Claire Schadeck im Gespräch: „Entscheidungsposten müssen paritätisch besetzt werden”

Claire Schadeck, Projektleiterin beim CID Fraen an Gender, offenbart im Gespräch mit der woxx Details über die genderspezifische Analyse ausgewählter Kulturhäuser in Luxemburg.

Er ist keine Ausnahme: Gustavo Gimeno, musikalischer Leiter des luxemburgischen Nationalorchesters, ist nur einer von vielen Männern weltweit, die Orchester anführen – alle seine Vorgänger waren ebenfalls männlich. (Copyright: Quincena Musical, CC BY 2.0 / Wikimedia Commons)

woxx: Warum hat das CID diese Studie in Auftrag gegeben?

Claire Schadeck: Das CID arbeitet schon seit einem Jahr zum Thema struktureller Sexismus in der Kulturszene. Wir wollten herausfinden, wie es dort um die Geschlechterverhältnisse steht. Aus dem Grund haben wir dem Kulturministerium Anfang 2023 eine Studie dazu vorgeschlagen.

Die Studie dokumentiert Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sowohl in den Programmierungen als auch in den Berufsfeldern – das Geschlecht der Personen wurde dabei „vermutet“. Was bedeutet das?

Die Studie wurde zusammen mit dem Liser ausgearbeitet: Letzteres hat die Erhebungsmethode bestimmt. Das Liser hat die Personen aufgrund ihres Namens einer Geschlechterkategorie zugeordnet.

In der Studie wird sich gegen die Geschlechterbinarität ausgesprochen, warum analysiert sie dann doch nur die Unterschiede zwischen Frauen und Männern?

Das CID arbeitet im Grunde nicht in dieser Binarität. Jedoch haben wir im Austausch mit dem Liser keine Möglichkeit gefunden, nicht-binäre Menschen zu identifizieren, weil uns hierzu Anhaltspunkte fehlten. Darum war es uns wichtig, nochmals in der Studie zu betonen, dass wir das Geschlecht nur vermutet haben: Fest zuschreiben möchten wir es niemandem.

Neben diesen Daten fehlen auch verschiedene Disziplinen, wie die bildende Kunst oder die Literatur; auch sind nicht alle Kulturhäuser in Luxemburg analysiert worden. Warum?

Wir arbeiten mit einem limitierten Budget und mussten deshalb eine Auswahl treffen. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass es eigentlich nicht in unserer Verantwortung liegt, eine solche Studie durchzuführen, sondern diese durch Ministerien in Auftrag gegeben werden sollte. Aus diesem Grund begrüßen wir, dass das Kulturministerium gemeinsam mit der Stadt Düdelingen die Studie finanziert hat. Wir wünschen uns allerdings, dass in Zukunft mehr Budget für gendersegregierte Daten vorgesehen wird. Die Studie ist bei weitem nicht vollständig, sondern soll eine Basis darstellen, auf der wir weiter aufbauen können.

Welche Ergebnisse haben Sie am meisten überrascht?

Die Ergebnisse in den Bereichen ‚Tanz‘ haben mich überrascht: Manche führen ja immer das Argument an, das Ungleichgewicht in der professionellen Musikszene und deren Programmierungen sei darauf zurückzuführen, dass einfach mehr Männer in diesem Bereich tätig sind. In den Bereichen ‚Tanz’ ist nun aber klar, dass Frauen in der Ausbildung viel mehr vertreten sind, als schlussendlich in der professionellen Szene. Würde das vermeintliche Argument zum Ungleichgewicht in der Musikszene stimmen, dann müssten auch viel mehr Frauen professionell in der Tanzszene tätig sein. Dies ist aber nicht der Fall.

Woran liegt es, dass Männer vor allem die klassische Musik dominieren?

Unserer Meinung nach liegt das an der geschlechtsbedingten Sozialisierung. Wen sieht man als Vorbild, mit wem kann man sich identifizieren? Wenn man mit Musikerinnen spricht, wird immer wieder der Mangel an Vorbildern erwähnt. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass Frauen in Führungspositionen sichtbarer werden. Auch die gläserne Decke ist ein zusätzliches Hindernis: Menschen in Entscheidungspositionen stellen Menschen ein, die ihnen am ähnlichsten sind. Es ist also auch eine Frage der Sensibilisierung. Viele Leute, die Programmierungen erstellen, sind sich gar nicht bewusst, dass sie ausschließlich Männer einstellen.

Wie interpretieren Sie die Tatsache, dass Frauen in Entscheidungspositionen eher Frauen einstellen?

Es ist ein Phänomen, das man allgemein innerhalb der Frauenbewegung wiederfindet: Es sind vor allem die Frauen, die sich für eine Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzen. Dabei liegt die Verantwortung ganz klar nicht nur bei Frauen. Mit dieser Studie wollen wir alle Menschen in Entscheidungspositionen erreichen, damit sie sich dieser Geschlechterungleichheiten bewusst werden.

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um Gleichberechtigung in der Kulturszene zu erreichen?

Die Verpflichtung einer Gleichberechtigung, sowohl auf Entscheidungsebene als auch in der Programmierung, gilt schon für die Häuser, die die Deontologie-Charta des Kulturministeriums unterschrieben haben. Zusätzlich könnte man eine finanzielle Förderung, die im Idealfall vom Staat kommen würde, für Kulturhäuser in Betracht ziehen, die feministische Kunst programmieren. Eine weitere Maßnahme wäre auch die paritätische Besetzung der Entscheidungsposten. Die Studie belegt ja nun, welche Auswirkungen dies auf die Programmierung hat.


Cet article vous a plu ?
Nous offrons gratuitement nos articles avec leur regard résolument écologique, féministe et progressiste sur le monde. Sans pub ni offre premium ou paywall. Nous avons en effet la conviction que l’accès à l’information doit rester libre. Afin de pouvoir garantir qu’à l’avenir nos articles seront accessibles à quiconque s’y intéresse, nous avons besoin de votre soutien – à travers un abonnement ou un don : woxx.lu/support.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Wir stellen unsere Artikel mit unserem einzigartigen, ökologischen, feministischen, gesellschaftskritischen und linkem Blick auf die Welt allen kostenlos zur Verfügung – ohne Werbung, ohne „Plus“-, „Premium“-Angebot oder eine Paywall. Denn wir sind der Meinung, dass der Zugang zu Informationen frei sein sollte. Um das auch in Zukunft gewährleisten zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung; mit einem Abonnement oder einer Spende: woxx.lu/support.
Tagged , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.