SOUNDINSTALLATION: Heilungsprozess

1952 wurde in der Maverick Concert Hall in Woodstock, New York ein Musikstück von John Cage uraufgeführt, dass heute zu seinen berühmtesten gehört. Dieses Stück besteht aus drei Sätzen, jeweils mit der Anweisung verknüpft absolute Stille einzuhalten. Laut Partitur ist die Dauer des Stückes frei wählbar, soll aber im Titel angegeben werden. Durchgesetzt hat sich die Bezeichnung 4` 33″, frei nach dem Titel und der Dauer der Uraufführung. Der damals interpretierende Pianist David Tudor zeigte die drei Sätze durch Öffnen und Schließen des Klavierdeckels an.

Aber auch wenn Stille herrschen sollte ist es selbstverständlich nicht still, man bemerkt nur die Geräusche, die man sonst beim Musikhören ausblendet: Sei es die Klimaanlage, draußen vorbeifahrende Autos oder das berühmte Hüsteln im Publikum. Auf Kirchberg haben nun der unabhängige Kurator Hans Fellner und der Komponist und Künstler Steve Kaspar, von dem auch die Idee zu diesem Projekt stammt, in Kooperation mit dem Mudam und der Philharmonie Luxembourg ein Konzept umgesetzt, das den Besucher in erster Linie zu einer „Wiederentdeckung“ des Parks Dräi Eechelen einladen soll. Unter dem Titel „Recovering – Soundscapes & Views“ wird man von vier Klanginstallationen um das Mudam herum durch den von dem französischen Landschaftsarchitekten Michel Desvigne gestalteten Park geführt, der dem Programm nach eine der „schönsten Parkanlagen Luxemburgs“ ist. Darüber hinaus sollen dem Besucher „neue Zugänge zur neuen und alten Architektur“ der Anlage erschlossen und erfahrbar gemacht werden.

Der Besucher wird quasi auf eine Entdeckungsreise geschickt. Vom Place de l`Europe kommend geht es so nördlich des Mudam an den Resten der Festungsmauern vorbei. Von dort zum Fort Dräi Eechelen und ein etwas längeres Stück bis zum Fort Obergrunewald, von wo aus man den Blick auf das Alzettetal und die östliche Altstadt genießen kann. Dort kann man dann noch etwas zwischen den Resten der restaurierten Festungsmauern lustwandeln.

Die Klangkulissen des Komponisten Kaspar sind dabei speziell für diese Orte geschaffen worden. Und dies lässt sich nachvollziehen, mag man doch zu jedem der Orte in den Klängen gewisse besondere Merkmale wiedererkennen. Allerdings scheinen dem Einfallsreichtum bei der Klanggestaltung relativ enge Grenzen gesteckt gewesen zu sein. Metallisch rauschender Wind und platzende Wassertropfen, Türenquietschen, knarrende Dielen und Sirenen. Nicht nur, sondern auch.

Doch das größte Problem des Projekts liegt wohl in seinem Standort. Der Mensch scheint im allgemeinen recht gut in der Lage zu sein, störende Nebengeräusche auszublenden. Anders als bei Cages betonter Stille wird man hier auf Kirchberg eben durch die Klanginstallationen geradezu mit den Ohren darauf gestoßen. Man lauscht und hört und es stört. Sei es das allgegenwärtige Rauschen des Straßenverkehrs, Züge die unterhalb des Fort Obergrunewald vorbei rattern oder darüber hinweg fliegende Flugzeuge.

Das ist nicht das, was man sich unter einem erholsamen Tag im Park vorstellt. Dabei liegt genau hier der Grund für das geschickte Spiel mit der Mehrdeutigkeit des englischen Titels des Projekts. Der Park soll mit Hilfe dieses Projekts, das im Prinzip eine Werbekampagne ist, nicht nur „wiederentdeckt“ werden, sondern es soll auch zum „Heilungsprozess dieser langjährigen Baustelle“ beitragen. Und die Besucher eben zur „Erholung“ im Park Dräi Eechelen einladen. Wer hier Erholung sucht, sollte sich dazu wenn überhaupt ein Wochenende aussuchen. Vielleicht einen der Samstage an denen das Projekt durch Rahmenprogramme wie Musik, Tanz und Performances ergänzt wird.

Noch bis zum 8. Oktober vor und hinter dem Mudam. Mehr Infos zum Programm unter www.mudam.lu.


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