Dass parteiinterne Differenzen nach außen getragen werden, mag als Schwäche erscheinen. Der LSAP hat es in der Vergangenheit oft gutgetan.
„Die aktuelle Politik mit Steuererhöhungen und Sondersteuer, Patientenmehrbeitrag im Gesundheitswesen, Aussetzen der Indexauszahlung, (…) richtet sich vor allem gegen die eigene Wählerschaft“, schrieb die LSAP-Abgeordnetet Vera Spautz in einem Aufsehen erregenden offenen Brief im Tageblatt vom 13. Mai. Es sei an der Zeit, dass die Partei, „mit unserem natürlichen Verbündeten, dem OGBL“, die „neoliberalen Angriffe aus Politik und Wirtschaft“ abwehre. Stattdessen würde die LSAP-Spitze bei den Klausursitzungen im Senninger Schloss „auf die Linie des ‚Ja-Sagers‘ zur CSV-Politik festgelegt und eingeschworen“.
Diese harten Worte folgten einem ebenso polemischen offenen Brief des Monnericher Bürgermeisters Dan Kersch zwei Wochen zuvor, und riefen Zustimmung von LSAP-AktivistInnen hervor. Das ist nicht verwunderlich. Große Koalitionen sind für sozialdemokratische Parteien immer eine Gratwanderung. Im Frühjahr 2010 sah es eine Zeitlang so aus, als würde die LSAP in Sachen Index und Sparmaßnahmen ein paar fette Kröten schlucken. Am Ende blieb, auf Druck der Gewerkschaften und der Parteilinken, nur noch ein Dutzend Kaulquappen übrig … Ob dies, wie ein Teil der Bevölkerung mittlerweile meint, noch zu viel war angesichts der schnellen Konjunkturerholung, sei dahingestellt. Sicher ist, dass die LSAP sich dabei als soziale Notbremse, nicht aber als linke Alternative zum wirtschaftsliberalen Mainstream profilieren konnte.
In einer ersten Reaktion wetterte Vizepremier Jean Asselborn über den Verstoß seiner Genossen gegen alle Regeln der Solidarität, der nicht einfach hingenommen werden könne. Die LSAP betreibe notwendige Reformen und schütze die sozial Schwachen. Die Kritiker sollten deshalb im Vorfeld der Gemeindewahlen aus dem negativen, kontraproduktiven Denken ausbrechen.
Ganz anders die Erklärungen von Lucien Lux – vielleicht sollte er als „good cop“ den KritikerInnen den Wind aus den Segeln nehmen? Der Fraktionschef bedauerte zwar auch das „Bild eines zerstrittenen Haufens“, das die LSAP biete. Doch dies könne für die Parteispitze auch ein Anlass sein, sich infrage zu stellen und linke und gewerkschaftliche Forderungen unter die Lupe zu nehmen.
Worum geht es bei dieser Diskussion? Ob ein schärferes Profil der LSAP ihr voraussichtlich gutes Ergebnis bei den Gemeindewahlen noch verbessern könnte, ist zweifelhaft. Für die Escher Schöffin Vera Spautz könnte die Betonung ihrer linken Ausrichtung von Vorteil sein, für Dan Kersch eher nicht, und weder die Regierungsmitglieder noch Lucien Lux sind Kandidaten.
Spannend dürfte es danach bei der Vorbereitung des Budgets für 2013 werden. Wie Lucien Lux anmerkte, stellen die sozialpolitischen Beanstandungen vor allem „Warnungen für die Zukunft“ dar. Sollte Anfang 2012 die Konjunkturlage immer noch gut sein, dann dürften die Indexdiskussion vom Tisch und das Kriegsbeil zwischen CSV und LSAP bis 2014 begraben sein. Umso schärfer wird sich dann für die Sozialisten die Strategiefrage vor den Landeswahlen stellen. Wie und welches Profil zeigen, um Kerschs Vorhersage – „Die Phalanx der Ja-Sager zur CSV-Politik wird die LSAP in die Tiefe reißen“ – Lügen zu strafen?
Sollte dagegen in den nächsten zehn Monaten eine erneute wirtschaftliche Krise zu erneuten Versuchen führen, durch Kürzung von Index und Sozialausgaben zu sparen, dann stünde die LSAP vor schwierigen Entscheidungen. Spautz‘ Warnung davor, sich von Juncker zum „Prügelknaben“ machen zu lassen, muss die Parteistrategen aufhorchen lassen. Die Kunst wäre dann, im richtigen Moment die Regierungsklausur durch die linke Tür zu verlassen.