum erschüttern. In dieser Hinsicht ist das eingangs erwähnte Bild des Wort-Kollegen wohl etwas überzeichnet.

Das hat die Justiz aber nicht davon abgehalten, neben zwei Steuerbeamten auch den Artikelschreiber zu verklagen. Sie stützt sich dabei auf detaillierte Telefonlisten, in denen akribisch nachgewiesen wird, wo und wann wer mit wem wie lange telefoniert hat. Der Inhalt der Gespräche wurde nicht erfasst, dazu hätte es einer speziellen Genehmigung bedurft. Telefonlisten einzusehen, unterliegt jedoch bisher keiner besonderen Einschränkung, zumal es die technischen Möglichkeiten dazu noch nicht allzu lange gibt.

Wie es der Zufall will, trat dieser Tage der Justizminister mit einem entsprechenden Gesetzesvorschlag vor die Chamber. Der Text allerdings gibt kaum Anlass zur Beruhigung. Den UntersuchungsrichterInnen soll weitgehend freie Hand gegeben werden, sobald sie in einer Sache ermitteln, für die ein Strafrahmen von mindestens sechs Monaten Gefängnis vorgesehen ist. Führt der Verdacht nicht zu einer Anklage, kann es bis zu zwei Jahren dauern, bis die so Observierten über die Überwachung ihrer Telefonleitungen informiert werden. Dauerverdächtige wie Rob Roemen täten gut daran, sich auf den Gebrauch von Rauchzeichen umschulen zu lassen. Um Telefone machen sie in Zukunft lieber einen großen Bogen.

Ein Kommentar von Richard Graf.


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