Man sollte die Klimakrise nicht isoliert betrachten, findet der Globalisierungskritiker Elmar Altvater. Den Emissions-handel hält er für eine absurde Veranstaltung.
woxx: Derzeit ist die Welt zwei Bedrohungen ausgesetzt: Ölknappheit und Klimawandel. Welche sehen Sie als dringlicher an?
Elmar Altvater: Es gibt nicht nur zwei Bedrohungen. Die Energieknappheit führt dazu, dass Öl fehlt für die Motoren der Autos. Aber Nahrungsmittel sind auch Energie, die fehlt, und zwar für die Mägen der Menschen. Hinzu kommt die Finanzkrise. Alle diese Probleme haben miteinander zu tun. Es handelt sich um eine Zivilisationskrise des Kapitalismus. Man kann die Probleme nur in einer gemeinsamen Anstrengung angehen.
Auch bei steigendem Verbrauch dürften die Reserven an fossilen Brennstoffen bis 2030 ausreichen. Der Klimawandel würde durch ein solches Szenario noch beschleunigt.
Wahrscheinlich wird uns die Klimakrise vor der Ölkrise einholen. Aber die Folgen der Ölknappheit treten ja nicht erst ein, wenn der letzte Tropfen verbraucht ist. Mit den steigenden Förderkosten geht der Barrel-Preis nach oben, zumal wenn die Nachfrage ebenfalls steigt. Greift man auf Biomasse als Ersatz für fossile Energien zurück, dann fehlt diese für die Welternährung. Das führt zu Hungerrevolten, wie sie in diesen Wochen schon stattfinden. Verstärkt wird das Ganze, wenn sich die Investoren und Spekulanten für diese Rohstoffmärkte interessieren. Allgemein halte ich eines für noch bedrohlicher als den Klimawandel: die soziale und politische Unfähigkeit, darauf angemessen zu reagieren.
Sie kritisieren insbesondere den Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten. Was wäre die Alternative?
Es ist eine verrückte Logik, mit marktbasierten Instrumenten ein Problem lösen zu wollen, an dem doch gerade der Markt schuld ist. Besser wäre es, den Klimawandel mit staatlichen Steuern zu bekämpfen. In der EU würde das heißen, dass nicht nur 11.500 große Konzerne an einem Marktmechanismus beteiligt wären, sondern 400 Millionen Bürger an einem politischen Prozess.
Wenn man beim Emissionshandel das Cap, also das erlaubte Emissionsvolumen, richtig ansetzt, müsste das System doch eigentlich funktionieren?
Das ist eine sehr naive Vorstellung. Das Cap ist nicht objektiv feststellbar, der CO2-Zyklus sehr erratisch. Und die Konzerne und Lobbys werden alle Möglichkeiten nutzen, um zu mogeln, zum Beispiel indem sie sich CO2-Senken anrechnen lassen. Aber das Interesse am Emissionshandel ist verständlich. Durch die Zertifikate werden die CO2-Verschmutzungsrechte zu einem handelbaren Wirtschaftsgut. In gewisser Weise wird das Allgemeingut Atmosphäre privatisiert und man kann damit spekulieren. Und auf diese Weise soll Klimapolitik gemacht werden … Nachfolgende Generationen werden über diesen Einfall den Kopf schütteln.
Lehnen Sie Marktmechanismen grundsätzlich ab?
Keineswegs. Die Märkte haben eine lange Geschichte, sie sind viel älter als der Kapitalismus. Aber sie waren immer in die Gesellschaft eingebettet. Seit dem Beginn des Kapitalismus haben sie sich verselbständigt und führen ein Eigenleben, ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Konsequenzen. Heute werden Märkte von der neoliberalen Ideologie als Allheilmittel angepriesen. Das hat desaströse Konsequenzen. Wenn sie aber wieder in die Gesellschaft eingebettet sind, habe ich kein Problem mit Märkten.
Am Dienstag, dem 29. April um 20 Uhr hält Elmar Altvater in der Maison du Peuple in Esch einen Vortrag zum Thema „Klimawandel und Finanzmärkte“ (Details siehe Agenda).
Ein längeres aktuelles Interview mit ihm findet sich auf Telepolis (www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27109/1.html).