FLUTKATASTROPHE: Solidarität und Schutz für alle

Ein weltweiter Zivilschutz könnte Katastrophen wie die in Südostasien zumindest mindern helfen.

Über eine Million Obdachlose und wohl mehr als 120.000 Tote – das ist die schreckliche Bilanz der Flutkatastrophe im Indischen Ozean. Dabei hätten die Zahlen weit weniger schlimm ausfallen können: Wenn es in der Region ein Frühwarnsystem für Tsunamis gegeben hätte, und wenn Warnhinweise richtig weitergeleitet worden wären. Die Zeit zwischen dem Beben und der Ankunft der ersten Flutwellen an den Küsten, da sind sich Experten einig, hätte ausgereicht, um Indien, Sri Lanka und vielleicht sogar Thailand warnen zu können.

Tatsächlich hatte das Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) auf Hawaii zwei Meldungen herausgegeben, in denen es vor der Möglichkeit von Tsunamis warnte. Deren Weiterleitung misslang – weil es in der Region keine Ansprechpartner gab. Neben Thailand, dessen Meteorologen und Radiostationen Warnungen über eine mögliche Flut offenbar aus Sorge um den Tourismus herunterspielten, wussten anscheinend auch die indische Luftwaffe und das indische Wetteramt von dem der Flutwelle vorausgegangenen Erdbeben. Die lebensrettenden Informationen wurden aber nicht an die richtigen Stellen weitergeleitet. Kein Wunder also, dass wenige Tage nach der Flut die Regierungen Südostasiens immer stärker unter Druck geraten.

Sicher, die meisten der betroffenen Länder sind arm. Dass Indien trotz mehrmaliger Aufforderung von Experten aus Finanznot bisher kein effektives Frühwarnsystem installiert hat, ist vielleicht noch nachvollziehbar. Dass aber die Soforthilfe vielerorts nur zögerlich in Gang kommt, weil pingelig an aufwändigen bürokratischen Prozeduren festgehalten wird und korrupte Beamte lieber die Hand für ein Bakschisch aufhalten statt zu helfen, ist schwer verständlich. Geradezu skandalös ist das Verhalten der Behörden im Epizentrum des Bebens Aceh: Weil die indonesische Regierung die seit Monaten hermetisch abgeriegelte Bürgerkriegsregion nur sehr zögerlich für zivile Hilfsorganisationen öffnet, ist dort das Überleben zehntausender Menschen gefährdet.

Damit nicht fehlendes Geld, Korruption und nationale Befindlichkeiten über Tod und Leben im Katastrophenfall entscheiden, sind dringend Reformen nötig. Die Unterstützung muss besser abgestimmt und kontrolliert werden. Warum nicht einen echten weltweiten Zivilschutz im Rahmen der Vereinten Nationen aufbauen, der über die nötigen Befugnisse und Mittel für einen permanenten humanitären Einsatz verfügt?

Im Zeitalter von Globalisierung müsste es doch möglich sein, ein internationales Frühwarnsystem aufzubauen und entsprechende übergeordnete Katastrophenpläne zu erstellen und zu koordinieren. Das gilt nicht nur für den Indischen Ozean. Auch im Atlantik, zum Beispiel in der Vulkanregion der Kanaren, fehlen bisher Meldestationen. Diese – und entsprechende öffentliche Rettungspläne für die jeweiligen Bevölkerungen sowie zugereiste Touristen – könnten helfen, die Zahl der Opfer wenigstens zu verringern. Denn Augenzeugenberichten zufolge sind, offenbar aus Unwissenheit, zahlreiche Menschen den Wellen aus Neugier zunächst entgegen gelaufen. Eine tödliche Fehleinschätzung, vor der das West Coast & Alaska Tsunami Warning Center in seinen „Safety rules“ auch dringend warnt.

Bei der Nothilfe darf es jedoch nicht stehen bleiben. Der längerfristige Wiederaufbau ist mindestens so wichtig, wird aber oft genug – sind die ersten Bilder des Schocks und das erste Mitleid erst einmal verpufft – vergessen und den Einheimischen überlassen. So soll Iran, das unter dem Eindruck von 30.000 Erdbeben-Toten vor einem Jahr rund eine Milliarde Dollar aus aller Welt versprochen bekam, Zeitungsinformationen zufolge kaum ein Prozent davon tatsächlich erhalten haben.

Zudem hat ein internationaler Katastrophenschutz eine – wünschenswerte – pädagogische Dimension. Damit rücken hoffentlich auch diejenigen wieder stärker in den Blick, die am stärksten betroffen sind. Insbesondere deutsche TV-Sender kennen derzeit eigentlich nur eine Sorte Opfer: den (deutschen) Urlauber. So tragisch auch ihr Verlust der Lieben ist: Die zehntausende einheimischen Opfer dürfen darüber nicht vergessen werden.


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