Die Haltung der Regierung in Sachen Wohnungsbau ist zumindest widersprüchlich. Warum wird öffentliches Eigentum meistbietend verkauft, wenn die Preisspirale erklärtermaßen gebremst werden soll?
Minister, GemeindepolitikerInnen, öffentliche Bauträger, ArchitektInnen und sogar die Immobilienhändler scheinen sich in einem Punkt sehr einig zu sein. Sie alle haben – zuletzt in der RTL-Impulssendung vom vergangenen Sonntag – bestätigt: Instrumente, um die immer dringlicher werdende Wohnungsmisere und die Bauspekulation in den Griff zu bekommen, gibt es viele. Und zwar nicht erst, seitdem der Premier zum „Ruck durch den Wohnungsmarkt“ aufgerufen hat.
Dem Gesetz nach besteht für die Kommunen beispielsweise die Möglichkeit, EigentümerInnern von ausgewiesenen Bauflächen, die unbebaut bleiben, zum Bau zu ermahnen. Sollten diese der Aufforderung auch nach drei Jahren noch nicht nachgekommen sein, kann die Gemeinde – laut 37er Gesetz verantwortlich für Bau und Erhalt ausreichender Wohnungen – Unwillige sogar enteignen und die entsprechende Fläche selbst bebauen oder durch ein Bauunternehmen bebauen lassen.
Das ist sicherlich um einiges drastischer als die von Jean-Claude Juncker im vergangenen Jahr ausgesprochene Warnung vor einem stärkeren staatlichen Eingriff in den Bauimmobilienmarkt. Damals kündigte er an, „auch wenn einige darin die Wiederkehr eines Stücks Kommunismus erkennen mögen“, dass der Staat in größerem Umfang Grundstücke bereitstellen würde, „um denen das Handwerk zu legen, die glauben, sie könnten sich am Wunsch der Leute zum Bauen eine goldene Nase verdienen“.
Dieser erste Vorstoß gegen die Preisexplosion brachte keine Veränderung auf dem Wohnungsmarkt. Warum, liegt auf der Hand: Der Staat verfügt in den relevanten Regionen selbst kaum über Baulandreserven, um mäßigend auf die Marktpreise wirken zu können. Und dort, wo die öffentliche Hand über Flächen verfügt, auf dem Kirchberg etwa, erlaubt sie staatlich subventionierten Institutionen wie dem „Fonds d’Urbanisation du Kirchberg“ diese an den Meistbietenden zu verkaufen. Sollte für den Verkauf dieser Immobilien etwa das Argument der „sozialen Durchmischung“ gelten, mit dem Wohnungsbauminister Fernand Boden und der Direktor des „Fonds du logement de côut modéré“ jüngst die Versteigerung von 27 Appartements in auf der „Eecher Schmelz“ rechtfertigte? Die neue Offensive gegen Bauspekulation, da ist dem LSAP-Abgeordneten Mars di Bartolomeo zuzustimmen, wird unglaubwürdig, wenn der Staat mit gleichen, preissteigernden Methoden zu Felde zieht.
Dass die ImmobilienbesitzerInnen durch Steuergeschenke zum Verkauf „verführt“ werden sollen, macht Sinn – vor dem Hintergrund einer Wohnungsbauministers, welcher entscheidende Jahre für den Aufbau eines soliden staatlichen Wohnungsangebots verschlafen hat und es bis heute versäumt, den typisch luxemburgischen Wunsch nach einem Eigenheim zu hinterfragen. Statt konsequent dafür Sorge zu tragen, dass Kommunen mehr Handlungsfreiheit in Sachen Wohnungspolitik erhalten – mittels Vorkaufsrechten und ausreichender staatlicher Unterstützung bei den Folgekosten für Schulen, Kanalisation, Freizeiteinrichtungen etc. -, wird lieber der ohnehin begrenzte finanzielle Spielraum vieler Gemeinden mit unsinnigen Steuergeschenken weiter verengt. Längst überfällige, regulierende Maßnahmen, zum Beispiel eine wirksame Strafsteuer auf spekulativen Grundstücksbesitz, werden mit populistischen Worten verteufelt. Die immanente Botschaft der großzügigen Steuerreform von 2002 – noch mehr Wohlstand für Auserwählte – trägt aber unter anderem genau zu jenem Phänomen bei, welches eine kritische Architektin einmal als „alles bremsenden Wohlstandsegoismus“ bezeichnete.
Da wundert es wenig, wenn kein Gemeindepolitiker es wagt, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden und des Luxemburgers liebstes Kind, das Eigentum, anzurühren. Gegen die Wohnungsmisere ist aber mehr gefragt als ministerielle Briefe an die Kommunen mit dem Hinweis auf (alte) rechtliche Möglichkeiten und ein halbherziger, vorrangig auf die Förderung künftiger EigenheimbesitzerInnen ausgerichteter „Aktionsplan“: Um das gesellschaftliche Klima zu verändern, bedarf es neben neuer (Wohn- und Lebens-)Visionen auf Regierungsebene vor allem einer soliden, aufklärerischen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen AkteurInnen (Gemeinden, öffentliche und private Bauträger, BesitzerInnen) sowie eines konzeptuell fundierten „Tatendrangs“. Den Beweis, sich derart einzubringen, ist der zuständige Minister trotz achtjähriger Amtszeit bis heute schuldig geblieben.
Ein Kommentar von Ines Kurschat