FOTOGRAFIE: Nicht aufzuhalten

In welche Richtung die Reise geht wird bereits an der Art wie das Thema der Ausstellung „kommen a goen“ in der Galerie Schlassgoart präsentiert wird ersichtlich. In einer Vitrine im Eingangsbereich ist das Motto wie mit einem Finger in kalte Asche geschrieben. Das spricht nicht für die Darstellung von Bahnhofsschaltern, Restaurants oder ähnlichen Einrichtungen, sondern eher für eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit der Thematik des Todes.

In Bezug auf diesen Aspekt, den großen Kreislauf des Lebens und des Wachsens, des Verfalls und des Todes, eignet sich allerdings nahezu jede Darstellung in irgendeiner Form, jedes Kunstwerk und auch jeder Alltagsgegenstand dazu, in eine solche Ausstellung eingereiht zu werden. Unstrittig ist, dass das Thema auf jeden Fall immer geeignet ist, um Besucher in eine Galerie zu locken. Erwartet man sich von der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Tod doch vielleicht selbst ein bisschen mehr Hellsichtigkeit oder zumindest neue Blickwinkel.

In der traditionsreichen Galerie, die vor drei Jahren im Pavillon du Centenaire in den Nonnenwiesen ihre neuen Räumlichkeiten bezogen hat, werden Fotografien des luxemburgischen Künstlers Jean Luc Koenig gezeigt, die sich eben in diesem Sinn mit dem Kommen und Gehen auseinandersetzen wollen. Der Künstler scheint dabei in der Tat das Große und Ganze betrachtet zu haben, denn die verschiedenen Fotoserien wirken wie eine Zeitreise, die allerdings etwas zu früh abbricht.

Die ersten Serien widmen sich dem Wald, also dem Teil unserer mitteleuropäischen Welt, der am ehesten unsere Vorstellung von scheinbar unberührter Natur und dem mit ihr verbundenen Kreislauf des Lebens repräsentiert. Dazu kommt das fast in jedem Bild auftauchende Motiv eines nackten, bärtigen Mannes, dargestellt vom Künstler selbst, der oft unscharf in Bewegung, manchmal wie in einem Grab auf dem Rücken liegend in den Bildern zu sehen ist.

Dabei sind die Fotografien, abgesehen von den Bewegungsunschärfen des „wilden Mannes“, von einer bestechenden Klarheit und wenn man speziell die beiden Panoramen, von denen das eine sogar 360 Grad umspannt, anschaut, fallen einem vielleicht der eine oder andere Lichtfleck oder vorher unbemerkte, fein herausgearbeitete Zweige quasi in den Augenwinkel. Sie hauchen diesen Fotografien gewissermaßen Leben ein.

Das dargestellte Zusammenspiel von Wald und Mann weckt Assoziationen an eine romantische Vorstellung von urwüchsigen Neandertalern und der Betrachter gewinnt den Eindruck, hier würde einer ursprünglichen, religiösen Naturverbundenheit gehuldigt. Mit dieser Verbindung im Hinterkopf wird man vom nächsten Schritt kaum überrascht. Wie kein anderes Volk stehen die Maya für das Kommen und Gehen einer Zivilisation und so widmet sich der größte Teil der Ausstellung den Bauwerken und Monumenten dieser einstmals hoch entwickelten Kultur mit ihrer ausgeprägten, so genannten heidnischen Religiosität. In Brauntönen, grobkörnig und mit geringer Tiefenschärfe, erinnert die Technik in der die Fotografien umgesetzt sind, an Bilder aus der Zeit als diese noch in den Kinderschuhen steckte und der Eindruck des Verfalls wird noch verstärkt. In einem fließenden Übergang wird einer der Gründe für das Ende der Maya mitgeliefert – deren heidnische Symbole wechseln sich mit Insignien der christlichen Religion ab. Das obligatorische Kreuz, Madonnen und Jesus-Statuen zum Teil behängt und beschenkt mit Opfergaben, die wahrscheinlich das Kommen und Gehen aufhalten sollen. Darstellungen unserer Zeit, die unserer mitteleuropäisch geprägten Gesellschaft, aber dennoch weitgehend fremd sind.

Leider ist der Sprung in unsere hoch gepriesene Zivilisation ausgeblieben, in der Areligiosität, verdrängtes Naturverständnis und Konsumrausch eine Beschäftigung mit dem Kreislauf des Lebens und speziell mit dem Tod nicht erlauben. Obwohl doch gerade unsere Gesellschaft, diesen Kreislauf mit ihren Moden und deren Erscheinungen auf die Spitze getrieben hat.

„kommen a goen“ noch bis zum 30. November in der Galerie Schlassgoart.


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