Kostenfreie Reformen sind eine Illusion. Das gilt auch für die Abschaffung des Arbeiterstatuts.
„Déi Lénk“ haben es auf den Punkt gebracht: Die derzeit diskutierten „Kompromiss“- Vorschläge zum „statut unique“ verheißen nichts Gutes. Eine Ausweitung der bisher bei den Privatbeamten geltenden Lohnfortzahlungsregelungen im Krankheitsfall auf die Arbeiterschaft – zumal in Verbindung mit den vom Patronat geforderten Einschränkungen – bedeutet eigentlich: keinen Fortschritt. So gesehen sollten es die Sozialpartner doch lieber beim Status quo belassen.
Die Diskussion um die Reform war ohnehin von Anfang an vergiftet. Denn die Unternehmer wollten die Gunst der Stunde nutzen, um mit dem angeblich ebenso maßlosen wie unberechtigten Krankfeiern der Arbeitnehmer aufzuräumen. Ihr Vorwurf: Zu großzügig ausgelegte Bestimmungen über Lohnfortzahlung und zu wenig Kontrollen laden zum unerlaubten Fernbleiben vom Arbeitsplatz geradezu ein.
Die Gewerkschaften waren ihrerseits bestrebt die nur noch historisch erklärbaren Unterschiede für Arbeiter und Angestellte im Arbeitsrecht aufzuheben. Wobei die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eigentlich die weniger Wichtige war: Ob der Unternehmer oder die Krankenkasse bei Krankheit den Lohn überweist, ist für die Betroffenen weniger entscheidend. Es sind vielmehr Regelungen wie die bezüglich der Entlohnung von Überstunden oder der Übergangsgelder bei Entlassungen, die deutlich machen, dass Arbeiter per Gesetz immer noch weniger wert sind als Angestellte.
Dabei war von vorneherein klar, dass im Sinne des sozialen Fortschritts ein ausmerzen dieses Klassenunterschieds nur erreicht werden kann, wenn die jeweils bestmögliche Regelung Anwendung findet. Die Frage, ob 25 oder 50 Prozent Aufschlag für Überstunden der bessere „soziale Standard“ sind, lässt sich unschwer beantworten.
Eine Abwägung der beiden derzeit geltenden Lohnfortzahlungsregelungen ist weniger einfach: Die Angestellten haben zwar die niedrigeren Beitragssätze, weil die Kasse während der ersten drei Monate „nur“ die Arzt- und Klinikkosten sowie Medikamente zahlen muss. Zumindest auf dem Lohnzettel sparen Arbeitnehmer demnach jeden Monat etliche Euro. Die Arbeiterkasse verlangt fast doppelt soviel, weil sie vom ersten Tag an auch die Lohnfortzahlung der krank gemeldeten Arbeiter übernimmt.
Aber ist in diesem Fall das Arbeitermodell das Schlechtere? Es ist auf jeden Fall das Gerechtere, denn die Kosten für Krankheit und Arbeitsausfall werden entsprechend der anfallenden Lohnmasse auf alle Betriebe verteilt. Gerade kleine Betriebe, bei denen die Lohnfortzahlung durch den Betrieb bedeuten würde, dass ein personeller Ausfall aus finanziellen Gründen nicht oder nur schwer ausgeglichen werden kann, profitieren von einem solchen Modell – und zwar sowohl auf Arbeitgeber als auch auf Arbeitnehmerseite.
Die Arbeitgeberseite verfolgt jedoch ein anderes Ziel: Sämtliche Betriebe sollen sich in einer neu zu gründenden „Mutuelle“ versichern und die Lohnfortzahlung während einer gewissen Zeit übernehmen. Damit würde ein Prinzip der Sozialpartnerschaft durchbrochen, welches vorsieht, dass die Sozialversicherungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichberechtigt finanziert und verwaltet werden.
Erstaunlich ist dabei die zur Schau gestellte Einheitsfront der verschiedenen Arbeitgeberverbände. Die Handwerksbetriebe – deren Arbeitnehmer mehrheitlich dem Arbeiterstatus unterliegen – haben berechtigte Sorgen, wenn es von heute auf morgen heißt, sie müssen die Lohnfortzahlung selber in die Hand nehmen. Die Banken, Versicherungen und andere Sektoren mit hohem Angestelltenanteil wissen, was sie zu verlieren haben: Niedrige Beitragssätze. Die Lohnfortzahlung haben sie bis jetzt ja sowieso leisten müssen. Deren Kosten haben längst Eingang in die betriebliche Kostenrechnung gefunden.
Geködert werden die Kleinen mit dem Modell der „Mutuelle“, von der nicht klar ist, wer das Sagen hat und ob die Beitragssätze nicht doch nach Sektoren gestaffelt werden und am Ende einmal mehr die arbeitsintensiven Betriebe das Gros der Last tragen.
Aber es wäre auch eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, wenn man den Arbeitnehmern vorgaukeln würde, das Einheitsstatut wäre für alle gleichermaßen gewinnbringend und würde den Angestellten allenfalls Beitragerhöhungen in homöopathischen Dosen abverlangen. Wen die Lohnfortzahlung durch die Kassen übernommen wird, werden auch die Angestellten mehr zahlen müssen. Das wäre zwar nicht billig, aber (ge-)recht.