Endlich findet wieder ein Ladyfest in der Kulturfabrik in Esch statt, mit vielen originellen Workshops, guten Bands, Kunst und Performances – ein lebhafter Kontrapunkt zum Einerlei der männlich dominierten Musikfestivals.
„Diese meine Sprache ist Ausdruck des Denkens, mein Glaubensbekenntnis, Vertrauen und Verständnis. Gebrauche sie ständig wie Augen und Hände, lässt sich nicht begrenzen durch Mauern und Wände (?) ich leb in der Sprache wie andre in Häusern“, heißt es in den Texten der jungen, resoluten Berliner Rapperin „Sookee“, die sich mit ihrem Sprechgesang in einer Macho-Jungmännerwelt durchaus zu behaupten weiß. Und diese auch kritisiert, etwa wenn sie in ihrem Song „Pro Homo“ gegen Homophobie ansingt, die vor allem im Hiphop-Bereich noch immer als normal gilt, oder sich vom „Porno-Rap“ distanziert, in dem Männer mit ihrem Sex prahlen, bei dem die Frauen nichts zu sagen haben. Mit der
Akribie einer sprachanalytischen Chirurgin setzt sich Sookee mit Pornografie, Hip-Hop und der Welt an sich auseinander ? zugleich benutzt die Berlinerin, die Gender Studies und germanistische Linguistik studiert hat, Sprache als ein Instrument des sozialen Handelns.
Sich in angstfreiem Umgang mit Sprache zu üben, den Rap als hartes „Jungsding“ zu entmystifizieren und grundlegende Techniken des Rap kennenzulernen und auch einmal selbst auszuprobieren, dazu bietet das Ladyfest das am Pflingstwochenende, dem 11. und 12. Juni, mit einem fetten Programm aufwartet, die ultimative Gelegenheit. Der Rap-Workshop von Sookee und der Luxemburger Rapperin Venin Afrodisiak, wo Frauen ihre eigenen Texte verfassen sollen, ist nur einer von rund vier Workshops und vielen anderen Aktivitäten, mit denen das Ladyfest aufwartet.
Endlich stehen Frauen und Mädchen, die in der Musik- und Kunstszene aktiv sind, thematisch wieder im Mittelpunkt. Das Ladyfest, das 2011 unter dem frechen Titel „Can some girl plug me in“ firmiert, wagt mit dieser Parodie des Titels des letzten Ladyfestes vor rund fünf Jahren („Can some boy plug me in“) eine homoerotische Anspielung und unterstreicht diese Andeutung noch durch eine sich lustvoll räkelnde Frau auf dem Flyer.
Zum dritten Mal findet das Ladyfest nun in der Kulturfabrik in Esch statt. Zu verdanken ist die Intitiative dem freiwilligen Engagement von drei Frauen ? Sandra Laborier (Medienpädagogin), Natalie Pickar (Musikerin) und Anne Lindner (freischaffende Künstlerin) ? die selbst in der Luxemburger Kulturszene aktiv sind. Motiv für die Organisierung eines Ladyfests war nicht nur der Wunsch, die eigenen Lieblingsgruppen endlich auch einmal nach Luxemburg zu holen, sondern auch die Absicht, eine Plattform für Veranstaltungen zu bieten, bei denen Frauen, die im Musikbereich nach wie vor unterrepräsentiert sind, selber kreativ werden können. „Sobald es um Musik und Technik geht, sind Mädchen extrem zurückhaltend. Und dabei fehlt es durchaus nicht an Interesse“, beschreibt Sandra Laborier das Problem. Als Medienpädagogin bei „Graffiti“, die Jugendlichen zur Seite steht, wenn diese eigene Sendungen auf Radio Ara produzieren, erlebt sie diese Hemmungen häufig mit. Hier will das Ladyfest mit seiner Präsentation weiblicher Partizipation in Kunst und Medien ansetzen. Es geht um Empowerment und um die Aufhebung von Vorurteilen, die Identitäten bestimmen.
Empowerment
Schon immer spielten Musikschaffen und Feminismus bei den Ladyfesten eine wichtige Rolle. Die Ladyfest-Idee griff daher auch subkulturelle Elemente aus der Riot Grrrl-Bewegung der 90er Jahre auf: Damals organisierten das Ladyfest – das erste fand 2000 in Washington statt – junge, zornige, Feministinnen, die sich an der sexististischen Gesellschaft störten. Sie wandten sich gegen die starke Überzahl männlicher Musiker und ihre Dominanz in der Musikszene und gegen gewisse als typisch männlich empfundene Bestandteile von Bühnenshows. Kathleen Hanna, eine der frühen und prominenten Vertreterinnen der Bewegung und lange Zeit Mitglied der Frauenbands „Bikini Kill“ und „Le Tigre“, grölt etwa in ihrem Song „White Boy“: „I`m so sorry if I`m alienating some of you. Your fucking culture alienates me!“ Die Widerstandsstrategien vieler Riot Grrrls zeichneten sich durch Kommunikationsguerilla-Taktiken und krasse Überzeichnungen aus. Damit sollten die falschen Bedeutungen von „weiblich“ und „normal“ entlarvt und den richtigeren Begriffen zu ihrem Recht verholfen werden. Neben den Themen der Gleichberechtigung und künstlerischen Selbstverwirklichung von Frauen war aber auch die Schaffung von alternativen Produktions- und Vertriebsstrukturen ein wichtiger Punkt. Misstrauen gegenüber etablierter Autorität und Kritik am passiven Konsum führten zur Hochkonjunktur von DIY(Do it yourself)-Ansätzen aller Art. Zu DIY gehörte es, Konzerte und andere Veranstaltungen zu organisieren, Flyer oder Plakate zu verteilen, Fanzines herauszugeben, bei Medienprojekten mitzuwirken etc.
