Popkultur prägt das Lebensgefühl. Die Medienkünstlerin Candice Breitz hat sich mit diesem Aspekt der Identitätsstiftung beschäftigt.
„Be My Somebody“, so eine Textzeile aus dem Liedgut des „enfant terrible“ des Rock, Marilyn Manson. Und so lautet auch der Titel der Mudam Ausstellung, die zurzeit Werke der in Johannesburg geborenen Künstlerin Candice Breitz zeigt.
Die südafrikanische Foto- und Medienkünstlerin ist in der Kunstszene keine Unbekannte mehr. 2005 war ihre Videoinstallation bei der Kunst-Biennale in Venedig ausgestellt: Auf Bildschirmen waren männliche und weibliche Hollywoodschauspieler zu sehen, die erzählten, wie es ist, Vater beziehungsweise Mutter zu sein. Ihre Arbeiten beschäftigen sich im weitesten Sinne mit Identität. „Es geht mir darum zu beschreiben, wie wir wurden, wer wir sind“, meinte Breitz einmal in einem Interview. Auch „Be my Somebody“ kreist um diese Frage. Breitz untersucht mittels ihrer Fotografien und Videoinstallation die „künstliche“ Beziehung, die sich zwischen einem Musikidol und seinen Fans bildet. Denn Popkultur und Medien produzieren Identifikations- und Projektionsflächen in Form von Superstars. Und stehen somit am Ursprung prägender Rollenklischees, individueller und kollektiver Identitäten.
„Monuments“ nennt Breitz ihre große Fotoserie, die in Berlin entstanden ist: Fünf großformatige Digitaldrucke, die an Stillleben erinnern. Jeweils unterschiedliche Fangruppen in den Posen und Kostümen ihrer Idole, mit den Attributen ihrer Stars – von Iron Maiden, Britney Spears, The Grateful Dead, Abba bis Marilyn Manson – sind in einem für das jeweilige Musikgenre typischen Ambiente versammelt. Ausgesucht wurden die Porträtierten auf Fanseiten und mittels Inseraten in Zeitschriften. Die Fotoserie wirkt auf den ersten Blick banal. „Ich nutze die Konventionen von Gruppenporträts, aber fotografiere ?Outsider-Gemeinschaften'“, so Breitz. Diese Outsider-Gemeinschaften sind in Zeiten von MTV und Hollywood jedoch nicht minoritär, auch wenn ihre Identität – im Gegensatz zu den Stars – meist unsichtbar bleibt. Hier werden die Bilder von Breitz politisch. Denn sie zeigen, wie jeder Einzelne durch die Pop- und Medienkultur manipuliert wurde. Der Starkult und die vermarktete Illusion haben eine eigene Bedeutung im Leben des Einzelnen gefunden – nicht nur in puncto Fan-Devotionalien. Pop nimmt zunehmend den Platz von Kultur ein. Pop wird zum Soundtrack des eigenen Lebens und der eigenen Sehnsucht.
Unüberhörbar ist ihre Videoinstallation, kurz „King A Portrait of Michael Jackson“ genannt. Sie ist Teil einer Reihe von Filmaufnahmen, die Breitz mehr oder weniger nach dem gleichen Prinzip gedreht hat: Vor laufender Kamera tanzen und singen Fans zur Musik ihrer Idole, die Aufnahmen werden anschließend als simultan abgespielte Videoprojektionen gezeigt. Bisher entstanden so „Porträts“ von Bob Marley und Madonna, von Michael Jackson und von John Lennon.
Bei „King“ hat Breitz Fans von Michael Jackson gebeten, vor einem schwarzen Hintergrund alle Songs des legendären Thriller-Albums zu singen. Gute 42 Minuten lang. Und obwohl alle Teilnehmer das gleiche Popalbum aufführen, könnten die Unterschiede zwischen den Fans in ihrem leidenschaftlichen Bemühen, mit ihrer Poplegende zu verschmelzen, kaum größer sein: Menschen unterschiedlichen Geschlechts und Alters – von der Hausfrau über den Studenten bis hin zur Bauchtänzerin – imitieren einerseits so gut wie möglich das Gebaren ihres Idols und stellen sich andererseits auch selbst dar. Deutlich wird, dass zwischen dem „Star“ und seinen Adepten Welten liegen. Die Aufführung wirkt lächerlich, da die einzelnen Sänger nicht instrumental begleitet werden, nur sie hören die über Kopfhörer eingespielte Musik. Das Resultat: Schräger Gesang und teils übertriebene kathartische Inszenierung. Dadurch, dass die Beiträge zudem simultan laufen, wirkt die Aufführung wie ein polyphon-chaotischer Gospelchor.
Insgesamt ist die Auseinandersetzung von Breitz nicht ganz neu. Zwar beschäftigt sie sich mit einem interessanten Sujet, sie lotet es jedoch eher auf poppige und oberflächliche Weise aus.
Mudam, bis zum 22.9.
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