Seit 2000 hat die Anzahl der jährlich weltweit organisierten Ladyfeste stetig zugenommen. Üblicherweise gibt es bei den nicht-gewinnorientierten mehrtägigen Veranstaltungen ein breites Angebot an Workshops, Konzerten, Lesungen, Filmen, Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen mit queer/femistischer Thematik. Ziel aller Veranstaltungen ist es, die künstlerische, organisatorische und politische Arbeit von Frauen zu stärken.
Auch das Festival in Esch ist ein partizipatives Festival. „Wir wollten kein Festival, wo wir einfach nur Frauen auf die Bühne stellen und wo nur konsumiert wird. Mittels Workshops und einer Reihe eher interaktiver von Performances, sollen die Besucherinnen selber aktiv werden“, so Laborier. Und das Programm kann sich sehen lassen: Neben der Teilnahme am Rap-Workshop kann man bei der aus Belgien stammenden Elsa Grelot Soundtechnik üben oder bei der Leipzigerin Connie Walker DJing erlernen. So erfahren die Besucherinnen von Walker, wie sich ihre eigenen Lieblingsmusikstücke zu einem tollen Mix mit gutem Fluss verbinden lassen und welches Equipment dazu benötigt wird. Sie lernen, was hinter den Wörtern Tempo, Master, Rekord-Level, Cue, Fader, In und Out etc. steckt.
In einem anderen Workshop steht die Videokunst – das VJing – im Mittelpunkt. Dominique Zeltzer Russell führt in die Kunst des Visual Jockey (VJ) ein. Dabei geht es darum, bei Musikveranstaltungen eine Audioperformance um eine visuelle Komponente zu vervollständigen. Die VJane macht dazu Gebrauch von analog oder digital hergestellten Videoclips und Animationen, die sie mittels Fernseher oder Beamer als Visuals in Echtzeit vorführt. „Zum Vjing braucht man einen Laptop, ein Programm, das Bilder mixt und Effekte schafft, sowie eine Kamera“, erläutert Dominique Zeltzer Russell das Verfahren. Die meiste Zeit nehme dabei die Zusammenstellung eines Fundus von Bildmaterialien ein, aus dem die VJane sich bei der Performance bedient. „Ich benutze keine Bilder aus Filmen oder der Werbung. Das meiste Material habe ich über die Jahre selber gefilmt“, erklärt die junge VJane. Aber obwohl sie mittlerweile regelmäßig in Clubs für das visuelle Bildvergnügen sorgt, kann sie von dieser Ausübung dieser Kunstform noch nicht leben.
Partizipation
Neben den Workshops, zu denen sich Interessentinnen bis Ende Mai anmelden können, werden über das lange Pfingstwochenende auch diverse interaktive Infostände zu frauenspezifischen Themen unterhalten – von der Mediengestaltung über aktive Aufklärungsarbeit (Planning Familial), hin zum Kunstgewerbe. Eines von ihnen ist z.B. das Projekt „Made by d`Vitrin“, ein Projekt des Centre d’Initiative et de Gestion Régionale Remich, bei dem gebrauchte Kleider und Stoffe wiederverwertet und zu neuen modischen Kreationen kombiniert werden. Daneben gibt es Performances und eine ständige Ausstellung, wobei auch für diese die Partizipation der TeilnehmerInnen ausdrücklich erwünscht ist. Auch hier wurde auf eine Mischung von internationalen und luxemburger Künstlerinnen geachtet. Und: „Wir stellen vor allem die Künstlerinnnen aus, die uns persönlich gefallen“, erläutert Labo-
rier die recht einfache Maxime. Neben den abstrakten Malereien von Anne Lindner, den verspielten grafischen Werken von Désirée Wickler und den Kompositionen von Stéphanie Uhres sind Installationen von Grace Capper und Jo Wilton sowie die sozialkritischen Fotos von Claire Barthelemy ausgestellt.
Aber auch die geplanten Konzerte versprechen spannend zu werden. Auch hier wurde auf den Stilmix geachtet, um die Bandbreite weiblichen Musikschaffens zu demonstrieren. Die Besucherinnen können daher sicher sein, etwas Passendes für sich zu finden. Zu hören sind die experimentelle Frauenband „Chicks on Speed“ mit ihrem Electropunk, die Schweizer Musikerinnen „Les reines prochaines“, die in burlesker Manier ihre poetisch-politischen Texte auf der Basis von Pop, Tango, Volksmusik und Klassik vertonen, sowie die belgische Singer- und Songwriterin „Cloé du Trèfle“ mit ihren etwas melancholischen Songs.
Was schließlich die Jungs angeht, so gibt es für sie keinen Grund, melancholisch zu werden. Zwar richtet sich das Ladyfest in erster Linie an Frauen, und die Workshops sind ausschließlich ihnen vorbehalten, doch können Männer an den Konzerten teilnehmen und die Ausstellungen besuchen. „Das Fest ist offen für jeden“, so die Organisatorin Sandra Laborier.
Zu wünschen wäre es den engagierten und energischen Organisatorinnen, dass das Ladyfest „Can some girl plug me in“ viel Anklang findet und neue Netzwerke sich bilden. Denn: The riot is not quiet.
Erforderliches für die Anmeldung zu den Workshops und Infos zum Fest finden sich unter: http://cansomegirlplugmein.blogspot.com